Ein Tag im Leben von

Ich sitze in der Küche an einem Tisch aus rohem Holz, meine Damen und Herren, und bastle einen Muppet aus einer Chayote-Frucht. Danach rechne ich mein Wirtschaftsbuch zusammen: «Brot 15, Speck 3, Käse 10, ja – ’s geht auf.» Und dabei brennt die Lampe mit dem grauen Blechschirm, und der Regen tröpfelt, und das arme Kinderherz sehnt sich nach einem Lichtblick des Lebens, nach Lachen und Liebe. Speaking of Liebe: Herein sprengt Richie, der beste Ehemann von allen und Licht meines Lebens; Richie, der für mich da ist, zum Beispiel wenn ich das Gefühl habe, dass diese eine Nudie Jeans an mir aussieht wie an Mitt Romney oder meine Frisur an den Bürgermeister einer mexikanischen Kleinstadt erinnert. Oder wenn ich in irgendeiner überfüllten Flughafen-Lounge versehentlich aus einem fremden, verlassenen Glas getrunken habe. Oder mir beim Sprechen ein Insekt in den Mund fliegt. In Indonesien. Sie wissen, was ich meine: The best defenses against the terrors of existence are the homely comforts of love, work, and family life. Hat Margo Channing gesagt. Oder war das Karl Lagerfeld? Nope, wohl kaum.
«Rate, was passiert ist!», sagt Richie. «Was», erwidere ich, «hat der Selecta-Automat endlich den kanadischen Dollar geschluckt?» «Die Pflanze hat Blattläuse», erklärt Rich, «ich musste Gift kaufen!» «Diese schreckliche, nie blühende Pflanze», seufze ich, «dieses Gewächs ist kostspieliger und kränker als Tina Onassis!» «Manno», mault Rich, «sie blüht nicht, weil es immer regnet!» «Und es regnet, weil der Himmel diese Pflanze hasst!», erwidere ich. «Sie ist obendrein auch hässlicher als Tina Onassis!»
Später liege ich vor dem Fernseher und esse mein neues Lieblingsbrot aus dem Globus, das «Alter Fritz» heisst, wahrscheinlich, weil es an die deutsche Kundschaft appellieren soll, denn es ist ein Sauerteigbrot. Schmeckt hervorragend mit Nutella. Und das mit dem Appellieren klappt offenbar ebenfalls, der Alte Fritz ist nämlich gar nicht so leicht zu kriegen, weil oft ausverkauft, und das bei einem Preis von über 14 Franken pro Brot, bei dem doch der regelmässig sehr preisbewussten deutschen Kundschaft eigentlich die Haare zu Berge stehen sollten. Vielleicht kauft das ja auch jemand anders. Zum Beispiel Tina Turner. Die habe ich jedenfalls mal getroffen, am Brotstand des Globus – aber das ist eine andere Geschichte.
Ich liege also vor dem Fernseher und esse und wackle mit den Zehen und verfolge einen preisgekrönten chinesischen Monumentalfilm: das Leben eines Puppenspielers, stellvertretend für die ganze chinesische Nation; Zwangsrekrutierung, Bürgerkrieg, Gefangenschaft, Kulturrevolution … «Richie!», schreie ich und stelle den Ton ab. «What?», macht der beste Ehemann von allen. «Mir fällt ein», sage ich, «Donnerstag kommt der Heizungsmonteur. Zwischen 8.30 und 9.05! Warum schläft er nicht gleich hier? Sicher erscheint er auch noch zu früh, wie alle Handwerker. Wieso verwenden Heizungsmonteure diese Securitate-Methoden?» «Vielleicht sieht er gut aus», erwägt Rich. «Aber», gebe ich zu bedenken, «ich werde nicht gut aussehen zwischen 8.30 und 9.05! Da pflege ich nämlich normalerweise zu schlafen.»
Noch später fülle ich neues Glanzmittel in die Spülmaschine, wobei die Mülleimertür aufspringt und mir gegen den Kopf schlägt, da ruft Oliver an und fragt: «Wie gehts?» «Entsetzlich!», antworte ich, noch etwas benommen, «zum dritten Mal haben orientierungslose Jugendliche unseren Mercedes-Stern abgerissen! Wo ist eigentlich die Polizei, wenn die Fundamente unserer Gesellschaft bedroht sind?» «Dafür», sagt Oliver, «darf man jetzt mit Parkscheibe bloss noch eine Stunde lang parkieren.» «Das ist Schikane!», rufe ich. «Und woher soll man das wissen? Da müssten doch Lautsprecherwagen eingesetzt werden!»
«Weiterhin», fährt Oliver fort, «finde ich, dass die Papierabfuhr – – »
«Du liebe Zeit», unterbreche ich, «was für ein Leben führen wir, Oliver? Werden wir immer noch oberflächliches Zeug reden, wenn wir sechzig sind? Wir müssen uns unbedingt verändern!»
«Mittagessen?», fragt Oliver.
«Ja!», rufe ich. «Los! Joan Collins wurde im Jelmoli-Restaurant gesichtet! Ich muss nur noch schnell am Brotstand im Globus anrufen. Die Brotverkäuferin hat mir eine Visitenkarte gegeben.»
Donnerstag: Der Heizungsmonteur kommt um 7.30 und sieht aus wie eine kräftigere Version von Alice Cooper. Bis übermorn.
5 Kommentare zu «Ein Tag im Leben von»
Von wegen Heizungsmonteuren sowie auch zB Globus-Möbel-Lieferanten oder Gärtnern kann ich folgendes sagen: „die sehen NIE aus wie jene aus „Desperate Housewifes“ oder aus den Katalogen oder Werbungen! Zwar bei Gärtnern hatten meine Sehnerven auch schon mal Glück… PS: Nimmt mich ja wunder, ob der Werbemann für Coop-Heimlieferungen wirklich auch so gut aussieht wie auf den Plakaten…
coole freitagslektüre. danke, herr doktor.
Here comes the doctor in charge
Oh oh oh
She’s got some wild, wild life
Ain’t that the way you like it?
Oh oh
Living wild, wild life
Talking Heads – Wild Wild Life
Übrigens schlafe ich auch meistens bis mindestens 09:30, früher sehe ich nicht nur nicht gut aus, sondern habe so schlechte Laune, dass ohnehin niemand in meine Nähe kommen will. Besser für mich ist Aufstehen gegen elf, da ich zuerst 2 grosse starke Kaffee brauche hilft dies, vormittags nicht zu trinken.
Den „Alten Fritz“ gibts bei Börner in Winti-Seen 4x günstiger, dafür 4x besser. Ehrlich. Ausprobieren. Ich geniesse beides, Tingler und gutes Brot.
Wenn der Heizungsmonteur in einem Ferrari vorfuhr, war es vielleicht auch Iggy Pop. Der arbeitet zwar normalerweise eher als Zimmermann (Carpenter). Aber jeder hat doch heute seinen Zweitjob …