Geheime Tür am Flughafen

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Obschon ich so oft am Flughafen Zürich bin, meine Damen und Herren, dass ich da bei Starbucks schon Personalrabatt bekomme, entdecke ich dort immer wieder neue, faszinierende Sachen. OK: meistens. OK: ein Mal. Neulich. Nämlich diese Türe, die Sie da oben auf dem Foto sehen. Sehr versteckt in einem Winkelgang hinter etwelchen Waschräumen gelegen, führt sie laut Schild zum «Wealth Management» der UBS sowie zu den «UBS Executive & Entrepreneur Services». Sieht aus wie die Tür zu einer anderen Dimension. Als würde da jeden Moment ein kleines weisses Kaninchen mit einer Uhr durchspazieren. Attraktiv an dieser Tür ist ihre vollkommene Intransparenz. Angesichts des Pathos der Transparenz, dem unsere heutige Gesellschaft so übereifrig folgt, täte es Not, sich im Pathos der Distanz zu üben, dieser alten Tugend, auf die sich nicht zuletzt gerade die Banken wieder besinnen sollten, wenn Sie mich fragen. Um Byung-Chul Han zu zitieren: «Innerlichkeit, Spontaneität und Ereignishaftigkeit, die das Leben überhaupt ausmachen, sind der Transparenz entgegengesetzt. Ja gerade die menschliche Freiheit macht die totale Transparenz unmöglich. Eine transparente Beziehung ist ausserdem eine tote Relation, der jede Anziehung fehlt. Transparent ist nur das Tote.» Diese Tür jedenfalls ist es nicht.

Da wir vom Pathos der Distanz sprechen: Vorletzte Woche hat Lauren Bacall, eine der letzten Ikonen der sogenannten Goldenen Ära Hollywoods (die vom Ende des Stummfilms in den späten 1920ern bis zum Ende des Studiosystems in den 1960ern dauerte) ihr irdisches Dasein beendet. Es haben überhaupt einige Grössen des Unterhaltungsgeschäfts die Show beendet in letzter Zeit, am Sonntag Richard Attenborough.

Ich fand Lauren Bacall immer super cool, vom Anfang bis zum Schluss, als sie auf dem unwegsamen Gipfel ihrer 89 Jahre thronte. Einen der besten Nachrufe habe ich im «Daily Beast» gelesen: «Lauren Bacall was pragmatic, not modest», hiess es da, sowie: «And for the ninnies who try to make some tempered and therefore more ‚trustworthy’ statement (not a great actress but a great star, they say) I like to imagine Bacall lighting up a cigarette, and giving them The Look.» The Look, das war Bacalls Markenzeichen, eine Art Hypostase des Pathos der Distanz; dabei, wie manches Pathos, aus Unsicherheit geboren, jedenfalls nach Bacalls eigenem Zeugnis: «her legendary ‚Look’ — chin low, eyes glancing up in a come-hither but still better-than-you stare — was born out of a need to stop her head from trembling.»

Am Ende dieser Würdigung ein wundervoller, wahrer Satz: Even if they never ask, all great artists deserve a little thanks.

So thank you, Betty Bacall.

5 Kommentare zu «Geheime Tür am Flughafen»

  • Philipp Rittermann sagt:

    hinter diesen türen lauert das nackte grauen. meist in form von 70er-jahre holztischen mit sandwichresten, kippen, zerknitterten diensthemden, lippenstift und kondomen drauf. hier widerspiegelt sich die privatsphäre des fussvolkes der flughafenangestellten. im hinteren teil befindet sich ein gemeinschafts-wc in erbärmlichem zustand, und an der wand mit dem katzenbild und dem pin-up, befinden sich die schulhaus-garderobenhaken mit dem fleckigen veston. es riecht nach billigem after-shave und fuss-schweiss. lassen wir diese türen geschlossen und stellen keine fragen.

  • Meinrad Angehrn sagt:

    Oh, Starbucks bereits im ersten Satz! Im Anfang schuf nicht Gott Himmel und Erde; im Anfang ist Starbucks. Es gibt «Erfahrungen radikaler Anfänglichkeit, des Überwältigtwerdens durch Nichtvorhergesehenes und Nichtantizipierbares, wie sie im Ästhetischen, Emotionalen, Religiösen sich ereignen: das Aufblitzen des Bildes der Vergangenheit, die Plötzlichkeit einer Offenbarung, eines Schicksalschlags, einer Begegnung, einer Vision.» (Emil Angehrn, Die Frage nach dem Ursprung. Philosophie zwischen Ursprungsdenken und Ursprungskritik, München 2007, S. 25)

    • Ginger sagt:

      Warum bleibt bei einem so dramatisch spannenden Artikel um eine geheime Türe denn nur der Starbucks hängen…

    • Meinrad Angehrn sagt:

      @ Ginger: Meine Kenntnisse des Englischen sind zu dürftig, um den Rest des Artikels zu verstehen.

    • Viktoria sagt:

      Über gewisse Sätze im Text und obigem Kommentar könnte man, wenn man wollte, stundenlang brüten und Gehirnakrobatik betreiben. Doch hat nicht der Philosoph Rüdiger Safranski uns schon gewarnt: “ Die Sprache der Philosophen ist zum Teil pure Hochstapelei.“ Da brauche ich jetzt gerade einen Kaffee. Zudem ist mir das erfrischend unkomplizierte Konzept von Starbucks lieber, und ich würde dort notfalls auch einen Kaffee trinken gehen, falls ich keinen Italiener finde. In Norwegen ist übrigens nur der Starbucks Kaffee geniessbar.

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