Was Menschen am meisten bereuen

Liste

Vertieft in die Recherche für dieses Magazin, meine Damen und Herren, stosse ich bisweilen auf Trouvaillen, so via «Time Magazine» auf eine Liste der fünf Sachen, die Menschen auf ihrem Totenbett angeblich am meisten bereuen. Ich präsentiere Ihnen die übersetzten und kommentierten Top 5:

  1. «Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, so zu leben, wie ich wirklich bin, nicht so, wie andere es von mir erwarteten.»

    Kein Kommentar.

  2. «Ich wünschte, ich hätte nicht so viel und hart gearbeitet.»

    Na ja. Wenn ich mich so umgucke, kann ich nicht ganz glauben, dass es das in die Top 5 geschafft hat. Vielleicht war die Stichprobe verzerrt. Jedenfalls dürfte diese Wehklage berechtigterweise nicht von jenen Menschen zu hören sein, die neulich beim TCS einen Mietwagen für uns abwickelten.

  3. «Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken.»

    Der Ausdruck von Emotionen ist für die Ausdrückenden gewiss regelmässig schön und/oder befriedigend. Für die, die das hören respektive mitanhören müssen, leider nicht immer. Das ist die diplomatische Umschreibung für: Manche Leute sind betrüblicherweise ziemlich schlicht und sollten lieber die Klappe halten. Nicht ohne Grund sanktionieren gerade liberale Gesellschaften den Ausdruck negativer Gefühle wie Hass und Verachtung.

  4. «Ich wünschte, ich wäre in Kontakt mit meinen Freunden geblieben.»

    Hier liegt offensichtlich eine Verwechslung zwischen Freunden und Bekannten vor. Freunde sind die Menschen, mit denen man in Kontakt steht (und zwar ständig – wenn auch manchmal nur sporadisch oder telepathisch). Das andere sind Bekanntschaften. Da ist man bisweilen froh, wenn man die los ist.

  5. «Ich wünschte, ich hätte mir selbst gestattet, glücklicher zu sein.»

    Dem liegt die grundsätzlich richtige Erkenntnis zugrunde, dass der Mensch seinem Glück in der Regel selbst im Wege steht (paradoxerweise nicht zuletzt dadurch, dass er ihm hinterherrennt). Hingegen sollte gerade heutzutage, da eine florierende Glücksdeppenindustrie die abstrusesten Auswüchse treibt, an zwei fundamentale Weisheiten erinnert werden: 1.) Happiness is overrated. 2.) Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen. (Goethe)

    So weit dazu, meine Damen und Herren. Die selige Joan Rivers würde noch einen 6. Punkt anfügen: Ich wünschte, ich hätte dem Doktor das Smartphone abgenommen.

Bild oben: Haben Sie die fünf Sachen bereits notiert, die Sie am meisten bereuen? Foto: flickr.com

19 Kommentare zu «Was Menschen am meisten bereuen»

  • Julia King sagt:

    Genau! Alles (schon wieder) auf den Punkt gebracht 😉
    Es gibt nicht schlimmeres als „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“
    …und, nur als Randbemerkung zum Punkt 2, die meisten Leute glauben das tatsächlich!

  • Holger sagt:

    Herrlich

    Danke

  • Henry sagt:

    Wenn man dem geschätzten Mr. Wilde , den ich nächste Woche, wie immer wenn ich in Paris bin, besuche, Glauben schenken möchte, sind es eben die Dinge, die man nicht gemacht hat, welche man am meisten bereut. Andererseits halten einen doch zu Lebzeiten mehr als nur gesellschaftliche Zwänge davon ab, eben dies zu tun. Die Lösung ist die -hier verkürzte – Erkenntnis Thomas Manns: Nur der gleichgültige ist frei….

  • Lord Harry sagt:

    Für den Literaturclub wünsche ich Ihnen viel Spass! – Die im Web verfügbare Leseprobe von Dinaw Mengestu, Unsere Namen, finde ich formell recht bescheiden. „Auf der Busfahrt in die Hauptstadt legte ich alle Namen ab, die meine Eltern mir gegeben hatten“ (S. 8). Das ist keine Kunst! Auf dem Buchcover ist der Titel durchgestrichen. Das erinnert mich an Martin Heidegger, Zur Seinsfrage, Frankfurt/Main ²1959, wo Heidegger auf Seite 30 das Graphem Sein im Text einfach durchkreuzt und damit „die fast unausrottbare Gewöhnung, ‚das Sein‘ wie ein für sich stehendes … Gegenüber vorzustellen“, abwehrt.

    • Onno Quist sagt:

      Das durchkreuzte Sein nahm mich gestern Abend sehr Wunder, aber ich war zu faul, um im Web zu suchen. Stattdessen schlug ich gelangweilt irgendwo „Metaphysik und Mantik“ von Hogrebe auf. Dabei stiess ich auf den apophantischen Logos, unterschieden von der apomantischen Psyche (S. 193). Alsdann warf ich für das durchkreuzte Sein doch noch die Suchmaschine an. Google lieferte tatsächlich: Michael Schödlbauer, Psyche – Logos – Lesezirkel, 2000, S. 525. Nur: Die zuerst angezeigte Seite aus diesem Buch diskutierte phainesthai (S. 141) und eine Seite vorher apophainesthai (S. 140). What coincidence.

  • Philipp Rittermann sagt:

    eine elementare konfrontation mit einem thema, das in der 2. lebenshälfte nach antworten verlangt.
    1) …, dass ich nicht im mittelalter lebe
    2) …, dass mein glaube an die menschheit sehr beschränkt ist
    3) – genau so wie meine emapthie
    4) …, dass es zu viele mensche gibt, die das rückgrat gegen schnöden mammon tauschen
    5) …, dass ich öfter mal zufriedenheit mit ehrgeiz in verbindung bringe.

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.