Welche Autofarbe ist die beste?
Kennen Sie das, meine Damen und Herren? Sie stehen zum Beispiel an der Ampel und neben Ihnen hält ein Auto, das Sie eigentlich super finden, und dann denken Sie: «Aber die Farbe, die Farbe. Völlig falsche Farbe.» Weiss ist für mich so eine Farbe, die einfach viele Autos, um nicht zu sagen: jedes Auto ruiniert. Was A. A. Gill kürzlich im «Vanity Fair» über Hochzeitskleider schrieb, nämlich dass Weiss eigentlich niemandem stehe, lässt sich meines Erachtens ohne weiteres auf die automobile Karosse übertragen: Weiss ist unvorteilhaft. Per se. A priori, wie Kant sagen würde. Und zwar für jedes Auto. Mit der möglichen Ausnahme des Rolls-Royce Corniche. Oder doch nicht. Jedenfalls wenn er Siegfried und Roy gehört.
Was aber gibt es für allgemeinere Zusammenhänge von Auto und Farbe? Gibt es überhaupt welche? Na klar. Wir übertragen jetzt einfach mal nonchalant die wichtigsten drei Farben-Leitsätze aus der Garderobenwissenschaft. Als da wären:
1.) Männer über 35 müssen mit jeder Art von Farbe sehr vorsichtig sein. Dies gilt zunächst ohne weiteres und ungefiltert auch ganz pauschal für die Wahl ihrer Autofarbe. Farbige Autos stehen jungen Leuten. Denn die können alles tragen. Well, meistens.
2.) Komische Mixturen, die forciert unkonventionell wirken sollen, sind in der Regel bloss peinlich, zum Beispiel Anzüge in Leuchtfarben. Das automobile Äquivalent wären hier beispielsweise pastellfarbene Kleinwagen. Oder Rennstreifen auf französischen Grossraumlimousinen.
3.) Männer mit Übergewicht sollten gedeckte Farben tragen. Dieser auch als Helmut-Kohl-Regel (HKR) bekannte Leitsatz lässt sich ebenfalls ungebrochen in die automobile Welt übertragen: Grössere Fahrzeuge kreuzen vorzugsweise in dunkleren Farben auf: Anthrazit, Jagdgrün, Tiefseeblau. Hellgrau ist hier schon extrem. Gar nicht zu reden von Mittelbeige. Ein Fahrzeug in einem Ton wie Schwarz oder Nachtblau wirkt distinguiert, solide und seriös. Zugleich aber strafft Schwarz die Grösse. Alles Vorteile, die auch schon Helmut Kohl zu schätzen wusste.
Bestie oder bieder?
Wenn wir in diesem Zusammenhang von «grösseren Fahrzeugen» sprechen, dann beziehen wir dies in erster Linie auf das Karosserievolumen, nicht auf die Motorleistung. Denn gerade Sportwagen gehen gut in Farbe. Mutter Natur pflegt diejenigen ihrer Geschöpfe, zu denen man besser respektvollen Abstand wahrt, gerne mit Signalfarben auszustatten, und das automobile Äquivalent solcher Bestien sind schliesslich: Hochleistungssportwagen. Ferrari in Rot. Lamborghini in Orange. Pagani Zonda in Schwarz und Türkis. Eine Mittelklasselimousine (oder auch: ein Mittelklassesportwagen wie der Mazda MX-5) in solchem Kostüm hingegen wirkt kontraphobisch aufgetakelt, und das bedeutet: Hier soll Stärke nur vorgetäuscht werden. In der Natur spricht man von Mimikry. Funktioniert nicht immer. Bei Autos selten.
Dabei ist die Autofarbe natürlich vor allem eine Frage der Konvention. Vor gut zwei Dekaden, also so Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts, wirkten Klein- und Kompaktwagen in auffälligen Farben wie Lindgrün, Lachsrosa, Scharlachrot oder Zitronengelb tatsächlich frisch und originell. Heute wirken sie betulich, bieder. Es mag paradox klingen, aber gerade die Kompaktklasse sollte dringend eine De-Pimp-Strategie einschlagen, das heisst: von allem weniger. Weniger Farbe, weniger Gimmicks, weniger Pseudodesign, weniger Zirkus. Ein Kleinwagen ist ein Kleinwagen ist ein Kleinwagen. Übrigens sind in letzter Zeit tatsächlich dunklere Farben wieder im Kommen, wenn auch freilich eher für die etwas kräftigeren Gefährte: Braun, einstmals als undynamisch und spiessig verpönt, wird wieder ganz gern genommen; Bronze und Kastanie scheinen Eleganz und warmes Wohlgefühl auszustrahlen – und sind zugleich ein deutliches Indiz dafür, dass Autofarben der Mode unterworfen sind. Und jedenfalls, sehr zum Leidwesen der Verkehrserzieher, nicht dem Dogma der Sicherheit. Sicherheitstechnisch wären selbstverständlich helle Farben vorzuziehen, die besser wahrnehmbar sind. «Wer die sicherste Farbe fahren will, der sollte sich beim Autokauf für ein mintgrünes Fahrzeug entscheiden», habe ich im Interweb gelesen. Tja. Leider befinden wir uns nicht mehr im Jahr 1985. Oder zum Glück.
Mode braucht Labels
Nein, es geht um Mode, Zeitgeist, Image, Prestige. Und dann gibt es da noch die Farbpsychologie. Die statuierten Zusammenhänge zwischen Autofarbe und den Charaktereigenschaften des jeweiligen Fahrers bzw. Eigentümers übersteigen allerdings regelmässig nicht das Lieschen-Müller-Niveau der allgemeinen Farbenlehre. Das ginge dann ungefähr so: Mittelblau = fantasielos. Dunkelgrün = konservativ. Signalrot = impulsiv, kontaktfreudig, geltungsbedürftig. Und so weiter. Sie kennen die Platte. Demnach wäre der Halter eines grossen schwarzen Fahrzeugs selbstsicher mit einem Schlag ins Autoritäre, ehrgeizig und statusorientiert. Dann und wann aber kann er ganz souverän auf die Vorfahrt verzichten (das habe ich übrigens neulich bei einem Besuch auf deutschen Autobahnen, einer der letzten Bastionen der Freiheit, empirisch validieren können: Leute mit dicken Autos fahren gar nicht so schlecht – und gewiss besser als ihr Ruf). Und schliesslich landen wir wieder beim Gegenteil: Weiss. Das steht dem Vernehmen nach für: diskret, sensibel, pflichtbewusst. Die Halter eines weissen Fahrzeugs waschen angeblich ihren Wagen häufiger (na klar!) und respektieren die Strassenverkehrsordnung. Klingt nun nicht gerade nach Rock ’n’ Roll, wenn Sie mich fragen. All das (sowie der eingangs erwähnte Umstand, dass Weiss eben nicht gerade vorteilhaft wirkt) macht es irgendwie noch unverständlicher, dass Weiss erwiesenermassen eine der beliebtesten Autolackierungen ist, und zwar weltweit, mit leichten Schwankungen nach Kultur.
Apropos Kultur: Es gibt eine Folge von «Suburgatory», in der Dallas Royce, verkörpert von der wunderbaren Cheryl Hines (die gerade Robert Kennedy, Jr. geheiratet hat; also natürlich nicht in «Suburgatory», sondern IRL [= in real life]), sich die Zähne neu bleichen lassen will, und zwar auf Hochweiss. Sie fragt ihren Zahnarzt, wie die Farbe hiesse, und der antwortet: «Supremacy White». Und das bringt mich auf: Namen. Die Automobilindustrie ist bekanntlich in der Benennung ihrer Farbpalette ähnlich kreativ wie bei der Wahl von Modellnamen. Ich würde, dieser Linie folgend, hier gerne noch ein paar Vorschläge anbringen, nämlich beispielsweise für das erwähnte modische Rotbraun: «Elk Tongue». Oder «Grandfather’s Shoe». Oder, für einen etwas blasseren Ton mit einem Stich ins Gelbliche: «Old-Timey Football». Okay, diese Vorschläge sind streng genommen nicht von mir, sondern von Jack Donaghy und Liz Lemon, meinen Helden aus einer anderen Sitcom: «30 Rock». Wobei «Elk Tongue» als Farbbezeichnung tatsächlich existiert. Crazy, huh?
15 Kommentare zu «Welche Autofarbe ist die beste?»
Mein „Lieblingsauto“ wäre ein heruntergekommener Rolls oder Bentley, einem Chauffeur mit Rastalocken, und das ganze Hippie-Psychadelisch bemalt, mit einem grossen Stinkefinger auf der Kühlerhaube. Da sitze ich dann auf der Luftfederung bzw der darübergebauten Ledercouch, geniesse die Klimaanlage und vor allem die Ratlosigkeit der Gaffer, in welche Schublade sie mich denn nun einordnen wollen.
Bei mir ist die Farbwahl recht heikel. Einerseits bin ich im gesetzteren Alter, andererseits aber auch in der Midlife-Crisis (oder besser: Euphorie). Da müsste es wohl irgendwas im Stil von neon-beige sein. Gibt’s das?
Lassen wir es doch Henry Ford beantworten: „Jeder kann seinen Wagen beliebig anstreichen lassen, wenn der Wagen nur schwarz ist.“