«Bin schon erregt»

Ich hatte mal eine Handarbeitslehrerin, die so aussah. Wie Geri Müller, meine ich. Damals gab es noch keine Selfies. Aber jenseits aller politischen Erörterungen, jenseits der Frage nach Moral und Motiven der Beteiligten ist die eigentlich psychologisch interessante Frage doch diese: Wie kann jemand mit dem Sex-Appeal von Geri Müller zu der Auffassung gelangen, seine Aussichten auf irgendeine Form zwischenmenschlicher Nähe dadurch zu verbessern, dass er Nacktfotos von sich verschickt? Denn, sehen wir den Tatsachen ins, äh, Gesicht (zur Abwechslung): Dass Geri Müller mit Nackt-Selfies seine Beziehungs- oder auch nur Sexchancen zu erhöhen hofft, ist doch ungefähr so, als würde Cristiano Ronaldo versuchen, junge Damen mit seinem Intellekt zu beeindrucken.
Oder erregte sich Geri tatsächlich zunächst mal vor allem selbst am eigenen Bild, wie “20 Minuten” herausfand? Diesfalls können wir eigentlich nur noch resignierend feststellen: OK. Es ist soweit. Die Kardashians haben unsere gesamte Kultur zerstört.
Egal, wie die Sache ausgeht: Vielleicht sollte Geri es inskünftig lieber mal mit so altmodischeren Methoden probieren, zum Beispiel mit dem Verschicken von Gedichten. Oder Blumen. Good luck, Geri. Ich habe überhaupt nichts gegen Nackt-Selfies unter frei entscheidenden Erwachsenen. Solange sie nicht von Leuten versandt werden, die aussehen wie meine alte Handarbeitslehrerin. Welche ich übrigens an dieser Stelle herzlich grüssen möchte.
Im «Blick» stand zu lesen, «Grüsel-Geri» habe «im Sex-Chat eindeutige Botschaften» geschrieben. Zum Beispiel: «Bin schon erregt.» Bin schon erregt? Meh. Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber ich muss sagen: Ich bin etwas enttäuscht von Grüsel-Geris Dirty-Talk-Qualitäten. «Bin schon erregt» – das wäre auch meiner Handarbeitslehrerin mutmasslich noch eingefallen.
So bestätigt uns Gerigate wohl doch vor allem wieder eine Einsicht, die viel älter ist als die Kardashians: wie pathetisch das Laster sein kann, wenn es nicht richtig gemacht wird. Denn auch das Laster will gelernt sein. Laienhafte Liederlichkeit zählt seit jeher zu den schlimmsten Blamagen. Und für solche Blamagen sind die technischen Möglichkeiten heute grösser denn je. Darinnen liegt die wahre, faustische Tragik von Gerigate.
Die persönliche Tragik von Geri Müller hingegen scheint eher darinnen zu bestehen, dass er sich jetzt als bedrängtes, genötigtes Opfer darstellt und peinliche Ausreden auftischt wie ein “Buchprojekt über erotische Phantasien”. Das verschärft die Blamage ins Schmerzhafte. Mag sein, dass die Dame irgendwann anfing, ihn zu belästigen. Das ändert aber nichts daran, dass Geri die Hosen runterliess. In seinem Amtszimmer. Hier fehlt ein bisschen die Kontrolle via Über-Ich. Das ist nicht gut bei einem Politiker. Und deshalb kauft man ihm auch die Scham nicht wirklich ab.
38 Kommentare zu ««Bin schon erregt»»
Genau die Frage, die Herr Tingler als die einzig interessante bezeichnet, stellte ich mir auch. Und ich würde es nichtmal an GMs Aussehen aufhängen. Überhaupt die Idee, Nackt- oder Genitalselfies (von Männern) hätten auf Frauen denselben Effekt wie umgekehrt (mal alles in hetero gedacht), ist eine kolossale aber doch recht weitverbreitete Fehleinschätzung. Das einzige, was ich dabei evt erregend finden könnte, ist meine Macht, also dass ich als Frau einen Mann dazu kriege, sich so zum Affen zu machen. Aber spätestens dann ist auch fertig mit der Attraktivität. Affen sind nicht besonders sexy.
gosse. geh haare schneiden!
Jemand hat mir mal gesagt, wenn wir alle keine Privatsphäre mehr hätten und alle gegenseitig unsere Harddisks und unsere Chatlogs ausspionieren könnten, würden wir feststellen, dass wir alle genau gleich langweilig sind und es wieder lassen. Irgendwie fühle ich mich bei der Geschichte daran erinnert. „Erregt“. Ogott. Sag doch gleich noch Geschlechtsverkehr.
Also, wenn ich in Baden leben würde, wäre die einzige Frage, die mich wirklich interessiert, ob er sich in meinem Sinne in die Politik einbringt oder nicht.
Wähnen wir uns alleine, machen wir doch alle Dinge, für die wir uns vor grossem Publikum schämen würden. Angefangen vom Nasenbohren und Ohrengrübeln, bis hin zum Richten der Hoden, wenn´s zwickt und klemmt beim Sitzen.
Dass er seine albernen Selfies allerdings in Amtsräumen – und wohl auch zu Arbeitszeiten – gemacht hat, ist sträflich dumm.
Dagegen scheint kein Amtsmissbrauch vor zu liegen und auf Suiziddrohungen MUSS er reagieren.
Ja, da kann man sich wohl fragen, wer denn diese so nachsichtigen, verständigen und verzeihenden Personen sind, die Geri Müller so in Schutz nehmen und seinen eigenartigen Umgang mit dieser Dame entschuldigen……. ist das grün-rotes Gutmenschentum, oder frönen diese einer analogen Freizeitbeschäftigung und verfügen über eine unterdurchschnittliche Compliance gegenüber ihren Pflichten?