Ist Zürich generell freundlich?

Neulich schlendere ich also so vom Training nach Hause, meine Damen und Herren, und da sehe ich dieses Plakat. Siehe oben. «Was ist das?», denke ich. Nun, es handelt sich um eine Initiative der Stadt und Stadtpolizei Zürich und verschiedener anderer Partner, mit dem Ziel, angesichts des wachsenden Verkehrsaufkommens dafür zu sorgen, dass tolerantes Verhalten und die gegenseitige Rücksichtnahme nicht auf der Strecke bleiben.
Wir sprachen ja an dieser Stelle schon von Ritterlichkeit im Strassenverkehr. Und die Zürcher Kampagne «Generell freundlich im Stadtverkehr» richtet sich an alle Verkehrsteilnehmenden mit dem Ziel, Zürichs Strassen freundlicher und damit auch sicherer zu machen. Bereits kleine Verhaltensänderungen können dabei einen grossen Unterschied bewirken. Dies lese ich im Internet auf der Website der Kampagne. Wo man sich auch Tipps abholen kann.
Zum Beispiel: «Freundlich sein lohnt sich immer, und wer andern gegenüber freundlich ist, wird oft auch selbst freundlicher behandelt.»
Oder: «Versuchen Sie den Stadtverkehr als grosses Miteinander zu sehen – als ein Teamwork und nicht als einen Kampf ‹Alle gegen alle›. Das führt automatisch zu einer besseren Stimmung.»
Ausserdem gibt es einen Test. Sie wissen ja, ich liebe Tests. Der Test umfasst Fragen wie diese:
Sie stehen in einer Kolonne vor der Ampel und es wird grün. Das Fahrzeug vor Ihnen bleibt stehen. Wie reagieren Sie?
- a) Ich warte eine Weile und hupe dann
- b) Ich hupe sofort, wenn es grün wird
- c) Ich warte, bis das Fahrzeug losfährt
Das erinnert mich an die Theorieprüfung zum Führerausweis. Genau wie dort hat man so eine Ahnung, was die schlimmste Antwort ist. Und genau wie dort – und so sehr ich es auch begrüsse und zu schätzen weiss, dass man unter Hintanstellung der in der Limmatstadt sonst üblichen Reservation zur unbedingten Freundlichkeit erzieherisch wirken möchte –, genau wie dort also verspüre ich diese leichte Sympathie mit den Entnervten. Wenn vor einem an der Ampel dieser blassgrüne Subaru mit dem Sticker «Ich bremse auch für Trolle», dessen Lenker oder Lenkerin bis unters Armaturenbrett geschrumpft zu sein scheint, einfach nicht losfährt. Lächeln. Lächeln. Lächeln.
18 Kommentare zu «Ist Zürich generell freundlich?»
Die Kampagne ist schön und gut, aber unglaubwürdig. Die Stadt ihrerseits lächelt mich nur mit Radarkästen an. Das ist nervend und eine konstante Konzentrationsfrage, um nicht geblitzt zu werden. Ohne Lächeln.
Im Kampagnen-Text steht „man“, doch das Bild zeigt eine Frau. Wie wär’s mit „Freundlich kommen Sie in Zürich besser an“. Mit der höflichen Anrede „Sie“ werden alle Personen direkt angesprochen. Das sollte ja auch das Ziel der Kampagne sein. Und warum ist der Ring rot? Rot auf Strassenverkehrstafeln steht für Verbote. Wie wär’s mit einem blauen Ring? Blau steht für was angemessen ist.
für mich stellt sich angesichts dieser kampagne die frage, wieso sollen die rüpelhaften egomanischen zürcher plötzlich hinter dem steuer freundlich sein, wenn es sie sonst nirgends schaffen?
Ich war zwanzig Jahre lang nie in Zürich. Im Vergleich zu damals ist der Verkehr in der Zürcher Innenstadt ruhig, zivilisiert, als Fussgänger kann ich in Sicherheit auf dem Fussgängerstreifen die Strasse überqueren, die Autos halten an.
Vor 20 Jahren noch war das Überqueren von Strassen in der Zürcher Innenstadt lebensgefährlich, selbst für den körperlich fiten, behenden, wachen jungen Mann, der ich damals war.
Mit dieser überflüssigen Kampangne rechtfertigt irgendein unterbeschäftigtes, mit Steuergeldern überdotiertes Beamtentum seine Existenz.
Jürg Brechbühl, Ökologiestudent, Uni Bern
«Versuchen Sie den Stadtverkehr als grosses Miteinander zu sehen – … nicht als einen Kampf ‹Alle gegen alle›. …»
Thomas Hobbes (1588-1679) wäre mit seinem «Krieg aller gegen alle» über den mobil-gesellschaftlichen Entwicklungsstand im 21. Jahrhundert und die öffentliche Mahnung dazu sehr erstaunt gewesen.