Fünf Buchstaben

Also, ich finde das ja nicht schlecht, meine Damen und Herren. Was Zara da mit den Bally-Kugeln an der Bahnhofstrasse gemacht hat, meine ich. Die Übernahme des ehemaligen Bally-Hauses, auch Capitol genannt, an Zürichs berühmtester Strasse durch die spanische Billigtextilkette galt vielen Kritikern als weiteres Zeichen der High-Street-Werdung des letzten Drittels der Bahnhofstrasse – und nicht zu Unrecht. Aber die Vorschrift des Denkmalschutzes, die am Gebäude angebrachten Kugeln, die einst den Bally-Schriftzug trugen, müssten erhalten bleiben, hat Zara elegant umgesetzt: mittels Ersatz der Bally-Buchstaben durch LED-Lämpchen, die nun wechselnde Wörter anzeigen können. In der Presse stand zu lesen, die Denkmalpflege und das Amt für Kultur hätten die anzuzeigenden Wörter ausgesucht und darauf geachtet, dass man keine politischen und sexistischen Begriffe verwendet. Ebenfalls dürften die Leuchtbuchstaben nicht für Werbezwecke verwendet werden. So wird nun jeden Tag ein anderes Wort angezeigt. Quasi eine Tageslosung. Das ist wie Poesie. Und wissen Sie, woran mich das erinnert? Kraftwerk. Das Ganze sieht aus wie eine Bühnenstaffage von Kraftwerk.
Kraftwerk, die deutschen Pioniere der elektronischen Musik, hatten und haben, seit sie vor über vier Dekaden in ihrem Düsseldorfer Kling-Klang-Studio angefangen haben, in Wirkung und Nachwirkung einen grösseren Einfluss auf die abendländische Populärmusik als die Beatles. Das war die Aussage einer interessanten Glosse neulich im britischen «Guardian», die ausserdem feststellte, dass die Herren von Kraftwerk mit ihrer kategorischen Verneinung des Personenkults zugleich die popkulturelle Antithese zu sämtlichen zeitgenössischen Celebrity- und Popkulturphänomenen darstellten, die oft gar nichts anderes sind als Personenkult: «Who’s your favourite member of Kraftwerk? It’s a question no one ever asked anyone, or should ask, or ever attempt to answer.»
Stattdessen ist Kraftwerk: Für immer Avantgarde. Oder, wie Sam Wollaston im «Guardian» schreibt: … four anonymous men doing very little on stage. And suddenly all the prancing about that everyone else does looks a bit silly. There’s no twerk in Kraftwerk, even if it might look like it.
TWERK – das wäre auch so ein 5-Buchstaben-Wort. Allerdings wahrscheinlich zu sexistisch für die Bally-Kugeln. Bis übermorn. Oh, und: Happy Valentine’s Day!
4 Kommentare zu «Fünf Buchstaben»
Ich kam vor ein paar Wochen auf die Idee, mal wieder ein paar Kraftwerk Songs zu hören: Mann ist das lahm, fad, nichts. „Avantgarde“ ist Müll, aus dem Künstler später etwas gemacht, ohne dies, wäre die „Avantgarde“ schon längst und zu recht vergessen.
Was wäre mein Leben ohne Dr. Tingler bzw. seinen überaus wertvollen Blog? Ich kann es Ihnen sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: EIN JAMMERTAL!
Herzlichen Dank, Herr Dr. Tingler! Wie immer sprechen Sie mir aus dem Herzen.
you made my day:)
Düsseldorf und Avant-Garde? Vielleicht ‚mode-mässig‘. (Campino-Früh-Punk). Denn ‚einer fuhr nach Köln – von 10‘. Das war wohl ich. Und obwohl ich die ‚Toten Hosen‘ mag, mag, mag – wie Opium fürs Volk. Und mir Kölsch oder Alt – Hans was Heiri ist – also irgendwie Jean que Jacques. Ich bleibe gerne auch ‚avant-garde‘ – mit BAP (ok, verdamp lang her, Eau de Cologne, ok noch verdamp-er lange her 4711 – oder die nette Farina gegenüber). Heute bin ich ital. avant-garde, mit ‚Marbert‘ italienisch – aber noch besser – Acqua di Parma‘ – Montepulciano rosso gegenüber …