Früher nerdish, heute cool

(Reto Oeschger)

Von einer der Figuren in Balzacs «Comédie humaine» heisst es: «Und welche Kommentare über sein Leben und seine Sitten standen nicht für jeden, der die Kleidung eines Menschen zu entziffern versteht, in dem geschrieben, was er anhatte …» Die Rede ist von der symbolischen Sprache der Dinge. Und von der Mode. Mode trifft sich in einem Punkt mit der Kunst, meine Damen und Herren: sie ist symbolische Kommunikation. Über Signale der Aufmachung wird verhandelt, wer dazugehört und wer nicht. Das ist der rituelle und performative Aspekt der Bekleidung, und die Bekleidung ist das Lieblingsobjekt der Mode. Kleidung dient der Symbolisierung der sozialen Zugehörigkeit, gleichzeitig aber auch der Abgrenzung. Jede Mode strebt nach ihrer Verbreitung. Die Distinktion besteht darinnen, ein bisschen früher was anderes zu tragen als die anderen. Eine Mode endet dann, wenn die letzten Nachahmer keine Chance mehr sehen, selbst noch Nachahmer zu finden. Das heisst: Sie schafft sich selbst ab, wenn sie auf dem Höhepunkt angekommen ist. Und dann, irgendwann, immer schneller, kommt sie wieder. In der Wiederkehr aber verschieben sich die Bedeutungen. Es folgen fünf Signale der Garderobe, die noch vor kurzem völlig uncool waren, jetzt aber tadellos durchgehen:

  1. Einen Rucksack auf beiden Schultern zu tragen. In «21 Jump Street» fand Channing Tatum das noch super uncool. Und war selbst ein paar Jahre hinterher. Heute trägt man Turnbeutel. Auf beiden Schultern, selbstverständlich.

  2. Sneakers zuzubinden. Das Coole daran ist, dass man nicht overstyled ist.

  3. Socken. Richtige Socken. Nicht diese Knöcheldinger. Auch zu Shorts.

  4. Den Hosenschritt im Schritt zu tragen. Nicht in den Kniekehlen. So dass man die Unterhose nicht sieht.

  5. Und dann noch was, was niemals das richtige Signal aussendet, jedenfalls für mich: Birkenstocks. Es ist mir egal, ob die mal wieder irgendein Model zwischen zwei Schauen trägt. Danke. Danke für Backobst.

Im Wandel: Channing Tatum klärt seinen Kollegen Jonah Hill modisch auf. (Youtube/Columbia Pictures)

 

Im Bild oben: Der Turnbeutel ist derzeit cooles Gepäckstück. (Reto Oeschger)

«Tinglers Fünf» erscheint immer sonntags im Blog Mag und gleichzeitig in der «SonntagsZeitung».

4 Kommentare zu «Früher nerdish, heute cool»

  • Kristina sagt:

    Vorgestern? Remastered? Dann lieber Tomorrowland. Meine Playlist meint dazu: Listen Again. No Money No Love.

  • armin fellmann sagt:

    Das war für mich der erste anspruchsvolle Artikel von Herrn Tingler.
    Dankeschön

  • Jacques sagt:

    Die Existenzialisten bevorzugten die ‚Farbe‘ schwarz. Uriella weiss. Die Hippies mochten es bunt. In etwa – bis wieder diese ’schwarzen Prinzessinnen‘ einfuhren. Wie hiessen die noch? (Musik: The Cure). Da war wieder Weltschmerz/ bittersüsse Melancholie Trumpf. Moden haben es an sich – ständig zu ändern. Geblieben sind mir nur meine angenehm zu tragenden Flanellhemden à la Neil Young. (=jung.). Die überlebten alle Moden. Von kanad. Holzfällern – bis an der Wall Street N.Y. Zugegeben, nicht sehr elegant – aber praktisch. Frauen nehmen sie auch gerne als Nachthemden. Dann raffiniert …

  • Irene feldmann sagt:

    zum 5. /::Gesundheit muss niemandem gefallen, nur die Wirkung erzielen…..und Gottseidank sind Geschmäcker verschieden.

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