Ist die Kunst korrupt?

Christie's auctioneer and Global President Jussi Pylkkanen gestures during bidding for Pablo Picasso’s Women of Algiers (Version O), (1955), shown behind him in a poster, which sold for $179.4 million, making it the most expensive artwork sold at auction, during a sale of 20th century art at Christie's Rockefeller Center in New York, Monday, May 11, 2015.  Experts say the once unthinkable prices are driven by artworks’ investment value and by wealthy new and established collectors seeking out the very best works. (AP Photo/Kathy Willens)

Es ist eine alte Debatte, meine Damen und Herren, ob die Kunst nun zur Verbesserung oder Verschönerung der Welt beitragen solle. Oder beides. Taugt Kunst etwas, die man ohne Begleittext nicht versteht? Gilt das Das-kann-ich-auch-Kriterium? Diese Debatte wird nun von Hanno Rauterberg um einen neuen Aspekt erweitert. Rauterberg ist Kunst- und Architekturkritiker und hat sich bereits in der Vergangenheit durch einige klare Worte zur Prätention des zeitgenössischen Kunstbetriebs hevorgetan und dessen gängige Klischees als solche bezeichnet: dass «gute» Kunst keine Kriterien kenne, zum Beispiel, oder dass Kunst immer Neues bieten müsse oder dass alles Kunst sein könne.

In seinem jüngsten, gerade erschienenen Buch «Die Kunst und das gute Leben: Über die Ethik der Ästhetik» konstatiert Rauterberg, dass die Kunst und ihr Betrieb gegenwärtig einen Struktur-, wenn nicht gar Epochenwandel durchlebten. Von den modernen Idealen der Autonomie, Freiheit und Originalität ist kaum etwas übrig. Stattdessen beherrsche, gerade im hochpreisigen und hochetablierten Segment des Kunstmarkts, ein Typus die Szene, der aus der Vormoderne zurückgekehrt scheint: der Auftragskünstler, für vermeintliche Mäzene und Konzerne sich verdingend. Womit Rauterberg dem Inhalt nach im Grunde den Vorwurf wiederholt, den George Grosz vor rund hundert Jahren den kubistischen Malern entgegenhielt: «Was seid ihr anders als klägliche Trabanten der Bourgeoisie?» Aus Kunst werde oft genug blosses Design; die Autonomie der Kunst, eine Errungenschaft der Moderne, sei vorbei, sagt Rauterberg.

Rauterbergs Thesen sind bemerkenswert und besonders interessant, wenn man sie zusammen mit dem ebenfalls kürzlich erschienenen Buch «Wir betreten den Kunstmarkt» der Juristin Monika Roth betrachtet. Es ist ja hinlänglich bekannt und inzwischen auf dem Niveau einer Feuilletonweisheit angekommen, dass der Kunstmarkt ein weitestgehend unreguliertes und intransparentes Phänomen darstellt und deshalb für unlautere Praktiken anfällig ist. Geldwäscherei, Zollfreilagerverschiebungen, Preisabsprachen sind einige der Vorwürfe. Rauterberg spricht im Zusammenhang mit dem Erwerb von Kunst übrigens von einer «Sozialdividende»: Wer Geld für Kunst ausgibt, kann sich nachsagen lassen, er habe etwas für die Bildung und ganz allgemein für die Menschlichkeit getan.

Bloss muss man inzwischen nicht selten so viel Geld für Kunst ausgeben, dass öffentliche Museen gar nicht mehr ankaufen können, sondern auf Leihgaben vermögender Sammler angewiesen sind, die auf diese Weise die Bedingungen diktieren, zu denen Kunst gezeigt werden darf. Diese Verbindung von Kaufkraft und Deutungshoheit auf dem Markt für bildende Kunst wird durch eine Eigenheit begünstigt: Anders als beispielsweise auf dem Buchmarkt braucht man hier nur einen einzigen Abnehmer, der bereit ist, einen bestimmten Preis zu zahlen, um den Rang eines Kunstwerks zu etablieren. Oder, in den Worten von Hanno Rauterberg: «Mag die Kunst auch noch so abstrakt und unverständlich sein, verstanden wird sie dennoch, spätestens sobald ihr Tauschwert festgelegt ist.»

Bild oben: Wohl dem, der hier mitbieten kann: Am 11. Mai 2015 wird bei Christie’s Pablo Picassos «Les femmes d’Alger» versteigert – mit einem Kaufpreis von 179,4 Millionen Dollar das bislang teuerste Gemälde. Foto: Reuters

8 Kommentare zu «Ist die Kunst korrupt?»

  • Jacques sagt:

    „Ist die Kunst korrupt?“ – Einfache Antwort: Ja; Oui; Si!
    (Vielleicht ist die ‚Kunst‘ noch etwas mehr beeinflussbar durch sog. Zeitgeist-Strömungen: immerhin gem. den Werken von Carl Zuckmayer).

  • Henry sagt:

    Diesem ungeheuren Vorwurf kann nur entschieden widersprochen werden. Niemand ist in diesem sogenannten „Kunst-Betriebe“ ist korrumpierbar. Bis auf den Höchstbietenden natürlich hätte keiner eine Chance…..

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