Überleben im Stau

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Die Osterreisezeit steht vor der Tür, meine Damen und Herren, und damit: der Stau. Eine der schlimmsten Kehrseiten des automobilen Massenverkehrs. Stehendes Blech. Zur Schonung Ihrer Nerven finden Sie hier ein paar Hinweise und Handreichungen für das Überleben in der Blechschlange:

  1. Falls Sie Kinder auf dem Rücksitz haben, die in Zwei-Minuten-Abständen fragen: «Sind wir schon da?», geben Sie ihnen sämtliche Ansichtskarten, die Sie zu schreiben vertrödelt haben, mit dem Auftrag, dieselben mit einem einfachen Standardtext und den entsprechenden Anschriften aus Ihrem Adressbuch zu versehen. Das Training im Postkartenschreiben wirkt sozialisierend, hilft dem Nachwuchs bei der persönlichen Entwicklung und ist insofern ein Beitrag zur Suchtmittelprophylaxe. Falls die Kleinen noch nicht schreiben können, pfeifen Sie auf die Suchtmittelprophylaxe und geben ihnen Ritalin.

  2. Verzichten Sie auf das Einschlagen von vermeintlichen Um- und Schleichwegen in Gegenden, in denen Sie sich nicht auskennen. So was führt nur zu unnötigen Auseinandersetzungen mit Ihrem Beifahrer und möglicherweise zu Kontakten mit Einheimischen, die enden wie in «Deliverance».

  3. Falls sich Ihre bessere Hälfte auf dem Beifahrersitz befindet, nutzen Sie die drei Stunden vor dem Gotthardtunnel, um lange schwelende Konfliktthemen in Ihrer Partnerschaft anzusprechen. Auf engem Raum unter äusserem Stress ist der Druck zur sozialen Kohäsion grösser. Auf Deutsch: Sie können endlich den Grossbildfernseher durchsetzen, weil Ihr Partner keine Nerven mehr hat.

  4. Verkehrsstockungen auf populären Ferienrouten sind die Gelegenheit, als Weltbürger zusammenzurücken und nationale Vorurteile zu überwinden. Statt über die Niederländer die Nase zu rümpfen, die am Strassenrand campieren, setzen Sie sich zu ihnen und spielen eine Partie Käsekästchen. Oder bitten Sie den herrlich braungebrannten Italiener, der vor Ihnen steht, mal eben seinen Maserati anschauen zu dürfen, weil Sie vielleicht auch einen kaufen möchten.

  5. Verzichten Sie auf übertriebenen Austausch von Zärtlichkeiten im Auto, selbst wenn Sie frisch verliebt sind. Denken Sie daran, dass Sie die Verkehrsverflüssigung nicht mitkriegen, wenn die Scheiben beschlagen sind.

Bild oben: Michael Douglas steht in «Falling Down» (1993) im Stau, wo er – nicht nur deswegen – die Nerven verliert.

«Tinglers Fünf» erscheint neu immer sonntags im Blog Mag und gleichzeitig auch in der «SonntagsZeitung».

9 Kommentare zu «Überleben im Stau»

  • Mauro Longo sagt:

    6. Verzichten Sie auf den Stau und gehen Sie nicht hin.Punkte 1-5 werden damit hinfällig und ein Stück Lebensqualität mit der Familie wird garantiert.
    Schönen Sonntag

  • JUTZI sagt:

    Falling Down … ja ja so wirds in der CH kommen …

  • bossert sagt:

    Interessanter Beitrag. Gerade heute morgen habe ich in meiner Zeitung lesen dürfen, wie sehr doch der Generationenvertrag heut zu Tage strapaziert werde! Da haben wir doch als junge Werktätige AHV und so weiter einbezahlt für unser Alten welche nie einbezahlt haben und wir hatten kein Geld um auch nur einen Ausflug an Ostern zu machen! Heute aber theoretisiert man was im Wohlstandsstau gen Süden nun besser sei, die Liebste küssen oder den Ferraris nachschauen! Ja so ist das mit dem Generationenvertrag…….

  • Chris Fogg sagt:

    In der Schweiz gibt es gar nie richtigen Stau. Geht mal nach Moskau oder andere 12 Millionen Städte. Da hat es vom Morgen bis am Abend im Normalverkehr die grössten Staus. Unter 2 Stunden kommt man auch die kleinste Distanz nicht vorwärts. Das man auf dem Heimweg 4 Stunden hat ist auch normal.

  • Sylvia Forgo sagt:

    Einfach herrlich geschrieben….. musste laut lachen!

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