Sind Verliebte langweilig?

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«Wenn Sie sich verlieben, verlieren Sie Freunde.» Unter dieser Überschrift, meine Damen und Herren, fasste die BBC neulich die Ergebnisse einer Studie zusammen, in der Wissenschaftler der Oxford University nun endlich quantifiziert haben, was eine neue Liebe wirklich kostet: zwei gute Freunde. Bestätigt wurde die Alltagsweisheit, dass Frischverliebte ihren sogenannten Kernkreis vernachlässigen, also jenen Zirkel aus vier bis sechs Freunden bzw. Familienmitgliedern, zu denen die engsten Bindungen bestehen. Typischerweise würden eine Freundschaft und ein Familienmitglied aus diesem Kreis aufgegeben, um Platz für die neue Liebe zu schaffen, erklärte der zu besagter Studie gehörende Anthropologie-Professor Robin Dunbar.

«Aufgeben» scheint aber nicht ganz den Sachverhalt zu treffen, der wohl  beinhalten dürfte, dass sich die betreffenden Kernkreisteilnehmer wohl auch gelegentlich selbst zurückziehen möchten, weil sie das neue Pärchen schwer ertragen. Denn, sehen wir den Tatsachen ins (mehr oder weniger hübsche) Gesicht: Frisch Verliebte sind unter Umständen schwer auszuhalten. Natürlich ist Verliebtheit was Wunderbares. Nur nicht immer bei anderen. Da ist sie gelegentlich mit einer exponentiell zunehmenden Häufung von Entsetzlichkeiten verbunden.

Während ich dies schreibe, warte ich am Flughafen München auf den unmittelbar bevorstehenden Aufruf meiner Maschine nach Barcelona. Sehen wir uns das Publikum an: Sozusagen direkt unter meinen Augen schmust auf den Plastiksitzen ein Pärchen. Dessen männliche Hälfte trägt Halbschuhe aus kirschrotem Wildleder, mit aufgesticktem Ethno-Edelweiss. Allein das wär’ doch schon ein Grund, ihn nicht mitfliegen zu lassen! Das Schuhwerk ist bekanntlich etwas vom Allerwichtigsten bei der Kleidung, eine Art Empfehlungsschreiben. Noch viel aufschlussreicher als jedes Schuhwerk ist allerdings das öffentliche Ablegen desselben, wie es uns nun gerade die junge Dame demonstriert, welche die weibliche Hälfte des schmusenden Pärchens bildet. Sie hat durch monatelanges Runtertreten der Hacken ihre Pumps in eine Art Pantoffeln verwandelt, derer sie sich nun entledigt, um ihrem Liebsten noch besser im Schosse liegen zu können. Er bohrt in der Nase. Wie auf dem Affenfelsen. Und das alles in Sichtweite einer strickenden Nonne, die auf ihren Flug mit Alitalia wartet!

Sobald man in der Öffentlichkeit auftritt, muss man sich irgendwie benehmen. Das mag einschränkend wirken, gilt aber auch für frisch verliebte Pärchen. Dauerndes Händchenhalten und der darüber hinausgehende öffentliche Austausch von Zärtlichkeiten und Kosenamen sind für zufällig oder nicht-zufällig anwesende Dritte bestenfalls langweilig, schlimmstenfalls peinlich. Und daher unmanierlich, wie alles Verhalten, was die Aussenwelt ignoriert. Die Aussenwelt hört nämlich nicht auf, zu existieren, bloss weil man verliebt ist. Interessanterweise sind es übrigens oft gerade die Leute, bei denen man denkt, dass sie eigentlich überaus froh und dankbar sein müssten, überhaupt jemanden gefunden zu haben, weil sie beispielsweise die Anmut von Gertrude Stein mit dem Charme von Josef Stalin verbinden (und dabei auch noch – mutmasslich – eine Frau sind), die sich beim öffentlichen Austauschen von Zuwendungen besonders ins Zeug legen. Wahrscheinlich, weil sie froh sind, dass sie überhaupt jemanden gefunden haben. Und es der Welt zeigen wollen. Bisschen trotzig, huh?

Noch schlimmer wirds, wenn die neue Liebe zum einzigen Gesprächsthema aufsteigt, auch wenn man nur eine Hälfte des Paares trifft oder kennt. Dann muss man sich die ganze Zeit anhören, wie wundervoll und einzigartig Martin oder Janine seien. Dies wird dann regelmässig mit der Erwartung verbunden, dass jedem Menschen aus dem alten Kernkreis (sowie darüber hinaus überhaupt eigentlich jedem Menschen auf dem Erdenkreis) der neue Lebensabschnittspartner unbedingt sympathisch sein müsse. Das habe ich nie verstanden. Das ist genauso absurd wie wenn Leute den Anspruch haben, dass sich alle ihre Freunde untereinander kennen und mögen sollten. Ich mag ja noch nicht mal selbst all meine Freunde.

Bild oben: Frisch Verliebte sind unter Umständen schwer auszuhalten. Pärchen am Valentinstag. Foto: Andrzej Rybczynski (EPA, Keystone)

21 Kommentare zu «Sind Verliebte langweilig?»

  • landert beatrice sagt:

    Verliebt zu sein ist ein Sonderzustand, für jeden Verständlich der einmal Verliebt war ! Zum Trost für diejenigen welche sich etwas Vernachlässigt vorkommen von den schwer Verliebten, der Zustand hält nicht ewig, nach 3 Monaten ist die Kinderkrankheit der Verrücktheit und Weltentrückt seins nicht mehr so innig, die Verliebten kommen wieder zurück zur Normalität und erinnern sich schnell wieder an ihre liebe Umgebung ! Das ist in jedem Fall so, ausser die Beiden haben sich aufgefressen, dann kann man auch nichts mehr erwarten ! Also abwarten und sich ebenfalls Verlieben !Landert Beatrice.

  • Schadegger Robert sagt:

    Verliebte Teenager finde ich irgendwie süss – auch in der Öffentlichkeit! Für sie ist das alles ganz neu und sie wissen wohl kaum, was da mit Ihnen geschieht… Die Chemie spielt in dieser Lebensphase sowieso verrückt! – Bei Erwachsenen, inkl. Betagten, finde ich übertriebenes Geturtel in der Öffentlichkeit peinlich; und dennoch muss ich betonen, dass mir dieser Anblick doch noch wesentlich lieber ist als das selbstentwürdigende Benehmen von Alkis, Junkies, randalierender Jugendlicher oder peinlicher, vulgärer „Fashion-Victims“!

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