Die richtige Mütze

Mützen sind schwierig, meine Damen und Herren. Das habe ich gerade kürzlich wieder gemerkt, als ich mit Richie, dem besten Ehemann von allen, im Brooklyn Hat Shop der Goorin Brothers im New Yorker «Two Broke Girls»-Distrikt Williamsburg war, weil Richie diese rotkarierte Elmer-Fudd-Mütze wollte. Die weltweite Suche nach besagter Mütze dauert nun schon ein paar Jahre und führte uns unter anderem zu Hutläden in Toronto, Berlin, Singapur, Santiago de Chile, Jakarta und Bangkok. Falls Sie eine Idee haben: Bitte melden Sie sich. Anyways, natürlich gab es diese Elmer-Fudd-Mütze auch nicht bei den Brüdern Goorin, aber wir haben weitere wertvolle Tipps bekommen, die uns für die nächsten Jahre beschäftigt halten werden, thank God. Anyways, während der Elmer-Fudd-Sondierungsgespräche habe ich eine grobe Schiebermütze aufprobiert, eigentlich mehr, weil Earl, der bärtige Verkäufer, das so vorgeschlagen hatte, und Earl war auch ziemlich begeistert, doch das ist auch sein Beruf. Ich hingegen fand, dass ich mit dieser Schiebermütze ein bisschen aussah wie Andy Capp. Oder wenigstens wie eine Mischung aus Andy Capp und Brian Johnson.
Mützen, also. Als ich acht war, dachte ich ja, der Winter sei mit dem Dezember vorbei. Wie das Jahr. Dabei fängt der Winter eigentlich im Januar erst richtig an (und offiziell-kalendarisch erst dieses Wochenende). Was anderes aber ist richtig: Man hat im Winter in der Regel mehr an (es sei denn, man ist Mariah Carey oder in Kalifornien). Und zwar gerade auch mehr Zubehör: Mützen, Schals, Handschuhe. Also Accessoires. Der Wortbedeutung nach haben die was mit Nebensächlichkeiten zu tun, aber dies gilt in der Tat nur etymologisch. Im Leben hingegen sollte man Accessoires auf keinen Fall geringschätzen, und in der Tat hat der moderne Mann mehr Schals, Mützen und Handschuhe als sein Vorgänger zum Beispiel Ende der Siebzigerjahre (als ich acht war). Und das ist grundsätzlich eine gute Sache. Allerdings ist «mehr» immer ein Schritt vor dem «Zuviel» – und das Zuviel ist, wie bei vielen Phänomenen, so auch bei den Accessoires das Ende.
Das heikelste Winterzubehör
Accessoires können einen Stil schaffen – oder ruinieren. Deshalb gilt es, aus den endlosen Optionen mit Bedacht auszuwählen. Die Grundregel für Accessoires besteht darin, sie mit Masshaltung zu verwenden. Das heikelste Winterzubehör ist hierbei die Mütze. Auch mit einem guten Gesicht kann man nach falscher Mützenwahl aussehen wie der Depp aus einem Bauernschwank – oder wie eine lesbische Widerstandskämpferin aus einem Godard-Film. Pudelmützen beispielsweise sind (obschon es die sogar von Stetson gibt) jenseits der 35 verboten, es sei denn, man besitzt extrem viel Street Cred und Selbstironie, aber das tun auf der ganzen Welt bloss etwa zwölf Personen. Stark konnotiert ist ebenfalls die Uschanka, jenes Pelzmützenmodell mit herunterklappbarem Ohren- und Nackenschutz, bei dem ich persönlich immer an Leonid Breschnew denken muss (der die Sowjetunion regierte, als ich acht war). Die simpelste und klassische Mützenlösung hingegen sind die sogenannten Beanies, also schlichte Kopfbedeckungen ohne Bommel und Bombast, meist aus Schur- oder Baumwolle. Die Auswahl ist hier gross, die Fehltrittmöglichkeit begrenzt – well, jedenfalls früher. Inzwischen sind Beanies durch eine Armee von Hipstern ein bisschen diskreditiert, während noch vor ein paar Jahren die einzige Gefahr beim Beanie-Tragen darin bestand, auszusehen wie ein Provinz-Hip-Hopper aus Mannheim. Was sich leicht umgehen lässt, indem man Emporio Armani trägt.
In der Regel ist davon abzuraten, Mütze und Schal im selben Muster zu wählen. Hingegen ist wie bei der Mütze so auch beim Schal auf Qualität zu achten: Polyester oder Polyacrylat trägt man in der Fankurve, sonst nicht. Gegenwärtig sind für Schals auch eher grobe Materialien wie Tweed und kontrastreiche Musterungen wie Fischgrat oder Hahnentritt gefragt, und das ist fein. Nur sollte man überdimensionierte grobmaschige Strick-Schals nicht unbedingt noch mit bulligen Zopfmusterpullovern kombinieren, sonst sieht man bestenfalls aus wie aus einer Reklame für Fisherman’s Friend, schlimmstenfalls wie ein Umzugskarton. Die zeitloseste Form des Schals kommt, wie Fisherman’s Friend, aus England. Da hat jede Public School, jedes College, jedes Regiment eigene Farben, die man auch gern als Schal trägt, quer- oder längsgestreift. Und wenn Sie so einen zwei- oder dreifarbigen College-Schal mit einem Paar Kaschmir-gefütterter schwarzer Kalbslederhandschuhe kombinieren, haben Sie ein Winter-Traumpaar zusammengeführt! Wohingegen Sie bei Wildleder-Fäustlingen mit Lammfellfütterung eher aussehen, als hätten Sie Ihre Hände in Ugg Boots gesteckt (dann lieber gleich die Original-Hirschleder-Handschuhe von Ugg). Übrigens gilt für Handschuhe dasselbe wie für Schuhe: Sie müssen passen, weder zu klein noch zu gross sieht gut aus, besonders bei Fingerhandschuhen.
Distinktion
Edith Head, die legendäre Kostümbildnerin der Paramount Studios, hat mit Bezug auf Accessoires gesagt: Lassen Sie sich von ihnen nicht übertönen. Und dies bringt uns zurück zum Problem des Zuviel. In einer Welt, wo die Standardisierung von Stilen trotz aller betonten Individualität immer stärker um sich greift, wird das Verlangen nach Abhebung wichtiger, und von Accessoires erwartet man also mit Fug und Recht eine genauere Charakterisierung ihres Trägers – aber eben dieser Träger sollte im Schlaglicht stehen und nicht untergehen zwischen Zierrat, Nieten, Fransen, Applikationen, Pastellfarben. Accessoires sind selbst schon Zugaben, also sollten sie schlicht sein. Oder wollen Sie als Allegorie des Winters auftreten? Der Distinktionsgewinn in der Wintergarderobe wird auch zunichtegemacht durch alles, was Assoziationen von «Outdoor», «Natursport» oder «Trekking» weckt, also bitte so wenig Faserpelz, Fleece und Olivgrün wie möglich. Und zur Vermeidung der Overbalance gehört ebenfalls die Vermeidung kulturell auffälliger Materialien: Ich habe keine Ahnung, wer die Mär in die Welt gesetzt hat, Wildleder scheint sportlich und gleichzeitig elegant. Es handelt sich jedenfalls um einen Irrtum. Wie für jede Jahreszeit, so gilt auch im Winter: so wenig Wildleder wie möglich. Und, bitte, verzichten Sie auf jede Form von Paisleys. Danke. Und auf flauschige Angoramützen oder changierende Seidenfoulards, sofern Sie ein Mann sind. Das ist nur was für sehr männliche Männer. Und davon gibt es auf der ganzen Welt bloss etwa zwölf. Darüber können Sie jetzt mal nachdenken. Während ich darüber nachdenke, ob es Insult oder Anerkennung oder jene undurchdringliche Mischung beider bedeutete, als mir in Williamsburg nach Verlassen des Hutladens ein schwarzer Mann hinterherrief: «Hey, Kanye, I like your style!»
Im Bild oben: Das heikelste aller Winteraccessoires: Die Mütze. (Flickr/Darwin Bell)
20 Kommentare zu «Die richtige Mütze»
Beanie? Allein die Bezeichnung! Da fällt mir als erstes DJ Ötzi ein, wahrlich keine Stilikone. Was man leider kaum mehr sieht, ist das klassische „Béret Basque“. An einem hübschen, nicht allzu eitlen Mann ohne Revoluzzer-Attitüde, in Kombination mit einem guten Trenchcoat: schon sehr schön.
Schön und recht, nur: Es wäre schön, Man(n) könnte diese Kleider auch noch kaufen! Es gibt sie schon, aber nur für 20 Millionen das Stück und natürlich nur bis Grösse 56, also nur für kleine Italiener, Asiaten und Stricherjungen. Die Modeindustrie hat sowieso einen Knall! Unmögliche Schnitte, die kein normaler Mensch tragen kann. Man kann Gürtel bis 115 cm kaufen, aber nur Hosen bis Grösse 56. Die Grössen sind nicht mehr einheitlich. Also ich kaufe einfach, was passt und einigermassen aussieht. Um mir Kleider zusammen zu stellen, dazu fehlen mir einfach die Nerven.