Zivilcourage statt Täterschutz

In Bern geht ein Frauenhasser um. Falls sie keine Frau oder noch nie auf eine solche Figur gestossen sind: Das sind Männer, mit denen Aggression und sexuelle Frustration durchgehen, und für die alles Übel dieser Welt die Frau an sich ist, also jede Frau. Ausser vielleicht Mutti. Und so ziehen sie durch die Strassen und beschimpfen wahllos weibliche Wesen als hässliche Nutten, Schlampen und Ähnliches. Am liebsten gehen sie auf junge und attraktive Frauen zu, weil die sich selten wehren und leicht einzuschüchtern sind.

So auch der Aggressor in Bern, der in öffentlichen Verkehrsmitteln und auf offener Strasse sein Unwesen treibt. Einige der verbal Attackierten haben sich aber nun mit den Mitteln öffentlicher Kommunikation zur Wehr gesetzt: Auf Plakaten warnen sie vor dem Frauenhasser und seinem aggressiven Verhalten. Dies sei kein Aufruf zur Gewalt, heisst es auf dem Plakat, sondern eine Aufforderung an Mitreisende, Zivilcourage zu zeigen, sich hinter die angegriffenen Frauen stellen und dem Aggressor signalisieren, dass man solches Verhalten nicht toleriert.

Doch nun sind die Frauen wegen der Plakate in Konflikt mit der Polizei gekommen. Den jungen Mann mit Namen und Bild zu outen verletze seine Persönlichkeitsrechte, hiess es, ausserdem sei wildes Plakatieren illegal. Gegen den Mann vorgehen könne man allerdings auch nicht, da keine Strafanzeige vorliege.

Die Polizei muss sich zweifellos an die Gesetze halten. Doch was, wenn Gesetze die einzig vernünftige Reaktion auf einen solchen Frauenhasser verhindern, nämlich die Aufforderung zur Zivilcourage? Mit dem fadenscheinigen Argument, wildes Plakatieren sei illegal? Was, wenn Gesetze letztlich die Täter schützen?

Ich habe keine Ahnung, wie gefährlich der Berner Frauenhasser ist. Aber ich kenne den Typus. Meistens sind sie lästig, aber harmlos, weshalb auch niemand das Gefühl hat, man müsse gegen so einen vorgehen.

Und genau das ist falsch. Ich glaube, hier wäre Zivilcourage angezeigt, und zwar von den Männern. Nicht nur, weil es ritterlich ist, sich in einem solchen Fall vor die Frau zu stellen. Sondern weil Frauenhasser nur auf Männer reagieren. Wehrt man sich als Frau, wird man nur weiter beschimpft. Stellt sich aber ein Mann entgegen, ist es meistens aus mit der grossen Klappe. Und wenn ein Aggressor lernt, dass auch sein eigenes Geschlecht nicht gewillt ist, solches Verhalten hinzunehmen, hat das vielleicht zur Folge, dass er sich zurücknimmt.

Man mag von sozialer Kontrolle halten, was man will. Tatsache ist, dass der Mensch nicht nur ein Individuum ist, sondern auch ein Gruppenwesen. Es liegt in der Verantwortung aller, solchen Menschen zu zeigen, dass solches Verhalten eines Mannes nicht würdig und man deshalb nicht gewillt ist, es zu akzeptieren.

50 Kommentare zu «Zivilcourage statt Täterschutz»

  • Markus Notter sagt:

    Nein, es braucht keine (männliche) Zivilcourage in diesem Fall sondern ganz einfach eine Strafanzeige der betroffenen Frauen. Dann kann nämlich die Polizei aktiv werden.

    • Pierbattista sagt:

      Ach Herr Notter, solche Männer darf man als Mann ruhig etwas einschüchtern, vielleicht merken sie dann was für ein erbärmliches Leben sie führen.
      Wären sie nicht gerne für ein paar Minuten ein Kavalier?

    • Martin Müller sagt:

      Die Polizei wird nichts tun! Wie immer!

    • Anna sagt:

      Lieber Herr Notter

      NIcht, dass ich mich nicht auch selber wehren könnte, aber ich fände es aber schön, wenn in einer solchen Situation meine Mitmenschen reagieren würden und den Vorfall nicht einfach geflissentlich übersehen. Ich würde es Ihnen auf jeden Fall hoch anrechnen und wäre Ihnen dankbar. Eine Strafanzeige mag nicht jedermann einreichen nach so einer Episode (es gibt ja auch Fälle, wo Männer einfach beschimpft werden).

    • Franz Pfister sagt:

      Korrekt.
      Kann ja jede(r) ein Plakat aufhängen und irgendwas behaupten. Es obliegt nur der Polizei die Tatsachen zu eruieren und nur dem Gericht Massnahmen zu ergreifen. Wollen wir etwa Selbstjustiz?

  • SrdjanM sagt:

    „Am liebsten gehen sie auf junge und attraktive Frauen zu, weil die sich selten wehren und leicht einzuschüchtern sind.“

    Das verstehe ich nicht, lassen sich attraktive Frauen leichter einschüchtern als die hässlichen? Und liegt die Macht über die Klassifizierung allein beim Frauenhasser oder haben Sie dafür objektive Kriterien feststellen können?

    „Was, wenn Gesetze letztlich die Täter schützen?“

    Hätte man zuerst mit der Polizei das Gespräch suchen sollen?
    Das Plakat ohne Bild und Namen, dafür mit Beschreibung veröffentlichen?

    Aber Sie haben grundsätzlich recht.

    • Monica Ruoff sagt:

      Attraktiv heisst anziehend, damit muss nicht zwingend schön wie eine Miss World gemeint sein. Solche Typen fühlen sich von Frauen angezogen, die hilfsbereit, einfühlsam, freundlich, offen, zufrieden, eher schüchtern usw. in die Welt blicken. Als junge Frau halfen mir gegen solche Anmache ein von der Polizei angebotener Selbstverteidigungskurs, düster in die Welt zu blicken, zielgerichtet durch die Stadt zu marschieren und – leider – einen Ehering zu tragen, was von diesen Tätern sehr wohl beachtet wird, denn die fürchten sich vor einem Ehemann im Hintergrund. Schlimm, dass so was nötig ist!

    • Martin Frey sagt:

      Interessanter Punkt, SrdjanM. Fr. Binswanger ist da whs. wieder etwas in einem Rollen-Stereotyp hängen geblieben, so à la Damsel in Distress. Wirklich amüsant, dass das auch emanzipierten hochintelligenten Frauen wie der Autorin immer wieder passiert. Nicht dass ich mir nicht vorstellen könnte, dass so ein Typ sich seine Opfer aussucht. Und dass sich eine Walküre whs. auch besser wehren kann, und daher als Opfer wohl weniger prädestiniert ist. Zur Polizei aber muss man sagen, dass die wohl wenig verrichten können, und ohne Anzeige wohl gar nichts. An dieser Stelle hat Fr. Binswanger recht.

  • Albert Baer sagt:

    Der Mensch wird erst durch soziale Kontrolle (Feedback) sozial.
    Zur Gefährlichkeit: Ein solches Verhalten ist doch schon sehr auffällig. Die Täterdynamik entsteht in kleinen Schritten, dort ein Übergriff, hier eine Übertretung. Bekommt diese Dynamik nicht eins vor den Latz verfestigt sie sich und der Täter macht eine Täterlaufbahn, die dann in einer schweren Tat enden kann.

  • Corinne Bucher sagt:

    Frau Biswanger, ich bin mit Ihnen grösstenteils einverstanden. Vielen Dank für diesen Kommentar. Enttäuscht bin ich jedoch, dass Sie das so von den Populisten besetzte Wort „Täterschutz“ im Titel benutzen, um Ihr Missfallen kund zu tun, dass hier eben auch das gesetz eingehalten wird. Das haben Sie doch nicht nötig. Solch eine PLaktieraktion wäre ja auch ohne Bild und Namen des Täters möglich gewesen. Denn wenn er nicht „herumpöpelt“ muss ja auch niemand wissen wie er aussieht. Wenn er rumpöpelt, dann weiss man auch ganz schnell, dass er dies ist, ohne vorher ein Foto gesehen zuhaben.

  • Thomas Lieven sagt:

    Ich bin unsicher, ob ihr Artikel ironisch zu verstehen ist oder nicht…
    Falls ja, hätte die Ironie noch etwas klarer zum Ausdruck kommen müssen. Falls nein, möchte ich folgenden Kommentar abgeben: Ich stimme zu, dass die Welt mehr Zivilcourage braucht. Der vorliegende Aufruf dazu halte ich aber für missglückt. Sollte der Vorwurf gegen diese Männer tatsächlich stimmen, so werden sie durch diese Flugblätter bloss stigmatisiert und möglicherweise in ihrem „Frauenhass“ noch bestätigt. Eine Veränderung der Situation würde ich so nicht erwarten.

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