Mehr Playboys!

Ich habe gerade ein in Seide gebundenes Büchlein in der Hand, meine Damen und Herren, nämlich «Der letzte Playboy – Das Leben des Porfirio Rubirosa» von Andreas Zielcke, (wieder) erschienen im Lagerfeld-Steidl-Druckerei-Verlag (L.S.D.). Porfirio Rubirosa (1909–1965), auch bekannt als «Toujours Prêt» bzw. «Always Ready» bzw. «Immer Bereit», personifizierte die Vorliebe für das leichte Leben, schöne Frauen, schnelle Autos, Sport und Spiel, Party und Vergnügungen und Nervenkitzel: der Archetyp des Playboys. Rubi selbst stellte dazu lapidar fest: «Die meisten Männer wünschen sich nichts sehnlicher, als ein Vermögen zu verdienen, ich will nur ein Vermögen ausgeben.»
«Playboy» ist ein Wort, das man heutzutage nicht mehr oft benutzt, wie «Manager». Dabei kann der Playboy uns was zeigen: den Wert des Spiels. Die besten Eigenschaften des Menschen entfalten sich im Spiel, als Homo ludens, das Spiel ist das, worin Friedrich Schiller das den Menschen Charakterisierende, zu seiner eigensten Würde Erhebende begriff. Die Bedeutung des Spiels (eben: «Play») kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, gerade heutzutage, denn wir leben leider in Zeiten, da das Spiel, die genussvolle Verausgabung, mithin alles, was nicht sinn- und zielgerichtet scheint, wieder in ziemlich sittenstrenger Manier schlecht beleumundet wird.
Eine gesellschaftliche Ordnung sei, befand Max Weber, danach zu bewerten, «welchem menschlichen Typus sie die optimalen Chancen gibt, zum herrschenden zu werden». Wieso ist der Geschäftsmann, zweifellos der herrschende Typ unserer Zeit, heute so wenig gesellschaftlich versiert? So wenig verspielt? Früher, in den schillernden Nachkriegstagen des Kapitalismus, gab es Figuren wie Fiat-Chef Gianni Agnelli, genannt L’Avvocato, der mit seiner fantastischen Frau Marella zum Beispiel vor Capri vor Anker ging und Jackie und Caroline Kennedy bewirtete. Zu den massgeschneiderten Anzügen von Caraceni in Mailand trug Agnelli gerne mal Wanderstiefel oder eine absichtlich schief sitzende Krawatte, um das auszustrahlen, was der Italiener «Sprezzatura» nennt: die Kunst, mit viel Aufwand so zu wirken, als betreibe man gar keinen Aufwand.
Oder Onassis. Das waren Tycoons mit einer Schwäche für das «Ausserwerktägliche», wie Max Weber sagen würde. Die nicht nur als Gesellschaftsikonen Menschen aus allen Sphären anzogen, sondern auch richtige Freundschaften unterhielten. Nach Goethe ist die Freundschaft bekanntlich «heiliger, reiner und geistiger als die Liebe, ein zartes Band der Gemüter durch Harmonie im Grossen und Edlen». Und er (also Goethe) lässt Tasso deklamieren: «Wer nicht die Welt in seinen Freunden sieht, verdient nicht, dass die Welt von ihm erfahre.» Die Freundschaft gereifter Menschen, die sich auf gegenseitiger Wertschätzung des Charakters und der Leistung des anderen gründet, die auch der gegenseitigen kritischen Betrachtung und seelischen Bereicherung dient, gehört zu den wertvollsten Beziehungen, die zwischen Menschen bestehen kann. Das ist zugleich die beste Schulung für Sozialkompetenz sowie für jenes Phantom, was Managertrainer «emotionale Intelligenz» nennen.
Heute aber, nach der sogenannten digitalen Revolution, haben Geschäftsleute, was ihre gesellschaftlichen Qualitäten angeht, einen mindestens so zweifelhaften Ruf wie Steve Jobs oder Jérôme Kerviel. Sofern sie nicht gleich mit der Aura eines weltfremden Zwölfjährigen daherkommen, obschon sie Anfang vierzig sind und irgendein Start-up leiten. Gerade die Entfernung der Geschäftswelt von Leben und Gesellschaft ist der Hauptgrund für die dämliche Hybris und Verachtung, mit der ein Grossteil der veröffentlichten Meinung heutzutage dem Markt begegnet. Deshalb, liebe Geschäftsfrauen und -männer: Lassen Sie sich von wirtschaftsfremden Perspektiven inspirieren und bereichern! Am Ende geht es schliesslich Max Weber zufolge nur darum, dass «jeder seinen Dämon findet und ihm gehorcht, der seines Lebens Fäden hält». Will sagen: Der merkuriale Charakter gehört mitten ins Leben. Man darf nicht Manager sein und menschenscheu. Es sei denn, man arbeitet für die Vatikanbank.
Bild oben: Immer bereit: Porfirio Rubirosa mit Zsa Zsa Gabor. Quelle: Youtube/Zona 5
8 Kommentare zu «Mehr Playboys!»
Es ist schon erstaunlich wie feingeistig Herr Tingler diversen Themen nachgeht, aber sobald es um ‚den Markt‘ geht verkommt er zum Radikalen. In dem Sinn: Selber dämlich.
Was uns wirklich stört, ist nicht, daß es uns schlecht geht, sondern daß es den anderen so viel besser geht. Nicht wahr? Dafür nehmen Ihresgleichen mit Handkuß diesen grauen, faden, präsozialistischen Alltag in Kauf und bekämpfen jeden, der für das einzig funktionierende Wirtschaftsmodell, den Kapitalismus, steht, bis aufs Blut. Vergessen sie niemals : Alle anderen Modelle ohne einen freien Markt haben nur solange die Armut Aller verwaltet, bis sie schließlich zusammengebrochen sind.
Ausserwerktäglich! Werde mir vornehmen Ihren Blog als erstes zu lesen.
Wo passt da Urs Zimmermann ins Bild?
Der Rockstar tötete den Playboy.
Die kürzeste Beschreibung des Lebensinhaltes des Playboys oder eben Rockstars stammt von Dire Straits: „Money for nothing and the chicks for free.“
@AT: Aber der von mir hochgeschätzte Mark Knopfler (und natürlich die Dire Straits) sind auch Schwerarbeiter. Auch wenn es ihnen, anscheindend, leicht von der Hand geht.
Wenn mein Vater eine Mofa-Fabrik gehabt hätte, wäre ich vielleicht auch Playboy geworden.
Aber da war Saint-Tropez auch noch Saint-Tropez. Mit Betonung auf ‚Saint‘, denn es liegt nicht in den Tropen. Tempi passati.
Geschorene Birne, schlecht geschnittene Jeans, weisse Turnschuhe sind das heutige Outfit und sprechen die jungen Damen an. Ein Rubirosa müsste heute, wegen schlechtem oder gar keinem Geschmack in allen Belangen verdursten. Persönlich möchte ich lieber ein Rubirosa sein.