Etikette fürs Taxi

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Wie für jede Situation, in der fremde Personen in räumlich begrenzten Verhältnissen zusammenkommen, so gibt es auch fürs Taxifahren eine Etikette, meine Damen und Herren. Und zwar für alle Beteiligten: Ein guter Taxifahrer flucht nicht während der Fahrt und telefoniert nicht und zwingt dem Fahrgast kein Gespräch auf. Dem Fahrgast seinerseits steht es jederzeit frei, eine Unterhaltung anzufangen; ansonsten gilt im Taxi wie im Lift: Wenn in den ersten 45 Sekunden keine Konversation aufgenommen wurde, kommt keine zustande.

Dieser Kodex gilt, mit kleineren kulturellen Abwandlungen, überall auf der Welt. Nur nicht in Berlin. Ich bin schon in Taxis von Honolulu bis Stockholm gesessen, aber es gibt keine Stadt auf der Welt, die man so sehr an ihren Taxis bzw. an deren Fahrern erkennt wie Berlin. Da kann es ohne weiteres passieren, dass einen der Chauffeur (oder, in diesem Falle die Chauffeuse) mit den Worten begrüsst: «Is dit schlimm, wenn ick rooche? Ick hab nämlich Liebeskummer!» Nein, natürlich ist das nicht schlimm. Wir unterhalten uns ein bisschen über Liebeskummer, worauf die Dame am Steuer das Fazit ihrer Welterkenntnis mit folgendem Ausspruch zieht: «Wat nützt mir ’n vollet Portemonnaie, wenn dit Bett leer is!» – womit sie, wie es des Berliners Art ist, in entzückender Prägnanz das Wesentliche zusammengefasst hätte. Wie dieser andere Taxifahrer neulich Nacht mit den Worten: «Ick sach ümma: Lieber ’ne Stumme im Bett als ’ne Taube uff’m Dach!»

Der Berliner spricht gerne, Autofahren animiert sowieso zum Reden, und daher kommt es, dass Taxigespräche in der deutschen Hauptstadt quasi zur Ortsdisziplin gehören. Mir gefällt das. Wahrscheinlich, weil ich selbst Berliner bin, auch wenn ich zugleich Zürcher bin, also gewaltige Gegensätze in mir vereinen muss. Aber auch in Zürich unterhalte ich mich ganz gerne mit den Taxifahrern (solange sie nicht extrem miesepetrig sind). Besonders schätze ich Taxigespräche nachts oder frühmorgens. Man wird so angenehm auf den Boden der Tatsachen zurückbefördert, wenn man aus düsteren Clubs oder stickigen Flüsterkneipen stolpert und ins Taxi fällt, denn der Einstieg ins Taxi ist ja in gewisser Weise schon ein Symbol für die Änderung der Atmosphäre, man lässt die Nacht hinter sich, man fährt nach Hause, wo es still ist und friedlich, und man schwört sich: «Nie wieder einen Tropfen Alkohol!» Das ist die Zeit, in der die zage Seele schwanket im Taumel zwischen Tag und Tau und waget nicht, dem neuen Tage fest ins Auge zu blicken, noch den alten wieder heraufzubeschwören. Dies ist die Zeit, in der alle Wege, befahrene oder jungfräuliche, unter den stolpernden Füssen wegsacken, in der alles nur noch schwarz wird vor den überreizten Augen. Und in der man dem Taxifahrer vergeblich versucht zu erklären, dass man nicht schon jahrelang befreundet ist mit der Person, die gerade ausgestiegen ist. Und dann spricht man mit dem Fahrer noch über dieses interessante Phänomen, dass die Leute in Berlin gerne ein paar Meter vorher aussteigen und die letzten Schritte zu Fuss gehen, damit niemand sieht, dass sie mit dem Taxi gekommen sind. Das ist ebenfalls typisch für die deutsche Hauptstadt. In Zürich ist so was wurscht. Zum Glück. Deshalb lebe ich so gerne hier.

Bild oben: Auch für Taxifahrten gelten Höflichkeitsregeln: Taxisezene aus New York. Foto: Damian Morys (Flickr.com)

14 Kommentare zu «Etikette fürs Taxi»

  • Doerr Obst sagt:

    Darf ich vorne einsteigen oder muss ich hinten? Darf ich ein Taxi für 1km nehmen? Darf ich sagen wo durchgefahren werden soll da ich die Abkürzung kenne? Soll ich Trinkgeld bezahlen, wieviel? Fragen über fragen…

    • Taxigast sagt:

      Man steigt ein, wo man gerne will. Der Gast sucht es sich aus. Manche haben hinten auch Angst. – Ja, man darf den Weg angeben. Es ist sogar gut, zu erkennen zu geben, dass man sich auskennt, auch wenn man dabei etwas flunkern muss. – Trinkgeld: Ganz einfach: Je billiger die Taxis, je mehr gibt man, jedoch nie mehr als 10-20% (Preise nicht kaputt machen). Bei Pauschalpreisen ist kein Trinkgeld nötig. Wer immer gibt, dem stellt sich die Frage nicht. Erleichtert ungemein.
      Wenn auf die erste freundliche Smalltalkfrage nur eine knappe Antwort kommt, schweigt man einfach u. schaut dem Verkehr zu.

    • Anna Lyse sagt:

      Hinten, ausser Ihnen wird schlecht und der Taxifahrer muss Gefahr laufen, dass Sie ihm das Taxi verunreinigen. Nein, ausser Sie haben zu schleppen oder sind gehbehindert. Ja. Ja, je nachdem wo Sie Taxi fahren: in der Schweiz aufrunden auf den nächsten Fünfliber, im Ausland auch mal mehr.

    • Tobias sagt:

      Ich fühle mich nur vorne sicher im Auto, auch als Beifahrer, ich bein einer dieser beliebten Mit-Chauffeure, die im Geiste mitsteuern (schweige aber, ausser wenns wirklich sehr brenzlig wird).
      Hier in Santo Domingo geben die Einheimischen oft kein Trinkgeld, aber bei diesen ausbeuterisch tiefen Tarifen, geziemt es sich, als Tourist welches zu geben. Die Dominikaner sind sehr kontaktfreudig, dass sie oft das Gespräch beginnen, auch Taxichauffeure. Hier sollte man immer den Tarif vor Besteigen des Wagens erfragen, ausser man kennt ihn. Er variiert je nach Anbieter.

  • Peter Sieber sagt:

    Dumm gelaufen wenn man ins Taxi steigt und der Fahrer fängt an über Fussball zu labern. Kein Interesse an dem Sport also auch keine Ahnung was gerade wichtig ist. Was tun? Dem Fahrer den Mund verbieten liegt wohl nicht drin, und die Fahrt ist eine ganze Stunde lang. Also auf die Zunge beissen und eine Stunde lang hmmm, jaaa, aha und wow sagen? So kann taxifahren zum Stress werden.

  • Meier sagt:

    Na ja, Berliner Taxifahrer in Ehren… Aber auch da hats welche, die wohl besser einer anderen Tätigkeit nachgehen würden! Ich wollte mir einen „alten“ Berliner Chauffeur angeln, wurde aber an den jungen Ausländer verwiesen – was mir eigentlich egal gewesen wäre, wenn nicht… Bitte zum Kranzler-Eck. Wohin wollen? Kranzler-Eck – beim Ku’damm. Ich nicht wissen. Okay, dann fahren Sie mal los… Er telefonierte rum auf Türkisch (?) während der ganzen Fahrt, hörte mir nicht zu, als ich ihm den Weg weisen wollte und fuhr auch prompt dann ans falsche Ort. Na ja, war ja nicht teuer… N.B. Bin CH 😉

  • Bea sagt:

    Wenn Sie das mögen: Quer durch Berlin mit einem echten Ost-Berliner, der die ganze Zeit rumzetert: Über Ausländer, über die schlechte Zeit und dass doch früher (in der DDR?) alles besser war. Der bei jeder Frau, die ein Kopftuch trug – und es waren doch einige – einen Anfall bekommt und sich gleich wieder über das „Pack“ auslässt. Ich als Ausländerin – ohne Kopftuch – fühlte mich in diesem Taxi also nicht wirklich wohl… Die Vergleiche mit Berlin hinken eben manchmal schon… Wie überall, gibt es auch da solche und solche… Es gibt sie nämlich auch in Zürich, die „alten“ Täxeler, selten zwar

  • Rob sagt:

    Ein wenig blöd ist es, wenn einen eine zwei Stunden vom Flughafen entfernte Firma mit dem Taxi abholen lässt. Und man den einzigen schwedischen Taxifahrer erwischt, der nur schwedisch kann.

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