Was Luxus beim Auto bedeutet

«Luxus» ist immer noch ein wichtiges Positionierungsfeld auf dem Automobilmarkt, meine Damen und Herren, so wie «Öko» oder «Kompakt». Obschon gerne von der «Entemotionalisierung» des Verhältnisses zum Auto die Rede ist – gerade mit Blick auf die junge urbane Kundschaft, die sogenannte multioptionale Mobilitätskonzepte bevorzuge –, gibt es doch immer noch ein Segment, dem die Repräsentationsfunktion des fahrbaren Untersatzes wichtig ist. Möglicherweise sind dies die etwas älteren Semester. Ich selbst zum Beispiel komme aus einer Generation, wo man in der Fahrschule noch gelernt hat, beim Einparken den Kopf zu drehen, weil es so was wie Rückwärtsfahrkameras noch nicht gab. Ganz zu schweigen von Wir-sehen-unser-eigenes-Auto-von-oben-Kameras, die beim Rangieren wahnsinnig hilfreich sind. Über so eine Kamera verfügt beispielsweise die neue S-Klasse von Mercedes.
Die neue S-Klasse unternimmt einiges, um den Aufenthalt an Bord so angenehm wie möglich zu gestalten. Der Innenraum lässt sich beduften. Der Auslieferungsduft heisst Freeside Mood. Aber ist das nun automobiler Luxus? Dies frage ich mich, während ich mich in der S-Klasse hinten rechts, auf dem sogenannten Executive Sitz (wichtigster Platz für Repräsentationsfahrzeuge), mit der Menüführung auf dem vor mir befindlichen Bildschirm herumschlage. «Eine völlig neue Multimedia-Generation mit intuitiver Bedienung und besonderer Erlebbarkeit der Funktionen durch Visualisierung und Animationen debütiert in der S-Klasse.» So weit Mercedes.
Das klingt dufte, aber von intuitiver Bedienung kann keine Rede sein; oder mit meiner Intuition stimmt was nicht. Früher hatte man in der S-Klasse, gipfelnd mit dem panzerartigen W140-Modell der Neunzigerjahre, so ziemlich für jede Funktion einen eigenen Knopf; nun also gilt die Zentral-Menü-Lösung als Standard der automobilen Annehmlichkeit, aber nicht ganz, es gibt auch noch Knöpfe, also irgendwie beides. Doch was wofür? Man kann über den Bildschirm die Bedienungsanleitung in Stichworten abfragen, aber wo ist das passende Stichwort? Und wie bitte kann man das Radio abschalten?
Wir stehen vor dem Gotthard im Stau. Ich schaue «Tammy» per DVD und versuche, ein Hot-Stone-Massageprogramm für meinen Executive Sitz auszuwählen, was dadurch erschwert wird, dass ich nicht sofort realisiere, dass der Ring um den Hauptknopf der Bildschirm-Fernbedienung ein drehbarer ist. Manchmal geht es einem in der neuen S-Klasse wie mit seinem neuen fabelhaften Smartphone: Man hat irgendwie das Gefühl, höchstens die Hälfte der Möglichkeiten zu nutzen. Oder war das in der automobilen Luxusklasse schon immer so?
Ich habe online ein paar Angaben aus dem Ausstattungskatalog der ersten offiziell sogenannten S-Klasse von 1972 gefunden: 4-fach elektrische Fensterheber: 832,50 DM; Kassettenradio: 1409,70 DM; Autotelefon: 9751,35 DM (das war damals über die Hälfte des durchschnittlichen Jahreseinkommens in Westdeutschland). Dies zeigt uns einerseits, dass Luxus natürlich immer epochenbedingt ist; und andererseits, dass Extras seit jeher ihre eigenen Ansprüche stellen, denn die Bedienung eines Autotelefons war 1972 sicher auch kein Kinderspiel. Und nun Schluss. Vielleicht bin ich nur einfach auch schon ein nörgelnder Opa. Meine eigene S-Klasse ist immerhin 35 Jahre alt. Und wenigstens weiss ich da, wie ich das Radio auskriege.
Bild oben: Ein Autotelefon war einmal das ultimative Statussymbol: Prospekt der S-Klasse von 1972. Foto: PD
12 Kommentare zu «Was Luxus beim Auto bedeutet»
Die überbordende Elektronik in den Autos nervt gewaltig. Als Fahrer sitzt man mittlerweile im Airbus-Cockpit und gefühlte 1000 Helferlein überwachen jeden Schritt. Die Hersteller kennen keine Grenzen, die Fahrer zu entmündigen und dies als Fortschritt zu verkaufen. Nichts gegen moderne Technik, doch diese sollte sich primär auf Antrieb und Verbrauch beschränken. Ich will sowenig ein fahrendes I-Pad, wie eine Digital-Uhr. Ich will analoge Anzeigen und Schalter in einem perfekt materialisiert gestalteten Innenraum. So wie eine perfekte Schweizer Uhr aus handgemachtem Kaliber mit Handaufzug.
Ganz ihrer Meinung Hr Schwarz, das müssen die Hersteller noch lernen und dann wird es wieder Fullsize Limousinen mit Kofferraum und Knöpfen geben. Mein 508er bevormundet mich von A bis Z: über Mittag Lüfter und Radio hören ohne Motor nur einige Minuten möglich dann schaltet alles ab und spart Energie. Ohne ASR im Schnee fahren unmöglich ASR kann man zwar abschalten, schaltet sich aber sofort wieder ein. Mit Handbremse im Schnee kehren, unmöglich, die Helfer vereiteln alles. Und was alles über die versteckt eingebaute SIM-Karte übermittelt… Mein nächstes Auto ist ein alter Chevy Caprice ENDE
Ein Luxusauto? Ein Auto ohne alles! Ohne Radio (auch ohne DAB+), ohne Navi, ohne Telefon, ohne Parkierhilfe, ohne Klimaanlage, ohne elektrische Fensterheber, ohne Pneudrucksensoren, ohne Thermometer, ohne Heizung, ohne Knöpfchen für das elektrische Dach, einfach ohne, ohne, ohne – nur mit dem Notwendigen, um sicher von A nach B zu kommen. Du meinst, das gebe es gar nicht. Richtig! Lass dir ein solches Auto in Einzelanfertigung bauen. Das ist Luxus pur! (Ich fahre hie und da mit meinem Spassmobil MG TD Jahrgang 1952. Das kommen solche Gefühle auf.)
Spricht mir ganz aus dem ( automobilistischen ) Herzen. Wir haben uns einen neuen GLA 320 gekauft und finden uns in der Bedienung der vielen bedienungsunfreundlich angebrachten , zahlreichen Knöpfe nach etwa 6 Monaten immer noch nicht zurecht! Einige sind ganz unten an dem Instrumentenbrett angeordnet, so dass man sich zwecks Identifizieren des richtigen Wahlknopfes tief hinunterbeugen muss. Ist das sicheres Fahren? ( Vielleicht bin aber auch ich ein “ nörgelnder Opa „??). Entscheid: ein anderer Wagen muss her. Wer will meinen GLA?
wir sind einiges jünger und haben uns im frühling auch einen gebrauchten GLK 320 gekauft. nach 6 monaten fahrspass wissen wir immer noch nicht genau wo was ist, vor allem aber wenn man es zuwenig braucht, hat man es schon wieder vergessen. das war bei unserem letzten volvo anderst, doch auch beim neuesten xc90 sieht man mehr bildschirm als das steuerrad!!!
Die enge Kiste heisst vielleicht GLA 220 und ist für die Pubertät. Ein weiteres Positionierungsfeld.
Die allgegenwärtige Elektronik in neuen Automodellen nervt mich gewaltig. Dazu kommt, dass man viele Arbeiten am Wagen nicht mehr selbst ausführen kann, bzw. ein Diagnostikgerät braucht, um echte oder vermeintliche „Fehleranzeigen“ wieder wegzubekommen. Ich habe deshalb einen MGB-GT V8 wiedererstehen lassen. Dazu gibt es komplette Rohkarosserien aus neuer Produktion sowie praktisch alle Bestandteile als Neuteile. Kostenpunkt: ca £15,000 (ca. Fr. 20,000). Dazu bezahle ich in Großbritannien keine Motorfahrzeugsteuer, da der Wagen als Klassiker steuerbefreit ist.
es kann nur einen geben. den bugatti veyron. trocknet locker jeden hausfrauenporsche und bänkler-tuning-benz ab und verfügt über interieur, ausstattung und komfort einer reiselimousine. spenden nehme ich gerne entgegen.
Mein Gott Herr Rittermann, was wollen Sie den mit dem Ding. Die Leute schauen einen hier im Süden Deutschlands schon grimmig an, wenn wir mit unserem Cayenne oder unserem CLK 63 Cabriolet um Einfahrt in den fließenden Verkehr bitten. Der Blick erstarrt,nachdem man geschaut hat, wen man „reinlässt“ und wen nicht. Klassenkampf im Straßenverkehr ? Ich fahr‘ über den Sommer immer noch, familienhistorisch bedingt, einen 45 Jahre alten Renault 15 GTL(Vorgänger Fuego).
Man bekommt allseits Zustimmung,ein freundliches Lächeln nachgerade vom vermeintlichen Klassenfeind und stets die Einfahrt angeboten