Rätsel des Reisens

Viele Menschen stellen sich ständiges Unterwegssein sehr abenteuerlich und abwechslungsreich vor, und das kann es auch sein. Aber, wie jede Aktivität, besonders wenn sie in Permanenz ausgeübt wird, so hat natürlich auch das Reisen, selbst wenn es in mehr oder weniger zivilisierten, komfortablen Zusammenhängen erfolgt, seine langwierigen, schwierigen oder schlechterdings unangenehmen Momente, die ich Ihnen in dieser Kolumne erspare, sofern sie keinen Informations- oder Unterhaltungswert haben. Oder wenn sie zum soundsovielten Male auftreten wie der 728. Pseudogeschäftsmann im billigen Anzug, der auf einem eng bestuhlten Kurzstreckenflug seine Sitzlehne bis zum Anschlag nach hinten wirft und gleich nach der Landung sein Telefon einschaltet.
In solchen Momenten aber hält der Reisende inne und fragt sich: Wieso mache ich das eigentlich? Ich könnte ja auch was anderes machen. Und wenn das Gehirn mal auf diesen inquisitiven Modus geschaltet ist, tauchen gleich noch ein paar andere Fragen auf, die man schon lange im Hinterkopf hatte. Diese Kolumne ist, wie Sie wissen, meine Damen und Herren, stets um Aufklärung und Enträtselung bemüht, aber gelegentlich muss ich feststellen, dass selbst ein konsiderabler Erfahrungsschatz nicht hilft, bestimmte Fragen zu beantworten. Ewige Rätsel des Reisens. Und deshalb wende ich mich heute ausdrücklich an Sie, geschätzte Leserschaft, Reisende wie ich, wie wir alle. Bitte melden Sie sich, wenn Sie die Lösung für folgende ungeklärte Phänomene der modernen Fortbewegung parat haben – denn wenn man ihre Ursachen kennt, wird man ja mit den Widrigkeiten des Lebens irgendwie leichter fertig. Right? Here we go:
Wieso beurteilen die meisten Leute den Flug nach der Landung?
Wieso halten sich alle Leute sklavisch an die Konvention, dass man das vorderste Taxi in der Warteschlange nimmt, auch wenn einem der Wagen nicht zusagt? Sie kennen sicher alle das Phänomen, dass am Kopf der Taxischlange meist ausgerechnet dann, wenn man gerade ein Taxi braucht, regelmässig ein abgetakeltes Vehikel steht, das aussieht, als wäre es schon zwanzig Jahre lang im Dienst. Und die ersten fünfzehn davon in Mexiko-Stadt. Mir persönlich ist so was egal – ich persönlich jedoch habe eine Aversion gegen sogenannte Grossraumlimousinen. Ich brauche keine Grossraumlimousine, um befördert zu werden. Ich bin nicht Cee Lo Green. Also nehme ich bisweilen, wenn ich in Larry-David-Stimmung bin, einfach die Hybrid-S-Klasse, die in der Warteschlange regelmässig direkt hinter der Grossraumlimousine steht. Ich kaufe ja auch beim Metzger keine Dauerwurst vom letzten Jahr, bloss weil die schon länger da hängt.
Wieso müssen Bahnreisende unbedingt ihren reservierten Platz einnehmen, auch wenn bessere frei sind?
Wieso treten in den Sicherheitsfilmchen der Fluggesellschaften immer seltener richtige Menschen auf?
a) Wieso ziehen sich die Leute zum Reisen nicht mehr hübsch an?
b) Wieso läuft in Telefonwarteschleifen von Fluggesellschaften vorzugsweise Lionel Richie?
Im Bild oben: Reisende am Flughafen Zürich. (Bild: Keystone/Christian Beutler)
21 Kommentare zu «Rätsel des Reisens»
zum ersten punkt herr tingler, weil sie den flug überlebt haben, deshalb:) und dankbar sind dafür….
Zu 5
Grethe und Bleti können sich heute Flugreisen leisten! Die sind auch entsprechend gekleidet. Mich nervt das schon, ich gehe auch nicht in Leggins ins Theater.
Zu 3: reservierte Plätze verfallen 10 Minuten nach Abfahrt des Zuges. Wenn ich mich auf einen „besseren“ Platz setze und am nächsten Bahnhof jemand einsteigt, der den „besseren“ Platz reserviert hat, habe ich nicht mehr Anrecht auf meinen reservierten Platz. Also bestehe ich auf meinen Platz.