Ist der Männerbauch sexistisch?

Wenn ich ins Training gehe, meine Damen und Herren, komme ich an einem Zürcher Herrenausstatter vorbei, der diesen Namen verdient, denn er stattet Herren aus. Jedenfalls sehen seine Schaufensterpuppen so aus, wie man sich, wenigstens noch bis vor kurzem, einen Herrn vorstellte: in den besten Jahren. Besagte Schaufensterpuppen sind in ihren Gesichtszügen berühmten Schauspielern nachempfunden. Auf dem Bild sehen Sie James Dean. (Oder nicht?) James Dean war nie ein Herr, schon deshalb nicht, weil er dafür zu jung starb. Doch wenn er sein mittleres Lebensalter erreicht hätte, hätte er womöglich, wie seine Schaufensterpuppe, einen Dadbod zur Schau gestellt.
Das Wort Dadbod ist gerade in aller Munde, jedenfalls in der angelsächsischen Welt. Dort wurde es unlängst popularisiert durch den kurzen Essay einer 19-jährigen Studentin namens Mackenzie Pearson unter dem Titel «Why Girls Love the Dad Bod». In diesem Artikel, der inzwischen rund eine halbe Million Mal online geteilt worden ist, definiert Frau Pearson den Dadbod als «gelungene Balance zwischen Training und Pizza». Der Dadbod ist der Körper eines Mannes, der sich körperlich zwar regelmässig übt und ertüchtigt, aber auch gegen ein durchzechtes Wochenende nichts einzuwenden hat. Von Frau Pearson wird das Phänomen wie folgt zusammengefasst: «Es handelt sich nicht um einen dickleibigen Typen, aber auch nicht um einen mit Waschbrettbauch.» Also so ungefähr wie Channing Tatum, nachdem er Vater wurde. Oder Adam Sandler zwischen Filmen (und auch in Filmen). Oder Russell Crowe nach «Gladiator». Oder Paul Rudd, bevor er zum Ant-Man wurde. Oder Chris Pratt in «Parks and Recreation», vor «Jurassic World».
Frau Pearsons Hymne an den Dadbod inspirierte Tausende von Tweets und einen Instagram-Account unter dem Titel «CollegeDadBods», der über 18’000 Follower hat. Dann folgte ein Beitrag im Nachrichtenmagazin «Time». Der artikulierte, was auch an anderen Stellen schon zu lesen war: Der Dadbod sei eine «sexistische Entsetzlichkeit». So würde nämlich die Ungleichheit von Körpernormen für Männer und Frauen zementiert. Als Begründung führte der Autor, ein Herr namens Brian Moylan, die Argumente von Mackenzie Pearson dafür an, warum der Dadbod von Frauen geschätzt würde: weil nämlich ein Typ mit Dadbod seine Partnerin nicht verunsichere, so schrieb Frau Pearson, sondern ihr die beruhigende Gewissheit gebe, neben ihm immer schlank und grazil auszusehen. Und das sei es, was Frauen wollten.
Nun spricht zwar aus diesen Argumenten in der Tat ein nicht sehr emanzipiertes Selbst- und Körperverständnis ihrer Verfasserin. Aber deshalb das Konzept des Dadbod als frauenfeindlich zu stigmatisieren, ist eine sophistische Volte, wie sie nur eine leicht entgleiste Aufschreikultur hervorbringen kann. Beim Dadbod geht es zunächst überhaupt nicht um Frauenkörper. Es geht um Männerkörper. Wenn in der Argumentation von Mackenzie Pearson irgendjemand als Objekt behandelt wird, dann der Mann. Man stelle sich vor, ein Mann hätte das geschrieben. Hätte geschrieben, er würde Frauen mit Bauch vorziehen, weil ihm das für sein Selbstwertgefühl förderlich sei. Was wäre die Folge? Na klar: Aufschrei.
Vielleicht sollten wir mal kurz innehalten und auf die Tatsachen blicken: Leute sehen verschieden aus. Menschen sind unterschiedlich gebaut. Das hat mit Mutter Natur zu tun. Ich will Ihnen mal was sagen über Mutter Natur, verehrte Leserschaft: Mutter Natur ist eine selbstgenügsame, zutiefst ungerührte, bisweilen grausame Dame. Sie ist nicht milde, nicht vergebend. Es gibt eine männliche und eine weibliche Fettverteilung, die sich besonders ab dem mittleren Lebensalter, wenn der Stoffwechsel langsamer wird, bemerkbar macht. Kann man in jedem Textbuch nachlesen. Und im Leben beobachten. Bei Männern sammeln sich die Polster eher am Rumpf, das gibt dann unter Umständen einen Bauch, und dieser Bauch kann unter Umständen gut (oder jedenfalls: nicht schlecht) aussehen, je nachdem, welchen Körperbau sein Träger aufweist.
Denn für unser Auge ist Schönheit beziehungsweise Attraktivität zunächst auch eine Frage der Proportion. Das ist kulturübergreifend gültig. Schönheit ist durchaus objektivierbar. Bei einem bestimmten Typ Mann, nämlich dem breitschultrigen, mit kräftigen Armen (und Beinen!), kann sich ein Bauch in die Proportion fügen. Das ist alles. Das gilt also beileibe nicht für jeden Mann. So wie manchen Männern ein Bart steht und anderen nicht, können manche Männer Bauch tragen und andere nicht. Das ist vielleicht nicht fair, aber wahr. Es ist ausserdem eine relativ schlichte Wahrheit, die man erstickt, wenn man sie mit irgendwelchen Positionen zum Geschlechterverhältnis zuschaufelt.
14 Kommentare zu «Ist der Männerbauch sexistisch?»
Allen Feministinnen sei hier gesagt, dass es bis jetzt nur „Plus-Size“ Frauen-Models gibt, und keine Plus-Size-Männer (selber jedenfalls noch nie gesehen). Überhaupt kein Grund also, sich hier wegen dem „Dadbod“ irgendwie diskriminiert zu fühlen.
Die Emanzipation der Frauen hat endlich einen Höhenflug angetreten: Frau bewertet nun den Bauch, nachdem Mann jahrelang die Brüste ins Zentrum stellte. Ein Schritt in Richtung Gerechtigkeit. Auch Dominas sind gegenüber Machos im Vormarsch. Und Transvestiten mit Bart.
Aus dem gleichen merkwürdigen Grund mögen viele Frauen aller sexuellen Ausrichtungen auch Männer mit dünnem Haar bis hin zur Glatze ganz besonders, weil sie ihnen, dank reichlich Östrogen von der sogenannten androgenetischen Alopezie weitgehend verschont, ein wunderbares körperliches Überlegenheitsgefühl verschaffen.
Bei dem, was sich hier so Pool tummelt, ist jeder Euphemismus unangebracht. Das Waldorf Astoria auf der Palme lädt wohl derzeit eher zum whale wachting. Es ist ganz erstaunlich, in welchen Größen Bademoden produziert werden, da hätte ich sicher jede Wette verloren. Gegenüber körperlichen Imperfektionen war der Herr Doktor übrigens auch schon weniger nachsichtig……