Womit man angeben darf

schoenheitschirurgie

Wir leben im Heimatland von Zwingli, meine Damen und Herren; die schweizerische Kultur des Zusammenlebens verpönt bis heute jegliches Protzertum; es sei denn, es handle sich um die Zurschaustellung von Dezenz, einer ganz besonderen Form des Angebens. Andererseits leben wir ebenfalls in einer globalisierten Welt, und besonders die sozialen Medien befördern den gesellschaftlichen Wettbewerb: Jeder zeigt, was er hat. Das Buhlen um die Anerkennung der virtuellen Crowd (sowie um deren Missgunst, etwa im Phänomen des sogenannten Facebook-Neids) appelliert an den narzisstischen Angeber in uns allen. Wiederum andererseits kennt auch die digitale Etikette einen gewissen Puritanismus: Inzwischen weiss jeder, dass man keine Fotos von sich im Gym oder im Gulfstream postet (es sei denn, man gehört zur Kardashian-Familie). Und damit Sie sich in diesem verwirrenden spätmodernen Dickicht zwischen Diskretion und Dekadenz leidlich zurechtfinden, kommen hier ein paar weitere Hinweise:

  1. Körperliche Vorzüge

    Die Grundregel lautet hier seit jeher: Sei zurückhaltend in der Zurschaustellung von Privilegien, zu denen du nichts beigetragen hast. Dein makelloses griechisches Profil, zum Beispiel. Dazu kommt neu: Sei noch zurückhaltender, wenn du dir besagtes Profil bei einem Schönheitschirurgen gekauft hast.

  2. Kinder und Freunde

    Mit seinem Nachwuchs anzugeben, ist zu recht verpönt. Für das Prahlen mit Bekanntschaften, das sogenannte Name-Dropping, gilt die Grundregel: Streuen Sie nicht unkontrolliert irgendwelche mehr oder weniger bekannten Namen ins Gespräch, sondern nur, wenn diese in Verbindung mit einer unterhaltsamen Anekdote stehen.

  3. Besitz

    Angeben mit Besitztümern geht nur, sofern es sich entweder um etwas Altes oder Einmaliges handelt. Oder beides.

  4. Fertigkeiten

    Es ist wundervoll, dass Sie supi-gesunde und mutmasslich entgiftende moosgrüne Smoothies machen können – aber bitte posten Sie keine Bilder von den Dingern auf Instagram (es sei denn, es handelt sich um ein Smoothie-Desaster). Gleiches gilt für Ihren 3254. Platz beim Berlin-Marathon. Danke.

  5. Ansonsten ...

    ... dürfen Sie mit allem angeben, wofür Sie hart gearbeitet haben, womöglich sogar noch gegen die Widerständigkeit von Schicksal und Konstitution. Zum Beispiel damit, dass der Kaktus auf Ihrem Balkon noch lebt. Oder dass Sie heiraten (bitte nur am Tag der Hochzeit). Oder am Meer herrlich braun geworden sind. Doch denken Sie daran: Es ist stets attraktiver, Angeberei mit Selbstironie zu verbinden.

Bild oben: Diese Niederländerin hat bei einem Reiseveranstalter namens Beautiful Holidays Luxusferien inklusive Brustvergrösserung gebucht. Ein halbes Jahr danach präsentiert sie im gleichen Hotel auf Penang, Malaysia, das Ergebnis der Operation.

«Tinglers Fünf» erscheint immer sonntags im Blog Mag und gleichzeitig in der «SonntagsZeitung».

10 Kommentare zu «Womit man angeben darf»

  • Bernhard Piller sagt:

    Ist doch eine Augenweide und abgesehen davon viel interessanter als der Kaktus auf dem Balkon!

    • Jacques sagt:

      Meine ich auch. Was man hat – das hat man. (egal – wie erworben). Ob im Kopf oder weiter unten. Ein ‚Gentil-Homme‘ geniesst – und schweigt 😉
      p.s.: Ich danke meinen Eltern (nachträglich) für eine relativ gute genetische Konstellation. Bien faits – mes parents. (Wo auch immer).

  • Jacques sagt:

    Zu 3). Gelten genetische Eigenheiten auch dazu? Alt und einmalig sind sie ja. Es stimmt, als Plattfuss lebe ich auf grossem Fusse. Dafür konnte ich als Fussball-Junior schöne Bananen-Flanken ziehen.
    Lange ist das zwar her.

  • Dieter Neth sagt:

    Nummer 1: Die Dame oben sollte sich ihr Geld zurückgeben lassen. Ausser es handelte sich um eine Reduktion der Oberweite.
    Nummer 2: Ich habe etwa 30 Kakteen auf dem Balkon, alle lebend. Einige bleiben dort sogar über den Winter. Krieg ich jetzt ein eigenes Realityprogramm?
    Nummer 3: Das ist etwa das Einzige, worin Zwingli Recht hatte. Angeben, das muss echt nicht sein. Deswegen habe ich auch keine Facebook Seite. Gut, mir fällt auch einfach nichts ein, was ich da jeden Tag posten sollte. Vielleicht Bilder von Kakteen?

  • Patrick Biegel sagt:

    Dann würde ich vorschlagen, dass auch eine Gehirnvergrösserung angeboten wird, aber vermutlich interessiert das ja eh niemanden…

  • Rosche sagt:

    Wenn ich für meinen 3254. Platz beim Berlin-Marathon wie ein Grubenpferd gearbeitet habe, darf ich damit angeben? Am besten hinter ein wenig Selbstironie verstecken?

    • Kurt sagt:

      Wenn Du für Rang 3254 wie ein Grubenpferd arbeiten musstes , würde ich dass gar Niemand sagen . Ich würde mich schämen , für meine schlechte Grundkondition.

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