Was tun gegen den Radioterror?

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Meine Frau und ich besuchen oft klassische Konzerte in der Stadt. Das Gehörte klingt jeweils noch lang in uns nach, und wir würden uns darüber auf der Heimfahrt gern austauschen. Das ist aber leider nicht möglich. Kaum hat unser Fahrer die Autotür zugeschlagen, wird das Radio eingeschaltet, und wir müssen uns laute Unterhaltungsmusik oder Sportnachrichten anhören. Kaum ein Wort kann gesprochen werden. Für die Reise mit dem ÖV müssten wir die doppelte Zeit einrechnen. Wegen der Abhängigkeit getrauen wir uns nicht, den durchaus netten Fahrer auf das Thema anzusprechen. Haben Sie uns einen Rat?
E. M. in R.

Lieber Herr M.,
was für eine Krux! Es spricht für Sie, dass Sie kein Radio hören mögen nach einem Konzert, schon gar keine Sportnachrichten. Man mag nicht so herausgerissen werden aus der Welt, in die man für zwei oder drei Stunden eingetaucht ist; nach dem Kino ist man ja oft auch noch eine Weile ein bisschen versunken und ganz woanders mit den Gedanken.

Ihr Fahrer mag ein Netter sein, aber er ist auch ein Pflock. Sie müssen also zu Methoden greifen, die vom pflock­artigen Wesen verstanden werden. Mit diskreten Hinweisen stehen Sie auf verlorenem Posten. Dieser Schlag Mensch ist ganz und gar taub auf der Tonlage der Dezenz.

Deshalb kommen Sie nicht darum herum, die Sache beherzt anzugehen. Seien Sie unerschrocken. Sagen Sie also ganz einfach beim Reinklettern ins Auto, Sie seien ergriffen. Das Konzert sei derart grandios gewesen, so fantastisch, Sie seien nachgerade körperlich erfüllt von Musik, ob es dem Fahrer nicht auch so gehe? Ob er nicht auch das Bedürfnis habe, das Ganze sozusagen nochmals vor seinem inneren Ohr Revue passieren zu lassen? Will er das nicht, haben Sie ihn immerhin thematisch am Wickel und können ihn in ein Gespräch verwickeln. Falls er dann doch das Radio anmachen sollte, bitten Sie ihn ganz einfach, das Ding auszumachen. Erklären Sie, der Bruch zwischen diesen chronisch erregten Sportjournalisten und Mozart oder Haydn oder Bach sei einfach zu gross und grad unmöglich zu ertragen. Lächeln Sie dazu. Das hilft immer.

7 Kommentare zu «Was tun gegen den Radioterror?»

  • Marina Trachsel sagt:

    Nach dieser Ankündigung sollten Sie es dann allerdings unterlassen, den Fahrer mit Geschichten zur Katze ihrer Grosstante oder ihrem eingewachsenen Zehennagel zu „beglücken“. Sonst könnte es sein, dass er das nächste Mal den Subwoofer auch einschaltet.

  • Columbo sagt:

    Meine Regel sagt, der Eigentümer bzw Fahrer des Autos bestimmt über das Radio. Das gilt in meinem Fahrzeug, und das respektiere ich als Gast bei anderen (Bezahlter Transport wie Taxi ist etwas anderes; wer zahlt, befiehlt natürlich).

    Selber auf’s Auto verzichten, sich dann aber, weil der ÖV einem halt doch zu unpraktisch ist, von einem Autofahrer mitnehmen lassen (anscheinend regelmässig) , und dann auch noch verlangen, dass dieser sich nach den Wünschen seiner Mitfahrer richtet, ist halt schon etwas viel. Siehe dazu auch das Sprüchli ueber das Weggli und den Fünfer.

    • Joerg Hanspeter sagt:

      Sie sprechen mir aus dem Herzen. Ich bin immer wieder überrascht, wie wenigen die einfachsten (Anstands-)Regeln verbreitet sind. Ein paar Beispiele, Kollege nimmt mich mit zur Arbeit, weil mein Wagen in der Garage ist, ich bin mehr als pünktlich am vereinbarten Treffpunkt, er tut mir einen Gefallen also soll er auch nicht auf micht warten müssen, Kollege leiht mir Geld, ich denke daran, oder mache mir eine entsprechende Notiz, damit ich ihm das Geld so bald als möglich zurückgeben kann usw.

    • Ellen sagt:

      Ich glaube es handelt sich um einen Taxifahrer. Oder Tixifahrer – bei denen würde ich eher auch nichts sagen, weil es ehrenamtliche Fahrer sind.

  • micha zötzl sagt:

    🙂 Schon verständlich, die Gefühlslage. Aber warum nicht einfach die Frage (man kann natürlich alles umumumständlich angehen) – ob es demjenigen der sich ans Steuer setzt, (egal ob Konzertmithörer oder Taxifahrer) etwas ausmachen würde, wenn das Radio nicht angeschaltet würde?
    Dann bekommt man im Bestfall die ehrliche Rückmeldung- und voila
    die Sache ist klar.
    Und will derjenige unbedingt Radio energy hören, nach dem Verlassen des Konzerts,
    dann ist es anstatt zu jammern wie: „aber er ist auch ein Pflock“
    eben das nächste mal sich selber hinters Steuer klemmen.

  • Jack Stoffel sagt:

    Während der letzten Bankenkrise erschien in den USA ein Blogbeitrag, in dem sich eine Frau mit geschrumpftem Reichtum bitter über ihren sozialen Abstieg beklagte, da sie sich nur noch eine billige Kosmetikerin leisten konnte, die – igittigitt! – zur Arbeit eine rosarote Schürze trug. Heute erfahren wir erschüttert vom grenzenlosen Leid, das Opernbesuchern widerfährt, weil „ihr“ Chauffeur Radio hört.

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