Die Rindvieh-Partei

Für die Wahlen im Oktober gehen die Umfragen von einem neuerlichen Wahlsieg der SVP aus. Wer ein Sensorium hat für die Stimmung im Land, muss davon ausgehen, dass die Prognosen leider zutreffen werden. Ja, leider. Man muss diese Partei nicht dämonisieren, um dabei leichtes Unbehagen zu empfinden. Dazu muss man nicht einmal die menschenverachtenden Kommentare ihrer Fans berücksichtigen, die diese den lieben langen Tag in sozialen Medien von sich geben. Es reicht, ihrem Chef einmal genauer zuzuhören.
Vergangene Woche beantwortete Toni Brunner der Zeitung «Die Zeit» einige Fragen, die er mit Zahlen zu beantworten hatte. Zum Beispiel: Wie viele politische Entscheidungen haben Sie in Ihrem Leben bereut? Null, antwortet Toni Brunner. Frage: Mit wie vielen Asylbewerbern haben Sie in diesem Jahr gesprochen? Zwei. Frage: Wie viele Flüchtlinge kann die Schweiz pro Jahr aufnehmen? Hundert, antwortete Toni Brunner.
Hundert Flüchtlinge pro Jahr. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Im Politchat des «Tages-Anzeigers» setzte Brunner dann noch einen drauf: Auf die Frage, ob er der Glückskette etwas gespendet habe, antwortete er mit Nein, weil ihm die «organisierte Mitleidmaschinerie» auf den Geist gehe. Man staunt über diesen bestechenden Realitätssinn. Ganz Europa ächzt unter dem Ansturm einer historischen Migrationswelle. Händeringend versucht man, eine humanitäre Katastrophe abzuwenden – von langfristigen Lösungen ganz zu schweigen. Und Toni Brunner, der Chef der grössten Partei der Schweiz, sieht darin nur eine Mitleidmaschinerie. Und unsere Aufnahmekapazität bei 100 pro Jahr.
Sicher, kein europäisches Land kann unbegrenzt und in beliebigem Tempo Flüchtlinge aufnehmen. Aber hundert – wirklich, Toni Brunner?
Besonders weit hat er dabei wohl nicht gedacht. Zum Beispiel daran, was das für die Zukunft der Schweiz in Europa bedeuten würde. Hegt er, wie Ungarns Regierungschef Viktor Orban, den heimlichen Wunsch, die Schweiz mit Stacheldraht zu umziehen und von der Armee beschützen zu lassen? Vielleicht ist der Bauer mit ihm durchgegangen. Vielleicht glaubt er ja tatsächlich, wir Schweizer seien Rindviecher, die man mit Glocken behängen und mit Zäunen beschützen muss. Vielleicht ist es aber auch umgekehrt. Vielleicht sind nicht wir das Rindvieh.
Bild oben: Toni Brunner bei einer Festansprache am 1. August 2015 in Rümlang ZH.
126 Kommentare zu «Die Rindvieh-Partei»
Es gibt eben durchaus verschiedene Strömungen in der Öffentlichkeit. Die von den deutschen Medien diese Wochen verbreiteten Bilder und Berichterstattungen spiegeln ein verzerrtes Bild wider. Und auch in vielen Schweizer Medienhäusern wird das Grundempfinden und die Haltung in der Flüchtlingsfrage nicht viel anders sein. Kann es aber sein, dass die Realität der Menschen „draussen“ hier häufig etwas ausgeblendet wird? Ihr Erstaunen über den anderen Teil der Meinungen erstaunt mich nicht. Hier spricht die SVP doch nur aus, was andere Parteien genauso von sich geben – nur nicht so laut
„Sicher, kein europäisches Land kann unbegrenzt und in beliebigem Tempo Flüchtlinge aufnehmen. Aber hundert – wirklich, Toni Brunner?“ – Leider scheint die europäische Politik sich dennoch für die erste Variante entschieden haben: unbegrenzt und in beliebigem Tempo Flüchtlinge aufnehmen. Obschon jeder weiss, dass das nicht funktionieren kann und Europa über kurz oder etwas weniger kurz ins Desaster führen wird. Leider ist die SVP die einzige Kraft, die dagegen hält, so wie sie die einzige Kraft ist, die uns aus der EU raushalten will (so wie 84 % der Bürger). Es gibt leider keine Alternative..
Was zum Nachdenken: wenn erst so viele Flüchtlinge in Europa angekommen sind, dass die Versorgung zusammenbricht (was unausweichlich ist, nur eine Frage der Zahl/Zeit): man stelle sich vor, was dann hier los ist. Wenn erst die Flüchtlinge nicht mehr einquartiert und ernhährt werden können, wird es auch für die Einheimischen knapp. Man muss kein Genie sein, um das vorherzusehen: es wird ein Verteilkampf zwischen Flüchtlingen und Einheimischen geben. 80 % der Flüchtlinge sind gewaltgewöhnte Männer im Alter zwischen 20 -30… Es geht dann ums nackte Überleben, meine liebe Freunde da draussen.
Ich bin auch fast ein Bauer (Hobby-Kleinbauer und Landarbeiter) und verwahre mich vor der Pauschal-Verunglimpfung aller Bauern als SVP-Sympatisanten!
Ich sehe zwei Grund-Typen von Bauern:
Jene, die als „Kleinherrscher“ einen Kleinkrieg gegen „Schädlinge“ und „Unkraut“ führen und möglichst viel herausholen wollen.
Diese Bauern entsprechen dem Clichéé des typischen SVP-Wählers.
Dann gibt es aber auch die Bauern, die leidenschaftlich mit der Natur und mit den Naturgewalten zusammenarbeiten! Diese Bauern sind „Team-Player“.
Sie jäten und spritzen (Bio-Spritzmittel) zwar auch, aber nicht verbissen.
Am Stammtisch sind humanitäre Traditionen eben kein überzeugendes Thema, und genau diese zahlreiche Wählerschaft bedient T. Brunner, neben einer Reihe von Bauern. Auch Ultrarechte, die sich in anderen Staaten in eigenen Splitterparteien tummeln, finden nicht zuletzt aufgrund solcher Aussagen in der SVP ihre politische Heimat und Bürgerliche sind das sicher nicht!