Frauen und die Pornografie der Gefühle

Wenn ein Jemand nach einer Trennung Bilder intimer Körperteile der Ex-Geliebten in Umlauf bringt, nennt man das Revenge-Porn. Neuerdings gibt es dafür auch ein weibliches Pendant. Es ist die öffentliche Enthüllung intimer Details aus dem Gefühlsleben einer gescheiterten Beziehung. Valérie Trierweiler hat das auf 320 Seiten getan: Im Buch «Merci pour ce moment» schildert sie ihre Zeit an der Seite von François Hollande, mit besonderem Fokus auf die unschönen Details rund um das Ende der Verbindung.
Dabei erzählt Trierweiler, wie sie aus einem Klatschmagazin von der Affäre des französischen Staatspräsidenten mit einer jüngeren Frau erfährt, wie sie ins Badezimmer stürzt, sich Tabletten in den Mund schaufelt, während Hollande sie daran zu hindern versucht. Früher hätte man es Melodram genannt, heute sagt man Pornografie der Gefühle.
In der Schweiz hatten wir mit der Affäre Geri Müller einen ähnlichen Fall. Der Politiker hatte sich auf intime Chats mit einer ihm nicht näher bekannten Frau eingelassen. Als er deswegen kalte Füsse bekam und sich zurückziehen wollte, drohte sie, mit dem Material an die Öffentlichkeit zu gehen. Zwar bestreitet die Frau ein Rachemotiv und legte gestern in einem langen E-Mail dar, sie habe lediglich aus Angst gehandelt, habe sich gewehrt, weil der Politiker eine «Jagd auf das Handy» veranstaltet habe. Die Publikation der Geschichte sei nicht in ihrem Sinn gewesen, weshalb sie sie zu verhindern versuchte. Auch habe sie das Material nicht selbst an die Presse weitergeleitet.
Tatsache bleibt, dass sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmtes Material gezielt Menschen gezeigt hat, von denen sie wusste, dass sie es gegen den Politiker verwenden würden. Das Resultat ist dasselbe wie beim Fall Trierweiler: zweimal verletzte Gefühle, zweimal die Bereitschaft, intime Momente mit dem vormals Geliebten der Öffentlichkeit preiszugeben.
Warum tun Frauen so etwas? In beiden Fällen stellen sie nicht nur ihre Partner, sondern auch sich selber in ihrer Verletztheit bloss. Der Partner hat sie belogen, betrogen oder sich auch nur aus der Beziehung verabschiedet, und sie konnten sich nicht dagegen wehren. Das ist vielleicht ungerecht und sicherlich schmerzhaft. Aber anstatt die Enttäuschung hinzunehmen, wehren sich diese Frauen mit dem Mittel, das ihnen bleibt: Sie denunzieren den Partner in der Öffentlichkeit. Vermutlich steht dahinter die Hoffnung auf Bestätigung, die Hoffnung, irgendjemand möge ihnen recht geben in der alles beherrschenden Empfindung, dass ihnen Unrecht widerfahren ist. Es ist die Rache der Ohnmächtigen, Schwachen und Verletzten, gewürzt mit einem guten Schuss Masochismus.
Klassischer Revenge-Porn funktioniert nach dem Muster des Heckenschützen: Der Täter zielt im Verborgenen, schiesst und macht sich unerkannt aus dem Staub. Die Rächerinnen gehen hingegen nach dem Prinzip des Selbstmordattentats vor: Um den anderen zu demütigen, sind diese Frauen bereit, auch sich selber zu erniedrigen. Um rechtfertigen zu können, dass sie die Türen zu den privatesten Momenten der Zweisamkeit aufstossen, müssen sie sich selber als ohnmächtiges Opfer eines skrupellosen Charakterlumpen inszenieren, das sich nur so wehren kann. In der Hoffnung, seinem öffentlichen Ansehen zu schaden, opfern sie ihre eigene Glaubwürdigkeit.
Die Selbsterniedrigung schmerzt offensichtlich weniger als die Tatsache, verlassen worden zu sein.
Bild oben: Frankreichs frühere Première Dame Valérie Trierweiler im vergangenen Januar in Indien.
41 Kommentare zu «Frauen und die Pornografie der Gefühle»
Sehr schön gesagt. Besonders Trierweiler, welche Hollande Ségolène Royal, der Mutter seiner 4 Kinder weggeschnappt haben soll, macht sich da völlig zum Affen. Es ist mir ein Rätsel, wie jemand über 15 so was idiotisches durchziehen kann.
Gar nicht schlecht, dass sie dieses Buch geschrieben hat. Es zeigt doch nur, dass Frauen oft als Wegwerfartikel behandelt werden und ihr ehemaliger Geliebter ein emotionsloser Feigling ist, der seine Gespielinnen einfach auswechselt nach Lust und Laune. Und so einer ist Präsident der „Grande Nation“!
Es ist ein seltsam moralinsaures Missverständnis, dass sich die Qualität eines Politikers/Regierungschefs an dessen Fähigkeiten als Liebhaber, Ehemann oder Vater bemisst. Dabei hat das natürlich nichts miteinander zu tun und führt vielmehr in diese heuchlerische Inszenierung von Familienidylle wie in den USA. Oder zum Irrglauben, dass eine Frau eine gute Familienministerin wäre, nur weil sie Kinder hat..
Frauen erniedrigen sich nicht selbst, indem sie sich verletzt zeigen, sie nehmen sich die Opferrolle und machen damit dem Mann zum Täter. Das ist die klassische Frauenrolle der Prinzessin, sie ist unschuldiges Opfer einer bösen Intrige und wartet auf Rettung durch einen Prinzen. Männer würden sagen „blöde Schl…“, Frauen heulen um auszudrücken, aber nicht zu sagen, „Männer sind Schw…“, das ist raffiniert, denn es verunmöglicht Argumentation darüber.
Emanzipierte Frauen anerkennen, dass in Beziehungskonflikten die Täter – Opfer Abgrenzung schwierig, wenn nicht unmöglich ist.
Hollande hatte eine tatsächliche Affäre, bei Müller kann man kaum davon sprechen. Zudem ist die Frau, welche die Bilder verschiedenen Redaktionen und Müller feindlich gesinnten Leuten vorstellte „damit sie nicht veröffentlicht werden“ bis heute ohne Namen, und deshalb auch nicht persönlich blossgestellt. Im Gegensatz zu Frau Trierweiler, die sich selbst als unreife Dramaqueen der Spitzenklasse outet, die mit ihrem Schmerz wohl auch noch etwas verdienen will, um den Verlust eines Mannes, den sie gar nicht gut findet besser zu verschmerzen… Ach. Emanzipation wäre schön…
Habe ich dazu etwas wichtiges zu sagen? Denn auch ich habe dieses Inserat auf Ronorp gesehen wo eine Frau nach Austausch erotischer Fantasien fragt. Es wirkte auf mich jedoch nicht authentisch genug flüsterte mir meine Intuition. Wie allgemein auf jener Plattform spielt sich alles zu sehr im Lyrischen Ich ab … Gehen wir doch zu den griechischen Legenden, die wussten ja eigentlich schon alles – diesbezüglich … hehehe da könnten gewisse Paranoiker eine schöne Verschwörungstheorie daraus flechten 🙂 … ‚tausende Jahre vorher wurde das Gerigate inszeniert‘, soweit die fiktive Schlagzeile. Zeu