Gibt es noch Ritterlichkeit im Strassenverkehr?

Wussten Sie, meine Damen und Herren, dass Flugzeugkabinen kontinuierlich gekühlt werden müssen, selbst wenn auf über 10’000 Meter Flughöhe draussen um die minus 60 Grad Celsius herrschen? Die Kühlung ist erforderlich wegen der Abwärme der Passagiere und der intensiven Sonneneinstrahlung. Die Passagiere geben übrigens nicht nur Wärme ab, sondern auch Feuchtigkeit, was wiederum zur Folge hat, dass in jenen Teilen der Kabine, wo sich tendenziell weniger Menschen aufhalten, namentlich in der First Class, die Luft am trockensten ist, weshalb beispielsweise die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa in der ersten Klasse ihres A380 eine künstliche Luftbefeuchtung eingeführt hat.
Wussten Sie ausserdem, dass der A380 die Antriebskraft von 3500 (in Worten: dreitausendfünfhundert) Autos hat? Und, da wir von Autos sprechen: Gibt es eigentlich eine Etikette für den Strassenverkehr? Also Benimmregeln für den motorisierten Individualverkehr? Denn a priori hat ja der Strassenverkehr im Prinzip die Eigenart, dass seine Regeln und Gesetze strafbewehrt von der Strassenverkehrsordnung festgelegt werden, die sich beispielsweise ausführlich mit der Frage befasst, wer wann wem den Vortritt zu lassen hat (stellen Sie sich vor, das Gleiche gelte für Anstandsregeln, dann müsste etwa der Herr jedes Mal eine Strafe zahlen, wenn er erst nach der Dame das Restaurant beträte).
Doch selbstverständlich existiert daneben – und neben den Verpflichtungen zu Hilfeleistung und Rettung – eine Art Kodex der Ritterlichkeit, der übrigens spezifisch auch mit dem Verhältnis der Geschlechter zu tun hat, denn dieser Normenkatalog rührt aus den Anfangszeiten des Automobils her, als nur Männer fuhren. Noch immer gilt: manierliche männliche Kraftfahrer öffnen die Wagentüre für die Dame, bevor sie ums Auto laufen, um selbst einzusteigen. Dies ist in praxi allerdings nur noch sehr selten zu beobachten, vielleicht auch, weil nicht wenige Damen dies als Ausdruck eines Küss-die-Hand-Sexismus empfinden und sich ihre Tür lieber selbst aufmachen.
Des Weiteren gilt: Wenn Sie als Mann von Welt Ihr Date nach Hause bringen und nicht auf eine Tasse Kaffee hineingebeten werden, verabschieden Sie sich per Wangenkuss im Auto, steigen anschliessend aus, öffnen der Dame die Wagentüre, begleiten sie zur Schwelle ihres Zuhauses, wünschen gute Nacht und warten mit der Weiterfahrt, bis sie die Haustür aufgesperrt hat. Wenn hingegen zwei Paare (hier verstanden als zwei Männer und zwei Frauen) in einem Auto zusammen reisen, sollten die Geschlechter (und die Pärchen) gleich verteilt sein, d. h. auf keinen Fall sollte man die Damen hinten sitzen lassen. Wohlerzogene junge Damen hingegen halten beim Aussteigen aus Automobilen, insbesondere aus Sportwagen, die Knie zusammen. Ich hoffe, das hast du inzwischen gelernt, Britney! Und ältere Damen steigen überhaupt nicht mehr aus Sportwagen.
Natürlich gibt es auch geschlechtsübergreifende Regeln, allen voran die, dass es sich für Beifahrer nicht gehört, ständig am Fahrstil der Person am Steuer herumzumäkeln. Und beispielsweise zu behaupten, Letztere führe wie eine blinde Nonne mit Gehirnerschütterung. Oder ein blinder Musiklehrer. Noch viel weniger gehört es sich für den Beifahrer, egal ob männlich oder weiblich, die Schuhe auszuziehen und die Füsse gegen das Armaturenbrett zu pressen, auch wenn Sally Field das in «Smokey and the Bandit» gemacht hat – aber das waren erstens die Siebzigerjahre und zweitens: Haben Sie jemals wieder was von Sally Field gehört? Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit «Brothers & Sisters»!
Seis drum. All diese zeitlosen Handreichungen zum manierlichen Autofahren scheinen einem anderen Phänomen der zivilisierten Welt offenbar wenig anzuhaben: der gelegentlichen Metamorphose von auch hochkultivierten Menschen in Strolche und Furien, sobald sie ins Auto steigen. Was in der Geschichte des Automobils schon manchen Kulturpessimisten veranlasst hat zu behaupten, man erkenne die wahren Manieren eines Menschen, wenn er (oder sie) hinterm Steuer sitze.
Der Gentleman und die ältere Dame, die aus dem Sportwagen steigt: Bono und Oprah in Chicago. Foto: Daniel Nash, Flickr.com
17 Kommentare zu «Gibt es noch Ritterlichkeit im Strassenverkehr?»
Als Frau sollte man unbedingt vermeiden so „Brust voran“ auszusteigen wie Oprah es im Bild macht. Man will ja dem starken Geschlecht, das die Türe auffällt nicht gleich alles präsentieren müssen.
Für einen sochen Schutz hätte eine Dame von Welt, ein sog. „Sac-à-Mains“. Jane Birkin konnte sich damit immer bestens schützen. Natürlich blieb „unsere Sacré Jane“, in allen Lebenssitationen immer „une Grande Dame“; selbst burschikos … Und ich immer noch Fan von „ex-fan des Sixties“.
In diesen intellektuell anämischen Zeiten, sind dies eben oft die einzigen Argumente, die , nun ja, überzeugen….
Es ist auch unhöflich, die Person auf dem Beifahrersitz, welche die Karte studiert bzw. das Navi einstellt, ständig zur Eile anzutreiben. Natürlich ist diese Person auch nicht schuld daran, dass die Ortungsgenauigkeit zu wünschen übrig lässt oder sich die vom Navi vorgeschlagene Stau-Umfahrung als Irrweg entpuppt.
Meine Gattin bestritt heftig, weiland auf einer Fahrt von Palm Springs nach LA, in topographisches Material vertieft, daß wir, das Meer bereits vor uns, Richtung Westen fahren…….Damals gab es im Mietwagen noch keine Navigationssysteme und Cadillac baute zwar keine guten, aber unverwechselbare Autos. Nachdem die Gattin heuer weder das PCM Navigationsgerät im Porsche noch
das entsprechende Pendant COMAND im Mercedes bedienen möchte und Kartenmaterial per se ihr auch nicht hilfreich war, navigiert der Mann selbst. Alternativlos.
@Doria Gray: Da haben Sie auch wieder recht. Bei den heutigen Strassenverhältnissen – sowieso. Immer nur Baustellen, und die Umfahrungen meist – schlecht ausgeschildert. (Und der Co-Pilot kommt auch ins Schleudern). Aber wer wird sich – eine schöne Ausfahrt, denn dadurch verderben lassen? Sogar rel. abgelegen – findet man interessante Sachen. Sogar zw. Deutschland und Frankreich; oder den Benelux …
Gibt es noch Ritterlichkeit im Strassenverkehr?
Ja die gibt es und ist tagtäglich zu erleben.
Ich bin älter, grauhaarig, seh- und gehbehindert, aber noch ziemlich viel unterwegs. Ich erlebe die Autofahrer zum grössten Teil als sehr rücksichtsvoll und freundlich. Meine Betonung liegt auf Autofaher – autofahrerinnen könnte ich aber nicht rühmen! Es gibt nichts rücksichtloseres als Frauen am Steuer, eines meist grossen Wagens, die sich ihren Weg durch den Verkehr erzwingen. Fussgängerstreifen, anhalten – von wegen – I C H bin im Stress!
Ums Auto herumgehen, um der Dame die Tür zu öffnen? Das hab ich noch nie geschafft. Frauen die so lang sitzenbleiben, bis man ums Auto herumgegangen ist, sind längst ausgestorben, die heutigen Frauen sind bis dahin längst selbst ausgestiegen.
Also, ich in ja „eine ältere Dame“, aber, wieso soll ich nicht mehr in einem Sportwagen fahren.
Sollen, wenn Aeltere, dann nur ältere Männer mit jungen Frauen in Sportwagen fahren?