Statussymbol des domestizierten Mannes

Vielleicht haben Sie es selbst schon erlebt, bei Ihrer letzten Einladung zu Freunden, dem Feierabendbier mit Arbeitskollegen. Vielleicht sind Sie selbst einer – oder Ihr Mann: ein Kaffeemaschinenfetischist. Der Begriff mag etwas stark erscheinen, doch das Phänomen ist unverkennbar: Streift eine gesellige Runde das Thema Kaffeemaschinen, trumpft das männliche Geschlecht mit einem Expertenwissen unbekannter Herkunft auf. Man wirft mit Markennamen um sich – Pavoni, ECM, Olympia – und verästelt sich von da aus in die technischen Einzelheiten professioneller Kaffeezubereitung: von der Handhabung des Kolbens – denn natürlich sprechen wir hier von Kolbenmaschinen – über die Justierung des Geräts, fachsimpelt darüber, mit wie viel Bar Druck der Wasserdampf durch das Pulver gejagt werden muss, und landet schliesslich bei der Diskussion, welcher Kaffee-Guru den lohnendsten Kurs für den am hübschesten verzierten Cappuccino anbietet. Eine Kaffeemaschine ist für den modernen Mann weit mehr als ein einfaches Haushaltsgerät. Als hoch komplizierte Riesenmaschine im Wert eines Kleinwagens ist sie der neue Sportwagen – das Statussymbol des domestizierten Mannes.
Um allfällige Missverständnisse aus dem Weg zu räumen: Ich zähle mich zur Spezies der Kaffeefetischisten, seit ich bei den Kaffeekränzchen meiner Mutter vom Gebräu aus den selber getöpferten Tässchen nippen durfte. Ich kann die Qualität von Espresso in allen Schattierungen unterscheiden und würde für einen guten Espresso meilenweit gehen. Trotzdem kann ich mich diesen Diskussionen um die richtige Maschine nicht anschliessen, denn ich habe den starken Verdacht, dass es da eigentlich um etwas ganz anderes geht.
So wie Männer sich zur Blütezeit der Schallplatte stundenlang über Bands, Frisuren und Styles dünner, weisser Männer unterhalten konnten, hat der Mann von Welt im mittleren Lebensalter seinen Hang zum Nerdtum in die Wissenschaft um den Espresso sublimiert – ein Geschäft, das in seinem Reichtum an Facetten der Musikdiskussion in nichts nachsteht. Die Zubereitung eines tadellosen Espresso erschöpft sich nicht in der Wahl der richtigen Kaffeemaschine, auch die richtige Kaffeemühle gehört dazu, die auf den richtigen Grad an Mahlstärke eingestellt werden muss, bevor man sich der Bohnenmischung und der Röstung zuwendet, wobei das Pulver mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl im Kolben festgepresst werden muss – ein kritischer Punkt, bevor der heisse Wasserdampf durchgejagt wird und der Espresso tröpfchenweise seinen Weg in die umsichtig vorgewärmte, dickwandige Espressotasse findet. Mit Vorliebe wird der Prozess dann an der meist neu erstandenen eigenen Maschine demonstriert, worauf der Mann die Tasse zur Lippe hebt, vorsichtig nippt, die Stirn runzelt, ein bisschen schmatzt, um auch das letzte Molekül des spezifischen Aromas herauszuschmecken, und sich Beifall heischend in der Runde umsieht, die hoffentlich beifällig nickt. Dass der Fluchtpunkt dieser Diskussionen mit dem anschliessenden Ritual darin liegt, wer den besten macht oder eben den längsten hat, versteht sich von selbst.
Bestimmt gibt es eine tiefenpsychologische Erklärung dafür. So soll ja der Hang zum Fetisch zumindest in sexuellen Belangen eine Fehlstellung des Identitätsgefühls überbrücken, heisst es. Auf die Kaffeemaschine übertragen, könnte man diese als Übergangsobjekt einer sich tendenziell in Bedrängnis fühlenden Männlichkeit interpretieren, die hier ihre Objektbeziehungsfantasie noch ungehemmt ausleben darf. Vielleicht ist es aber auch ungleich prosaischer, nämlich so, wie es mir ein befreundeter Kaffeemaschinenfetischist erklärt hat: Die Kaffeemaschine ist schlicht eine Art Dampfmaschine, die mit ihrem Zischen und Dampfen das Kind im Manne anspricht.
Wie auch immer sich dieser neue Wahn erklären lässt – es kann mir eigentlich egal sein. Hauptsache, er kümmert sich darum und serviert mir den besten Espresso, wann immer es mich danach gelüstet.
79 Kommentare zu «Statussymbol des domestizierten Mannes»
Ist schon peinlich wie viele der schreibenden Männer MB anfeinden, anstatt sich zu amüsieren und (etwa über sich selber?) zu lachen.
Selbst ihr Bildchen muss für einen plumpen Kommentar herhalten …
Und ja, auch ich schaue im Restaurant, bevor ich einen Espresso bestelle, ob der auch aus einer RICHTIGEN Maschine kommt aber auch so lasse ich gelegentlich den Kaffee stehen wenn er mir nicht schmeckt.
Und zu meiner Schande muss ich noch gestehen, zu Hause trinke ich den Ristretto von Nespresso. Ist immer noch besser als manche Espressi aus teuren Kolbenmaschinen und jedem Vollautomaten sowieso.
Schon klar: Was immer Mann auch tut, woran auch immer er Freude hat, es muss von Feministinnen sogleich als lächerlich gebrandmarkt werden. Dass Sie, Frau Binswanger auch nicht davor zurückschrecken, Männer mit wilden Tieren („domestizieren“) gleichzusetzen spricht Bände und passt ins Bild. Mich wiedert diese menschenverachtende, weibliche Selbstgefälligkeit und Selbstüberhöhung nur noch an.
1. @Hugo.Gut auf den Punkt gebracht. Diese Selbstgefälligkeit und Selbstüberschätzung (Hybris) kann vor allem dadurch entstehen, dass Kritik an Frauen als patriarchal/rückständig in den Medien geahndet oder gar nicht veröffentlicht wird. Es gibt deshalb praktisch keine Kritik mehr an Frauen, weshalb diese denken sie seien perfekt. Umgekehrt wird der Mann in den Medien/Werbung nur noch als Trottel dargestellt. Über Männer darf man sich noch ungehemmt lustig machen und dies ist heute sogar modern. Der Mann wird a priori als triebgesteuert/dumm dargestellt, den es zu domestizieren gilt.
2. @Hug: Wohin eine Gesellschaft steuert, wenn sie alles Männliche abwertet werden wir bald sehen/spüren können. Denn auch das Weibliche hat seine Einseitigkeiten (und ist nicht in sich perfekt) und ist deshalb auf den männlichen Ausgleich angewiesen (ausser man glaubt an die pseudowissenschaftlichen & tendenziösen/feministischen Genderstudies).Ebenso wie das Männliche auf den weiblichen Ausgleich angewiesen ist.
3 @Hugo. Gleichzeitig darf man die Frauen nur noch als kompetent in der Werbung darstellen und der Mann ist eine Art kindisches Accessoir von ihr. Dass dies eine Wirkungauf die Psyche von beiderlei Geschlecht hat, ist in der Psychologie beteits hinglänglich bekannt als „stereotype threat“ und wird von Feministinnen gezielt eingesetzt. Resultat: Frauen denken sie seien Übermenschen. Männer sind verunsichert.
Netter Artikel, aber leider zu kurz gegriffen. Gleichzeitig zum Espresso steigt auch der Trend zum Brühkaffee, was weniger mit männlichem Dampfmaschinen-Spieltrieb zu tun hat als mit der Verfügbarkeit von hochwertigen Bohnen.
Letztendlich einfach ein weiterer Teilaspekt der Slowfood-Welle, die läuft aber schon über 20 Jahre…
Er hat Freude an seiner Maschine. Sie hat Freude am tollen Espresso.
What else?
Beide sind glücklich. So soll das Leben sein.