So überstehen Sie Weihnachten

Es wird immer enger. Es kommt immer näher. Aber: Don’t worry, I made you a list. Hier kommen für Sie, meine Damen und Herren, die Antworten auf die drängendsten Weihnachtsfragen.
- Wie vermeidet man die Weihnachtsdepression?
Es passiert ganz plötzlich. Man läuft mit Tüten beladen durch die liebliche Weihnachtslandschaft, zum Beispiel die Zürcher Bahnhofstrasse, und schlagartig wird einem so blümerant zumute. Böse funkeln die Lichter, der Himmel senkt sich düster auf die Erde, und einem fallen auf einmal so Sachen ein, zum Beispiel, dass «Pur» die hässlichste Band aller Zeiten ist. Und ausserdem wird man älter und irgendwann sterben, das fällt einem auch noch ein, und darüber hinaus kann man sowieso jede Sekunde von ausrangierten Luftbefeuchtern erschlagen werden, die die Leute heutzutage ja einfach so aus dem Fenster werfen, weil es keine Liebe und Mitmenschlichkeit mehr gibt. Haarfarben, Oberweiten, Wahlversprechen – alles Lüge! Da ist sie also. Die Weihnachtsdepression. So steht man zwischen den Lichtern, herrliche Geschäfte strahlen in buntem Christputz aus dem Schneedämmer, doch man ist wie gelähmt, angefallen von Melancholie, ach, diese ganze Traurigkeit, das liegt irgendwie nur an Weihnachten und ist trotzdem unerklärlich. Doch verzage nicht. Man kann damit fertig werden. Mögliche Strategien sind der Einsatz von Giften, wie zum Beispiel Alkohol, oder der Einsatz von Implantaten. Oder denken Sie an was Lustiges. Ich persönlich erinnere mich bei aufkommender Schwermut immer daran, wie meine Tante Kitty damals auf Bali aus Versehen in die Kanalisation fiel.
- Was soll man Kindern schenken?
Ich war jung in einer Zeit, da man auch mit einem alten Pappkarton stundenlang spielen konnte und Disney-Figuren noch keine Brustwarzen hatten. Neulich betrat ich, weil ich für meine dreijährige Freundin Phyllis ein Geschenklein kaufen wollte, einen grossen Spielwarenladen. Ich entschied mich für ein paar Buntstifte, denn sowas regt die kindliche Schaffenskraft an. Dann wäre ich fast gestolpert über irgendein ferngesteuertes androides Killer-Monster, das mir unter grässlichem Geräusch zwischen den Füssen hindurchwischte, gefolgt von einem herzigen Buben, der noch viel grässlichere Geräusche ausstiess, und zwar gewissermassen im Wettstreit mit irgendeiner rothaarigen Range, die plärrend auf einer riesigen, buntfarbigen Klaviatur herumsprang, welche wohl zu diesem Zweck auf den Boden gebreitet worden war. Es kämpften in meiner Nähe ausserdem zwei etwa achtjährige Gören, und zwar um eine Anziehpuppe mit ganz grossen Augen und den Massen 90-60-90. Hier könnte man nun eine Debatte um «gendered gifts» anstrengen. Wissen Sie was? Vergessen Sie’s! Ein alter Pappkarton tut’s auch! Und nur für den Fall: eine Liste der aktuell gefährlichsten Spielsachen finden Sie zum Beispiel hier.
- Ist ein Weihnachtsbaum obligatorisch?
Das Weihnachtsbaumproblem hat schon mehr Paare auseinander gebracht als sexuelles Desinteresse. Dabei geht es nicht um das Problem der Entsorgung, sondern um die mit diesem Zimmerschmuck verbundene akute Brandgefahr. Der hübsche Brauch des Christbaums stammt bekanntlich aus dem Mittelalter, und im Mittelalter wurden sowieso andauernd Leute verbrannt, und deshalb fiel das vielleicht damals nicht so auf. Heutzutage aber entsteht durch entflammte Weihnachtsbäume allein in Westeuropa ein alljährlicher Schaden in zweistelliger Millionenhöhe. Und jedes Jahr müssen Menschen ihr Leben lassen. Es stimmt, der Weihnachtsbaum ist, bei Lichte besehen, ein gefährlicher Mythos. Er piekt und nadelt, verbreitet Insekten und verursacht allergische Reaktionen, und seine blinkenden Lichter können Anfälle auslösen. Und trotzdem ist Weihnachten ohne Baum wie eine Neujahrsparty ohne Uhr.
- Ist das Weihnachtsessen wichtig?
Warum essen wir an Weihnachten? Einerseits, um Familienanlässe durchzustehen. Erstens streitet man meist weniger mit vollem Mund, und zweitens kann man bei einem gemeinsamen Essen auch dann noch die Lippen bewegen, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat. Und dann ist da natürlich die Weihnachtsdepression (siehe oben). Wir essen aus den gleichen Gründen, aus denen wir vorm Christbaum melancholisch werden: Zum Beispiel weil wir über dreissig sind und auf einmal merken, dass wir nicht mehr die Energie haben, vollkommen oberflächlich zu sein. Oder weil im Radio schon wieder «If I Could Turn Back Time» gespielt wird. Fazit: Weihnachten und Essen gehören zusammen wie Cher und die Klebestreifen, mit denen diese grossartige Künstlerin bei Auftritten auf Schlachtschiffen ihre Brustwarzen abdeckt. (Vielleicht hat sie auch gar keine. Wie damals die Disney-Figuren.)
- Darf man an Weihnachten die Unwahrheit sagen?
Auch zum Fest der Liebe kommt man ohne kleine Mogeleien nicht aus. Ich spreche von Ausreden, Vorwänden, Notlügen. Notlügen dienen dem reibungslosen Ablauf des Gesellschaftslebens, stehen im Einklang mit der christlichen Tradition und sind mit dem Achten Gebot problemlos vereinbar. Wie bei der Sache mit dem Weihnachtsmann handelt es sich bloss um ungefährliche, kleine Mythen, die helfen, unsere willkürlichen und bisweilen erbärmlichen zwischenmenschlichen Beziehungen zu ertragen. Und jetzt folgen die wichtigsten Ausreden, die Sie für die Festtage brauchen werden:
Erstens: Irgendeine wenig gelittene Bekanntschaft lädt Sie zu einer Weihnachtsparty ein.
Antworten Sie: «Das ist ja nett, aber leider kann ich nicht. Ich spende an diesem Abend Kleider. Und Blut. Und eine Niere. Ich gebe eben der Gesellschaft was zurück.»
Zweitens: Tante Doris erkundigt sich, was eigentlich mit der Cindy-Crawford-Fitness-DVD passiert ist, die sie Ihnen letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hat.
Antworten Sie: «Die DVD? Die habe ich auf der Terrasse liegenlassen, und ein Heer von roten Ameisen hat sie weggeschleppt.»
Drittens: Der schwierigste Fall. Sie haben ein wenig zu eifrig den Äpfeln, Nüssen und Mandelkernen zugesprochen, und überdies dem Plum Pudding, Eichelmus und Eierlikör, deshalb sind Sie ein wenig aus der Form, und jemand fragt: «Hast du zugenommen?»
Antworten Sie: «Nein. Ich trage Pelz.»
Oder: «Nein. Ich bin bloss qualitativ unterernährt.»
Oder: «Nein. 1977 haben mir das Eindringlinge aus dem Weltraum angehängt.» (freie Improvisation)
13 Kommentare zu «So überstehen Sie Weihnachten»
die ausführungen sind richtig und hilfreich – einige klitzekleine ergänzungen:
1) alkohol gepaart mit den besinnlichen evergreens von mickie krause helfen immens.
2) puppenstube oder spiel-herdkombination für die mädels zur vorbereitung auf das (richtige) leben, für die burschen eine schöne cowboy-ausrüstung.
3) der baum ist leider unerlässlilch.
4) siehe pkt. 1 – dann ist das essen auch nebensächlich.
5) siehe pkt. 1 – dann klappts auch mit der ehrlichkeit – und – mit etwas glück ist einem anderntags niemand böse, da sich keiner an die ehrlichen gemeinheiten erinnern kann.
danke für ihre einladung habe zeit an weihnachten. und werde auch etws kleines mitbringen sowie sonstige bekannte, die ich auf der strasse aufgegabelt habe. 😉 nach reichlich wein und single malt zum abschluss, klinge ich gefühlt und raumfüllend wie maria callas in ihrer besten zeit. also für den gesang unter dem weihnachtsbaum ist gesorgt und mickie krause darf micht dann begleiten.
äh – marie – ich denke bei fam. tingler lässt’s sich viel besser feiern, räusper! 😉
Oh! Bei Familie Tingler darf man mitfeiern? Da wäre ich auch gern dabei! Gibt’s noch Karten? 😉
Liebe Katharina I, dazu kann ich nur sagen: Be careful what you wish for 🙂
Can you handle the truth ? Wer glaubt, daß Narkotika und Alkohol helfen, der soll einfach zu uns kommen…
Er muss sich nicht mit meiner Schwiegermutter oder sonstigem unerfreulichen Weihnachtsbesuch abgeben, sondern lediglich mit meinem Zwölfjährigen, der über die “ Festtage “ ostentativ zeigen wird, wie grässlich enttäuscht er ist, kein I-Phone 5 bekommen zu haben………
lord henry – DAS möchte ich sehen!
Lieber Herr Rittermann, ich hätte da noch eine Anmerkung zu Ihrem Punkt 3 „Der Baum ist unerlässlich“ : Bei uns stellt dies leider keine Lösung dar; er ist viel zu nieder und zu wackelig um sich zu entleiben.
Ihr Profilbild, die gute Sylvia Fine, herrlich!
ha ha ha!!!! vor allen dingen die antwort „nein. ich trage pelz“ auf die frage ob man zugenommen hat… epochal!
Jetzt bin ich ein bisschen enttäuscht. Im Klartext heisst das doch: Man muss sich mit Weihnachten einfach abfinden, wie es ist. Mit Weihnachtsbaum, Familycrash und Geschenken. Was bleibt da anderes übrig, als sich sinnlos zu betrinken? (Rittermannzuprost.) Vor allem auch, weil ich dunkel ahne, dass Sie wahrscheinlich richtigliegen mit Ihrer Liste.
Oh Lord, won’t you buy me a Christmas-free year! Und dabei haben wir noch gar nicht richtig von der Neujahrsparty geredet. Schauder. Wie oft muss ich noch schlafen bis zum 2. Januar?
guten tag oh meine holde torte. warum? – machen sie das beste draus, geniessen sie die freien tage, schlemmen sie, trinken sie, amüsieren sie sich! denken sie an jesus und nicht an die verwandschaft.
Nachdem mir klar ist, daß meine Schwiegermutter lieber einen anderen Schwiegersohn (das weiss ich aber schon seit 20 Jahren und ist mir mittlerweile egal), meine liebe Gattin lieber den mit uns bekannten, mit vielen Privatpatienten gesegneten Kieferorthopäden zum Gatten und meine Kinder sowieso gerne einen anderen Vater hätten (mea culpa) hätte ich an Weihnachten vielleicht auch noch Zeit das glücklichste Paar seit Wallis Simpson und Edward VIII zu besuchen. Also wenn Herr Rittermann, Kathrina I und Marie noch Verstärkung brauchen………..