Zur Philosophie des Verbots

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Gelegentlich, meine Damen und Herren, widmen wir uns ja an dieser Stelle dem kulturübergreifenden Vergleich von Bildersprachen und Symbolen, und aus dieser quasi kulturanthropologischen Sicht ist wieder zu bestätigen, dass die Piktogrammatik im hispanischen Raum, wie die öffentliche Kommunikation überhaupt, etwas ausführlicher ausfällt. Siehe oben.

Apropos Verbote und Gebote: Diesen liegt bekanntlich, philosophisch gesprochen, ein Sollen zugrunde; und interessant ist, wie dieses Sollen nun mit der sogenannten Wirklichkeit, also dem Sein verbunden wird. Deskriptive Aussagen (zum Beispiel: «Menschen auf Krücken sind weniger sicher zu Fuss») kann man als wahr oder gültig annehmen. Wenn man dagegen ein normatives Argument akzeptiert, impliziert dies, dass man nach einem bestimmten (moralischen) Gebot oder Verbot handeln will. Der sogenannte naturalistische Fehlschluss besagt nun, dass man aus deskriptiven Aussagen (also aus einem Sein) nicht in sinnvoller Weise auf normative (also auf ein Sollen) schliessen kann. Wie beispielsweise in dem Satz: «Menschen auf Krücken sind weniger sicher zu Fuss, also sollst du für sie deinen Platz frei machen.»

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14 Kommentare zu «Zur Philosophie des Verbots»

  • Armin Kühne sagt:

    Mit der Diskursethik lässt sich sagen, dass man normative Sätze (ein Sollen) damit begründen kann, wenn es mir gelingt, Andere von deren Richtigkeit argumentativ, also im Diskurs, zu überzeugen. Aus welcher Rationalität diese Richtigkeit ihre argumentative Überzeugungskraft speist, also z.B. aus der Rationalität deskriptiver Sätze über die Wirklichkeit (Menschen an Krücken sind gefährdet und gefährdend) oder etwa aus der Rationalität metaphysischer Sätze (Gott will, dass man Menschen an Krücken hilft), spielt nur eine dramaturgische Rolle auf dieser exemplarischen Bühne.

  • Hitz sagt:

    Deskriptiv…normativ…wenn du für an Krücken gehende, Alte, Schwangere und sonstig Belastete den Platz nicht freimachst, bist du einfach ein Asi.

  • Anh Toàn sagt:

    Das normative Sollen kann nicht alleine aus dem deskriptiven geschlossen werden:

    Alte Menschen sind schlecht zu Fuss, fallen gerne hin und verletzten sich. – Na und? Oder: Also besser die gleich notschlachten?

    Das Sollen ergibt sich aus der Differenz zwischen dem deskriptivem Sein und einem gewünschten Zustand (Religion/Ethik/Moral), der, da er eben (noch) nicht existiert, nur konstruktiv nicht deskriptiv bestimmt werden kann.

    • Hans Weber sagt:

      Aber wenn sie doch GERNE hinfallen, weshalb sollte man das Erlangen dieses Vergnügens für sie erschweren??

  • Armin Kühne sagt:

    Antwort an Philipp Tingler
    Eine moderne rationale Begründungsfähigkeit metaphysischer Sätze zum Sollen in praktischen Fragen des Zusammenlebens gibt es nicht. Aufklärung und Säkularisierung haben dies (zum Glück) abgeschafft. Andernfalls könnten wir jede Ungerechtigkeit rational begründen. Eine bis heute letzte Stellung metaphysischer Begründungsfähigkeit praktischer Normen behielt die Ethik des Nutzens von Skinner. Wenn es einer Mehrheit etwas nützt, dass wir Menschen an Krücken helfen, sei es rational begründbar.

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