Mietwagenprobleme

Als wir das letzte Mal in Kalifornien mit dem Mietwagen unterwegs waren, wurde Richie, der beste Ehemann von allen, fast wahnsinnig. Dieser Wagen, ein Cadillac CTS, verfügte nämlich über einen Fahrersitz mit Memory-Schaltung, was theoretisch heisst, dass der Fahrer zum Beispiel wegen eines mittelschweren Vergehens eine mehrjährige Haftstrafe verbüssen oder sonst wie ein paar Jahre von der Bildfläche verschwinden kann, nach dieser längeren Abwesenheit zurückkehrt und, schwupp, genau dieselben Sitzeinstellungen vorfindet. Im Prinzip mag dies schön oder wünschenswert scheinen, aber den besten Ehemann von allen machte es fast wahnsinnig, weil man nach seinen Angaben ein Diplom in Raketenwissenschaften brauchte, um dieses Memory-Programm zu ändern. Was nichts anderes bedeutete, als dass Richie jedes Mal nach dem Einsteigen den Sitz manuell anpasste und dieser dann, schwupp, auf die Einstellungen des Vor- oder Vor-Vor-Vormieters zurückschoss, und jener hatte offenbar die Proportionen des unglaublichen Hulk.
Dieses Beispiel zeigt uns, dass das Mietwagenproblem heute, wie manch anderes Problem, viel komplexer geworden ist als früher. Früher war ja das traditionelle Mietwagenproblem, dass der eigentlich reservierte Wagentyp dann plötzlich vor Ort doch nicht verfügbar war, und diese Komplikation existiert auch heute noch, wurde aber infolge der Übertechnisierung unserer herrlich beschleunigten Gegenwart um weitere Schwierigkeiten vermehrt, welche die Reise im Mietwagen bisweilen zu einem Abenteuer werden lassen, nach dessen Bewältigung man sich fürs Reality-Fernsehen qualifiziert hat.
Zum Beispiel Regensensoren, bei denen die Scheibenwischer automatisch aktiviert werden sollen, sobald die Feuchtigkeit der Windschutzscheibe eine gewisse kritische Grenze übersteigt. Die sind inzwischen weitverbreitet und funktionieren in der Regel zufriedenstellend – bis sie dann plötzlich damit aufhören und dann beispielsweise aus dem Nichts heraus die Scheibenwischer auslösen, in einer sternenklaren Nacht, und den Versuch, das Programm manuell abzubrechen, quittiert die Bordelektronik mit herzzerreissenden Quiek- und Pieptönen, die dem Fahrer zu sagen scheinen: «Ich will doch nur dein Bestes!» Überhaupt kommuniziert das moderne Fahrzeug andauernd und zu viel mit seinen Insassen: Es piept und quiekt, wenn man den Gurt nicht sofort anlegt, wenn man die Tür nicht schnell genug zuzieht oder beim Rückwärtseinparken einen Senioren mit Gehhilfe zu überfahren droht. Give us a break! Das ist entmündigend.
Und wenn es nicht quiekt und piept, hören wir die altkluge Stimme des Navigationssystems, die sich ungefähr anhört wie die Schuldirektorin aus «Grease». Kein Wunder, dass immer mehr Menschen allein schon wegen der Stimme auf die Navigation verzichten. Das Wege-Erfragen in fremden Gegenden gehört ja auch zum Reisen im Auto (ebenso wie das Sichverfahren). Und was sonst kann man tun? Nicht viel. Man kann sich auf seinen 35 Jahre alten Mercedes SL zu Hause in der Garage freuen, der drei Knöpfe auf dem Armaturenbrett hat (bei denen ich bloss von zweien weiss, was sie bedeuten), und ansonsten stoisch dem Fortschritt ins Auge blicken, was für selbstverspottende Formen der auch immer annehmen mag, zum Beispiel in Gestalt von selbstparkenden Autos oder Fahrersitzen mit integrierter Massagefunktion, von denen man schreckliche Sachen hört. Die mieten wir dann nächstes Jahr.
Bild oben: Noch grinst der Herr, als er den gemieteten feuerroten Mustang besteigt. Foto: David Goehring (Flickr)
6 Kommentare zu «Mietwagenprobleme»
Wunderbarer Artikel. All diese kleinen Helferlein nerven schlussendlich mehr als dass sie nützen. Vor allem wenn mal eines davon seinen Geist aufgibt und das ganze System lahmlegt. Von den Kosten ganz zu schweigen. Das schönste am A u t o fahren ist die A u t o nomie. Ich hoffe der eine oder andere Autobauer wagt es, sich dieser unsinnigen Entwicklung entgegenzusetzen.
schon so. der fortschritt ist auf die bequemlichkeit der menschen ausgelegt. die ganzen elektronischen helferlein entmündigen den fahrer. die meisten wollen das so. gut. abs und esp machen sinn. lenkrad-heizung ist für weicheier. und massieren lasse ich mich lieber professionell. hingegen. die einparkhilfe. ungeliebt bei spenglern und garagisten. weil sie wurde für frauen erfunden. so gibts am heck keine dellen mehr. aber keine angst. mutti kann mit dem suv immer noch genügend schaden anrichten; die lange haube und die 21-zöller nehmen zumindest keine rücksicht auf bordsteinkanten.
Da haben Sie allerdings Recht. Gibt es eigentlich in den USA keine Mietwagen mehr ohne all diesen Schnickschnack? Ich glaube mich dunkel daran zu erinnern, dass meine weder ein Navi hatten noch eine automatische Sitzeinstellung. Das waren allerdings auch keine Cadillacs, sondern die jeweils günstigste Karre, welche man auch mal von der Teerstrasse runterfährt, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Und wer beim Fahren ein Navi braucht sollte an einen Chauffeur denken, aber seit dem Zwischenfall mit diesem Busfahrer aus Belgien begann ich ernsthaft, an der Menschheit zu zweifeln.
Ich finde es noch praktisch: Immer wenn ich meine Handtasche auf den Beifahrer Sitz lege und es piepst (…..Erinnerung sich anzugurten), dann weiss ich, dass ich meine Handtasche wieder mal ausmüllen müsste….. 🙂
Tolle Sache
Hahaha ja sehr gut, die moderne Technik in den Autos treibt ja so manchen Zeitgenossen zum Wahnsinn (mich inbegriffen).