Der Unterschied zwischen Dating und Shopping

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Unlängst haben wir hier, meine Damen und Herren, über die Welt von gestern gesprochen, und wissen Sie, was ebenfalls ein aus den Zeiten ragendes Monument der Welt von gestern ist: das Tritel Zernez. Siehe oben. Wir hatten mal eins. Ich habe die Bedienungsanleitung wiedergefunden, auf der Suche nach der Garantie für den Staubsauger. Sie erinnern sich? Da gabs die PTT noch. Das Tritel Zernez ist ein Musterbeispiel des Achtzigerjahre-Designs, eine Art der Formgebung, die allerdings in diesem Land tatsächlich irgendwie bis so tiefe Mitte der Neunzigerjahre die Geschmacksmuster und Wahrnehmungsraster sowohl privat als auch öffentlich zu dominieren schien. Da fällt mir ein: Was ist eigentlich aus Best Company geworden?

Best-Company-Sweatshirts funktionieren heute natürlich prima ironisch, was mich auf den Hipster bringt sowie darauf, dass ich neulich mit meinem Freund Stefan essen war, vollkommen unironisch im Gartenhof in Zürich, und Stefan sagte: «Dieses Café Bebek an der Kalkbreite ist die Hipsterzentrale dieser Gegend, alle Leute da sehen gleich aus. Merken die das nicht oder stört es sie nicht?»

«Ja», erwiderte ich, «und wie funktioniert das eigentlich mit dem Dating, wenn alle gleich aussehen?»

Wozu mir wiederum einfällt, dass ich neulich las, dass der bekannte deutsche Soziologe Heinz Bude in seinem neuen Buch «Gesellschaft der Angst» das (kommerzialisierte) Dating (vor allem über Websites und Apps) als «hysterische Form der Bewältigung der Angst, alleine zu bleiben» betrachtet. Herr Bude weist ausserdem darauf hin, dass die spätmodernen Datingmärkte ihren Kunden eine Illusion andrehten: die Illusion der Wahlfreiheit. Wie als Konsument auf dem Markt. Das klappt aber nicht. Weil die Ware hier nämlich auch wählt. Und zwar nicht selten was anderes. Das ist der letzte Unterschied zwischen Dating und Shopping.

Apropos alle sehen gleich aus: Darf ich Ihnen dazu das Projekt «Exactitudes» empfehlen? Schauen Sie mal rein. Zurück zum Mittagessen. Stefan ist Künstler und Fotograf und erinnert mich, wie ich ihm andauernd sage, an eine Mischung aus Richard Lewis und einem Charakter aus «Girls». Und, speaking of «Girls»: Lena Dunham hat den Proust-Fragebogen von «Vanity Fair» ausgefüllt. Sehr gefiel mir ihre Antwort auf die Frage «What do you regard as the lowest depth of misery?» Nämlich: «The five seconds before you vomit.»

5 Kommentare zu «Der Unterschied zwischen Dating und Shopping»

  • Meinrad Angehrn sagt:

    Tipp: Der Genuss von Rüeblitortenmuffins im Star*ucks ist nicht für gar jeden wirklich genüsslich, vor allem wenn, … — na ja, der Rest ist Privatsache.

  • Ursuppe sagt:

    1) Das Zernez war das erste schnurlose Telefon auf Funkbasis in der Schweiz, das vom Monopolbetrieb von Post Telephon Telegraph (kurz: PTT) konzessioniert wurde. Es gab aber auch schon amerikanische Modelle dieser Art ohne Konzession, bei denen man ein wenig mit dem Auto durch die Strassen zirkulieren konnte, um dann bei irgendeiner Station, die gerade ansprach, aufhüpfte. Ist mit kürzestem Flirt und anschliessendem langem, kostenlosem Sex zu vergleichen.
    2) «The five seconds before you vomit.» – Wahrer geht nimmer.

  • Irene feldmann sagt:

    Hr. Tingler…..hhhhhhhh…das goldene Ei!!!!! Ihr Satz: wie funktioniert das EIGENDLICH mit dem Dating wenn alle gleich aussehen????? Denken sie mal!! Die Lösung aller Probleme wirklich, kein schöner und kein hässlicher, intelligenter oder dümmer.( dies muss allerdings dringend geprüft werden..:))….das gäbe einen Film…..Horror von persönlichkeitsverlust oder endgültige Befreiung des eremitenseins 2014!!!! Ich bin begeistert!!!!!

  • Katharina I sagt:

    Wieder ein astreiner Tingler! Musste so laut lachen! Und auch wieder denken. 🙂

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