Schöne, heroische Männerwelt

Vergangene Woche hielt «Tages-Anzeiger»-Journalist Constantin Seibt eine Rede vor der Medienvielfalt Holding, zum Thema, nun ja, Medienvielfalt. Man kennt die Klage, alle Medien, mit Ausnahme der BaZ und der Weltwoche, sollen links unterwandert sein und vertuschten alle Fakten, die ihrer Weltsicht widersprächen. Mit Seibt wurde nun also ein scharfer Kritiker eingeladen, der seine Gastgeber dann auch frontal angriff. Er warf ihnen vor, sie lebten in einer Parallelwelt und erzeugten eine solche auch für das Publikum, sozusagen journalistischen Reduit-Kämpfer, die die konservative Stellung halten. Der Widerspruch blieb nicht unwidersprochen.
Markus Schär schwang sich auf dem Portal «Medienwoche» zu einer Replik mit bemerkenswerter Rhetorik auf. Sie verrät einiges darüber, wie der Herrenclub der Anti-Mainstreamler so tickt. Unter dem Titel «Vergesst Stilnoten, Trefferpunkte zählen», hebt Schär an zu einer Rede an, die er als «Anmerkungen eines Betroffenen» verkauft und sich an den Marksteinen autobiographischer Erlebnisse entlanghangelt. Martialisch geht es zu und her in dieser Welt, in der Schär seinen heroischen Kampf gegen «Denkverbote» führt.
Da «kollidieren Ansichten», «prallen Welten zusammen», da duellieren sich «grosse Männer» in einem «Clash der Fakten», bei dem die «Funken sprühen». Das ist gross, das ist wertvoll, das ist wie in den guten alten Zeiten. Damals, als jedes Kaff, jede Partei, jede Konfession ein eigenes Blättchen befehligte, wie sich Schär erinnert, das in «lustvollen Schlachten» um die einzig wahre Weltsicht kämpfte. Eine mediale «Schlachtordnung», die Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zu Ende ging, wie Schär bedauert.
Aber nicht verloren. Denn es gibt sie ja noch, die alten Kämpen. Nur geht es heute eher darum, Denkverbote ausfindig zu machen und zu attackieren. Seek and destroy. Dazu werden aufwändige Recherchen in Verbalattacken verpackt mit dem Ziel, «Gutmenschen» mit «Provokatiönchen» zum Protestgeheul zu animieren. Deshalb wird die «Weltwoche» auch «gefürchtet». Denn schliesslich zählen nicht die «Stilnoten, sondern die Treffer». Oder wie es Urs Paul Engeler anlässlich des von ihm ins Rollen gebrachten Falles Hildebrand formulierte: «Er war das grösste Tier, das mir je vor die Flinte gelaufen ist.»
Das muss schön gewesen sein, damals. Aber weil Krieg ja ein eher männliches Geschäft ist, gibt es bis heute keine Frauen vom Elefantentöter-Kaliber dieser alten Haudegen. Wenigstens sind keine übrig geblieben. Durften, konnten sie nicht mitmachen? Fürchteten sie die Schlachten? Wurden sie in den Duellen weggeputzt? Oder war es ihnen vielleicht einfach zu blöd, weshalb sie sich irgendwann zurückgezogen haben? Und ist also der kriegerische Ansatz der Richtige für die Herstellung von Meinungsvielfalt, wenn daraus resultiert, dass am Schluss nur Männer gegen Männer kämpfen? Oder liegt es an den Frauen, die in der Bedienung des Zweihänders notorisch versagen? Und ist dies wirklich eine unverzichtbare journalistische Notwendigkeit?
Ich glaube nicht. Grundsätzlich ist gegen martialische Rhetorik nichts einzuwenden, auch nicht gegen Kampfesmut und manchmal ist es durchaus angezeigt, ein bisschen grob zu werden. Doch es scheint mir, dass sich nur wenige Frauen für dieses Geschäft begeistern lassen. Dies jedenfalls dürfte der Grund sein, warum es in der Schweizer Medienszene nur so wenige gewichtige Exponentinnen gibt, die die vergangenen Jahrzehnte geprägt hätten. Vielleicht deshalb, weil in diesem Verständnis von Journalismus eine Weltsicht steckt, die sich an der wohl geordneten heroischen, alten Männerwelt orientiert, in der die Grenzen zwischen gut und böse, weiblich und männlich scharf gezogen sind. Und in der die Rollen, die Aufgaben klar verteilt sind. Es ist eine Welt, die jetzt schon nur noch eine nostalgische Erinnerung ist. Es haben es vielleicht nur noch nicht alle gemerkt.
Im Bild oben: Eric Bana und Brad Pitt im Film «Troja». (Foto: Warner)
23 Kommentare zu «Schöne, heroische Männerwelt»
Könnte sich, bitte, auch weiblicher Journalismus an die Gepflogenheiten der Branche halten? Ich schreibe nirgends über „grosse Männer“, das ist also kein Zitat, wie die Anführungszeichen unterstellen. Und ich bedaure das Ende der alten Schlachtordnung nirgends, ich war ja mit meinem Berufsverbot im Thurgau selber ihr Opfer. (Nachträglich bedauerte ich auch, dass ich als gutes Beispiel nicht meine Lieblingsjournalistin Bettina Weber genannt hatte, die sich mit Geist und Lust in den Nahkampf stürzt.) Danke.
Sie hat jetzt halt auch mit dem Zweihänder ausgeholt. Prangert an, was sie selbst praktiziert.
Ich verstehe es nicht ganz.
Ich denke, sie ist unendlich froh um all die Leute, die sei anprangert. Denn sonst hätte sie ja nichts zum Schreiben.
So lebt das Geschäft von der Gegenseitigkeit. Ob das ein heroischer Kampf ist oder eher eben ein Schaukampf von dem man hofft, dass man damit Geld verdienen kann?
Ich denke eher das Zweite.
Und was wäre die Alternative zum Macho-Journalismus? Der Hab-mich-gerne-Konsens-Journalismus? Ich warte immer noch auf all die mutigen, heroischen Verlegerinnen, die eigenhändig und trotz widrigster, wirtschaftlicher Rahmenbedingungen Zeitungen aus dem Nichts erschaffen- bzw. aus dem Boden stampfen und sie erhobenen Hauptes zum Erfolg führen, weil sie fähig und willens sind, das volle, unternehmerische Risiko zu tragen! Sobald die kommen, diese göttlichen Walküren, wird die Welt in ihren publizistischen Grundfesten erzittern, davon bin ich fel-sen-fest überzeugt!
Frauen beim Kaffekränzchen, Männer auf dem Waffenplatz. Dass gerade eine Frau dieses Klischee bestätigt sieht und das Kaffekränzchen verteidigt, wundert mich.
In dieser Sicht wären also unabhängig von der politischen Einstellung kämpferische Journalistinnen und Journalisten falsch orientiert- auch Christian Seibt.
Sicher richtig ist, dass Lärm nicht das überzeugende Argument ersetzen kann. Ein Journalist, der mit Haut und Haar von etwas überzeugt ist und dies in seinen Texten auch rüberbringt den liest man aufmerksamer. Zurecht. Denn viele journalistischen Texte sind nur Pflichtübungen.
Die Illustration mit den zwei kämpfenden Helden mit Rüstung würde ich mit zwei sich bekämpfenden Hähnen oder Bullen ersetzen. Mehr ist es auch bei den Menschen nicht, sie reden zwar heutzutage wahnsinnig viel aber der Sinn und Zweck dient allein dazu, den sozialen Rang jemanden abzukämpfen und sich damit zu schmücken. Männchen bleiben Männchen, mehr kann ich zur Zeit in diesem ausufernden Hickhacks nicht sehen. Man fragt sich als Weibchen, was die wohl für Probleme haben und geht möglichst weit weg.
Vielleicht sollte man nicht aus jeder Frage, zB ob es im Journalismus manchmal martialisch zugehen darf oder nicht, eine ‚Mann-vs-Frau‘-Frage machen.