Der Vater und das tote Baby

Work in offices.

Es gibt Nachrichten, die einem direkt in die Knochen fahren. So ging es mir am Wochenende, als ich vom Fall des Babys aus La Chaux-de-Fonds hörte, das im Auto vergessen wurde und starb. Vermeldet wurde das in den Nachrichten am Radio. Mir fiel dabei vor allem die Formulierung auf: «Ein Elternteil» habe das Baby im Auto vergessen – ob Vater oder Mutter, blieb unklar.

Mir stellte sich auf Anhieb ein ganzer Wust von Fragen: Wie ist so etwas möglich? Wie kann man sein Kind einen ganzen Tag lang einfach vergessen? Welcher Elternteil hat das Kind vergessen? Und warum gibt die Staatsanwaltschaft darüber keine Auskunft ?

Ich wollte mehr wissen und erfuhr die Details schliesslich im «Blick». Dort war zu lesen, dass es der Vater war, der das Kind morgens in der Krippe hätte abgeben sollen, das aber anscheinend vergass, arbeiten ging und offensichtlich den ganzen Tag kein einziges Mal an sein Kind dachte. Die Staatsanwaltschaft, so war weiter zu erfahren, hatte die Öffentlichkeit zunächst nicht über den Fall informieren wollen, entschloss sich aber dazu, nachdem ein Radiojournalist nachzufragen begann. Allerdings legte sie sich auf die seltsame Formulierung des «einen Elternteils» fest und gab auch auf Nachfrage nicht preis, ob es sich um Vater oder Mutter gehandelt habe, wie die SDA bestätigte.

Klar ist, dass eine solche Nachricht starke Gefühle weckt, weniger gnädig ausgedrückt könnte man es auch Sensationsgier nennen. Klar ist auch, dass die Eltern auch ohne öffentliche Aufmerksamkeit schon genug belastet sind durch den Tod ihres Kindes. Mit diesen Argumenten lässt sich die defensive Informationspolitik erklären.

Dennoch bleibt offen, warum man die Sache in einer solchen Angelegenheit nicht beim Namen nennt: Ein Vater hat sein Kind im Auto vergessen. Fürchtete man die Gender-Diskussion, die Aussage, dass dies einer Mutter wohl nicht passieren würde? Provoziert man diese Diskussion nicht geradezu, indem man das Geschlecht verschleiert? Oder geht es tatsächlich niemanden etwas an, ob die Person, die den Tod des Kindes auf dem Gewissen hatte, der Vater oder die Mutter war?

Ich bin aber nach einigem Nachdenken zum folgenden Schluss gekommen: Wenn man schon informiert, sollte man auch präzise sein. Gerade um allfälligen Spekulationen nicht Vorschub zu leisten. So sinnlos dieser Tod war, so kann er wenigstens als Warnung an Väter dienen: Verantwortung für Kinder ist eine Aufgabe, die man ernst nehmen sollte – mindestens so ernst wie seinen Job. Sonst lässt man es besser bleiben.

Bild oben: Ein Mann in La Chaux-de-Fonds ging arbeiten und dachte kein einziges Mal an sein Baby, das noch im Auto war. Symbolbild: Keystone

111 Kommentare zu «Der Vater und das tote Baby»

  • urs sagt:

    und was ist die Schlussfolgerung? Dass Mütter den Job ernster als das Baby nehmen dürfen? Ansonsten der blog ja für die Füchse waren – es sei denn, dass Sie denken, dass Mütter das nicht passiert (aber eine kurze Google-Abfrage zeigt, dass es auch den Müttern passieren kann).
    Eigentlich hätte ich nichts geschrieben, wenn Sie nicht für mich das Licht in der journalistischen Nacht in der Sxchweiz wären…

  • Dieter Tobler sagt:

    Das war jetzt mal wieder eine verbale Breitseite gegen alle Väter. Dabei hätte man ja nur etwas besser recherchieren brauchen und hätte sofort herausgefunden, dass diese unglaubliche Nachlässigkeit offenbar auch schon Müttern passiert ist.
    Fällt einem beim Lesen einer so traurigen Nachricht tatsächlich die „Formulierung“ auf? Mit Verlaub, aber das klingt doch sehr gesucht. Daher mein Ratschlag: Immer mal wieder die Einstellung zum anderen Geschlecht hinterfragen, um zu verhindern, dass einem die eigene Weltanschauung nicht die Sicht auf die wirklich wichtigen Dinge „verschleiert“.

  • Patrick sagt:

    Es gibt Tragödien, die gehen die Öffentlichkeit nichts an! Auch die Presse sollte dies zur Kenntnis nehmen. Das sind nicht Leute von öffentlichem Interesse und meist sind sie genug gestraft auch ohne dumme Kommentare und der Hetze in Zeitungen. Bei Rettungseinheiten, Staatsanwaltschaft usw. gibt es relevante und irelevante Infos. Das Geschlecht ist nicht relevant in diesem Fall! Es gab änliche Fälle bei denen Mütter shoppen gingen und das Kind bei brütender Hitze im Auto liesen. Nebenbei: Gute Presse wäre wenn man so informiert, dass man Spekulationen keinen Platz liesse!

  • Martin Sutter sagt:

    Aus einer unglaubliche schmerzhaften Tragödie konstruieren Sie Ihr sattsam bekanntes und schon lange überholtes Männerbashing. Einfach billig, armselig, pietätlos.
    Ein Vater

  • Mike sagt:

    Ich erinnere mich an eine Mutter(Schwamendingen) die Ihre Kinder nicht angegurtet hatte. In einer scharfen Kurve fiel ein Kind raus und erlag an seinen Verletzungen.

    Möchte ich Kontraproduktiv sein und aggressive Gender-Machspielchen anzetteln, so schreibe ich Vater oder Mutter. Möchte ich jedoch neutral sein, schreibe ich ein Elternteil. Schlussendlich sind beide Elternteile in der Verantwortung gleichgesinnt.

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.