Bürgerliche Art

Auf dem Bild oben, meine Damen und Herren, sehen Sie ein Mittags-Menü-Angebot aus dem Restaurant der Migros City in Zürich (das Papier sieht etwas ramponiert aus, weil ich es für Sie aus dem Abfall geklaubt habe, aber das ist eine andere Geschichte). Was mir daran auffiel, woran mein Blick hängen blieb, war der Zusatz: «Bürgerliche Art». Das wirkt ein wenig … aus der Zeit gefallen. Zufällig lese ich gerade eine Abhandlung über Hipster, von einem sogenannten Jugendforscher namens Philipp Ikrath, der den Hipster als Idealtypus im Sinne Max Webers würdigt. Ikrath definiert den Hipster als jungen, stilbewussten, modischen, individualistischen Angehörigen der akademischen Mittelschichten, wohnhaft in den innenstadtnahen Altbauvierteln der Grossstädte. Der Hipster konsumiert die Erzeugnisse der gehobenen Populärkultur, verachtet den Mainstream und vertritt eine progressive Weltanschauung, ohne dabei besonders politisch interessiert oder gar politisch aktiv zu sein.
Der mutmassliche Antikonformismus des Hipsters erscheine vor allem auf einer dekorativen Ebene; er werde symbolisch kommuniziert, zum Beispiel durch die Aneignung subkultureller Zeichensysteme; allerdings in einem rein äusserlichen Gestus geistloser Pseudo-Ironie, d.h. die Symbole der Hipster-Distinktion sind sinnentleert, sie verweisen auf: nichts. Ikrath schreibt: «So bleibt zu konstatieren, dass der Hipster, trotz seiner bohemienhaften Selbstdarstellung, deutlich mehr aus seiner bürgerlichen (Mittelklassen-)Sozialisation mitnimmt, als er wahrhaben möchte.»
Bezogen auf obiges Rindsvoressen müsste es dann heissen: «Nach Hipsterart». Analog zur Hausfrauenart. Alles ironisch verstanden, natürlich. Also: «Nach Hipsterart, ironisch.»
8 Kommentare zu «Bürgerliche Art»
Super Analyse einer momentanen Identifikationsströmung. Die bürgerliche Art wird auch den Hipster übeleben oder vielleicht dadurch und dank dieser Haltung auch ein ganz kleines bisschen mutieren. Doch im Grundsatz bleibt alles beim Altten. Zur Selbstidentifikation sind ja solche Lebensstil-Modeströnungen ganz in Ordnung. Auf dem Menue jedoch wohl eher verwirrend. Andererseits könnten sie aber durchaus zum regen Austausch am Mittagstisch über Hipster, Blogger, Veganer oder auch andere Richtungen der menschlichen Orientierungshilfen führen. Was mir eher auffällt, ist dass es kein Vegi Menue hat!
Ich nehme an, dass der Autor das Menü im Migrosrestaurant gegessen hat – und kein Hipster am Nebentisch. Ist das nicht einfach etwas antiquiertes Schubladendenken? Der Hipster gehört in die selbe Ablage wie die Bürgerlichen von gestern … Klingt für mich eher als pseudointelligent verpackte Häme. Aber irgendjemand muss den anderen ja sagen, was angesagt ist und was nicht, oder?
Wenn die Wolken bei uns im Tal, SouthEast, diese Grautöne zeigen dauert es keine Stunde und es beginnt zu regnen, meistens. Denn wie klingt es so schön: Sometimes the Snow comes down in April oder war es June? Mist macht sich auf jeden Fall gut und wie war das mit Diggin in the Earth? Überall Heinzelmännchen.
Auch bei den Hipstern gibt es Tabus, die für mich aber nicht ganz durchschaubar sind. Jedenfalls würde ich mich als „gewöhnlicher Bürger“, ohne patriotischen Stolz, ohne Sünneli, aber mit einem gelegentlichen Hang zum Konservativen, zum Beispiel nicht mehr in ein Hipster-Kaffeehaus wagen. Da fühle ich mich unwohl, denn es hängt ein unsichtbares Nebelgemisch von Tabu und (zuviel) Indifferenz in der Luft. Und wir wissen alle, dass diese Indifferenz gekünstelte Schau ist. Denn wehe, man sagt mal etwas Unangemessenes nach dem Massstab der Indifferenten!
Hipster sind aber nicht die neuen Hippies. Abgrenzung. (Bei den Hippies gab es sowohl Akademiker als auch Büezer). Aber die Hippies orientierten sich u.a. auch an der Lebensphilosophie von Hermann Hesse (Steppenwolf, Siddhartha, u.v.a.m.), eines bürgerlich, zurückgezogen lebenden Schriftstellers. Politisch indirekt schon aktiv, v.a. gegen Kriege aller Art.