Wofür es sich zu kämpfen lohnt

Die Weltlage ist beunruhigend. Pausenlos erreichen uns Schreckensmeldungen über Krieg, Seuchen, Hunger. Und immer wieder auch Meldungen über junge Menschen, die hier leben, vom Wohlstand profitieren und dieser Gesellschaft dennoch nur Tod und Verwüstung wünschen, was besonders niederschmetternd ist. Das alles verfehlt die Wirkung auf unsere von Stabilität und Wohlstand verwöhnte Psyche nicht. Die Reaktionen folgen zwei Grundmustern: Aggression und Depression.
Beides ist naheliegend und einfach, aber verheerend. Das wurde mir neulich bei einem Interview mit dem Psychologen Ahmed Mansour klar. Ich sprach mit ihm über Jihadisten und Islam-Konvertiten in Deutschland und der Schweiz und was man gegen die Radikalisierungstendenzen tun kann. Und da mir das Thema nahegeht und mich aggressiv macht, versuchte ich, ihn darauf zu behaften, dass der Extremismus in der Religion selber schon angelegt sei mit ihrem absoluten Wahrheitsanspruch und der Geringschätzung der Frauen. Er widersprach vehement und beharrte auf der Verantwortung der hiesigen Gesellschaft für die unglückselige Entwicklung. Denn so unterschiedlich jugendliche Jihadisten bezüglich Herkunft und Bildung seien, gemeinsam sei ihnen das Gefühl, in der hiesigen Gesellschaft nicht willkommen und akzeptiert zu sein. Die Salafisten hingegen böten ihnen ein einfaches, in Gut und Böse eingeteiltes Weltbild und vor allem ein Glaubensmodell, das die hiesige Gesellschaft als minderwertig definiert, während sie zu den Gewinnern gehören.
Soso, nun sollen wir also auch noch an diesem Konvertiten-Schlamassel schuld sein, dachte ich zunächst verärgert. Aber je länger wir redeten, desto mehr wurde mir klar, wie wenig ich im Grunde über den Islam weiss, dass ich keinen einzigen praktizierenden Muslim kenne und dass es sich vielleicht lohnen würde, ernst zu nehmen, was der Mann sagt. Mir wurde klar, dass auch meine Vorstellungen vom Islam vor allem durch die beängstigenden Meldungen über die IS-Barbaren geprägt sind und dass genau solche Vorurteile zum Klima beitragen, das junge Muslime in die Arme von Salafisten treibt. Depression, Toleranz und Multikulti-Folklore sind sicherlich nicht der richtige Weg. Aber unreflektierte Aggression zielt genauso daneben.
Nach einer Weile hatten Herr Mansour und ich unsere Vorurteile und Missverständnisse ausgeräumt. Und als er die Verantwortung der muslimischen Gemeinschaft für die Radikalisierungstendenzen benannte, wurde es interessant. Diese nämlich lasse auch heute noch vielfach kritisches Denken nicht zu, suhle sich in einer Opferhaltung, arbeite mit Angstpädagogik und unterdrücke die Sexualität. Nicht zuletzt sei auch der Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter letztlich unverzichtbar für einen reformierten Islam.
Es war ein Gespräch, das mir zu denken gab. Denn so verlockend es ist, alles, was mit Islam zu tun hat, in Bausch und Bogen zu verdammen, so nutzlos ist dies hinsichtlich der Probleme, denen wir uns in den nächsten Jahren in Europa stellen müssen. Dabei ist es entscheidend, sich auf die Werte zu besinnen, an denen wir festhalten und die wir von den anderen einfordern wollen. Zum Beispiel Aufklärung, kritisches Denken und Gleichstellung. Das mag zwar in der Praxis immer wieder zu kleinlichem Streit und Ärger führen, aber vor einem grösseren Horizont ist es tröstlich zu wissen, wofür es sich zu kämpfen lohnt.
Bild oben: Gleichberechtigung der Geschlechter ist unverzichtbar für einen reformierten Islam. Kadettinnen einer Polizeischule in Algerien bei einer Abschlussparade (6. August 2009) Foto: Zohra Bensemra (Reuters)
52 Kommentare zu «Wofür es sichzu kämpfen lohnt »
Es mag sein, dass wir den Islam nicht kennen. Es mag sein, dass es für den Islam nützlich wäre, sich zu reformieren. Allein so funktionieren Religionen und Kirchen nicht: Die Gleichstellung der Geschlechter etc. suchen wir in der katholischen Kirche bis heute vergebens. Nur die Eindämmung des Einflusses der Religion lässt es zu, dass diese mittelalterlichen Ideen im modernen Alltag nicht allzu sehr stören. Es ginge also eher darum, zu erkennen, dass Religionen – gleich welcher Art – Menschen vom eigenen Denken abhalten und Extremismus fördern. Nur erwachsener Umgang mit Religionen kann nützen.
Keine Frage dass Ahmed Mansour mit seiner Aufklärung eine wichtige Arbeit leistet. Sie lagen jedoch mit Ihrem ersten Ansatz richtig, dass Gewalt, Unterdrückung & Diskriminierung im Islam selbst verankert sind. Schon der Anspruch für alle Menschen die einzige richtige Religion zu sein, ist pure Aggression. Es wird behauptet, dass die Extremisten die Religion missbrauchten. Kann man eine Religion, die nur lehrt die Menschen zu akzeptieren & zu lieben missbrauchen? Unsere Religionen meinen es eben nicht gut! Mit diesem verlogenen Schönsprech müssen wir endlich aufhören.
Ihnen wurde bewusst, wie wenig Sie über den Islam wissen. Gerne beklagen Muslime, dass Nichtmuslime, dass sie zu wenig über den Isalm wüssten. Und das obwohl es in ganz Europa eine Daueraufklärung über den Islam und Islamkonferenzen gibt. Auch interreligiöse Dialoge gibt es erst seit sich der Islam als aggressive Problemreligion mitten unter uns manifestiert. Zu Religionsfreiheit gehört auch, sich nicht für den Islam oder eine andere Religion interessieren zu müssen. Sie wissen vor allem zu wenig über Muslime! Reden sie mal mit Muslimen die Ihnen westlich erscheinen über Frauen und Juden.
Ich mag das Gejammer nicht mehr hören, dass die Muslime im Westen keine Perspektive hätten. Wenn Muslime auf Ablehnung stossen, dann wegen diesen unberechtigten Vorwürfen, wegen ihrer omnipräsenten Gewalt, wegen ihrem Dauerbeleidigtsein, wegen ihrer Verachtung unserer Kultur, wegen ihrer infantilen Weigerung oder Unfähigkeit Eigenverantwortung zu übernehmen. Schauen Sie den Film „Yaloms Cure“ & sie werden sehen, dass die Juden nach Europa & USA geflüchtet sind arm waren & sich zuerst einmal selbst angestrengt haben sich zu integrieren, ohne Integrationsbeauftragte & Dauerbetreuung.
Aufklärung, kritisches Denken und Gleichstellung sind Werte, die unsere Gesellschaft bereits geankert hat. Der Blick gen Süden lässt aber die Erkenntnis keimen, auf welch abgehobenen Sphären wir bei uns kreisen. Ich stimme überein, dass wir aus dem breiten Werte-Kanon die Elemente herausschälen sollen, die bedeutend sind.
In einem zweiten Schritt müssten wir uns dann auch unter den Generationen und vorallem den Geschlechtern einigen. Und drittens schliesslich müssen wir, auch im wissen ob der bewegten Geschichte und aktueller Vorkommnisse, wie breit wir „verteidigen“ definieren.