Flüchtende Alkoholiker

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Wissen Sie, was ein bisschen wie Weihnachten ist, meine Damen und Herren? In dieser Kiste mit gestrandeten Drugstore-Produkten rumzuwühlen. Sie haben doch gewiss auch so was zu Hause, oder? Ich mache das manchmal, bevor wir verreisen, weil ich zum Beispiel diese Minitube Fenistil suche, und dann finde ich unterwegs vor zehn Jahren abgelaufenes Aspégic 1000, die Muscle Relaxants von Dr Nu, dem Hausarzt des Raffles in Singapur, Luxusproben von Kiehl’s Facial Cleanser, Schlafmasken von LAN, Ohrstöpsel aus dem Four Seasons Chicago (The Windy City!), kurz: den Beifang des Lebens. Ein kleiner Zahnarztspiegel, den mir mal mein wundervoller Zahnarzt geschenkt hat; ausserdem dieses Supi-Nasenspray, das wir bei CVS in Phoenix kauften und das 12 Stunden lang wirkt, Ende 2012 abgelaufen, aber ich bin da nicht so zimperlich, ich komme aus einer Arztfamilie und weiss: Bloss bei Antibiotika muss man die Verfallsdaten einigermassen ernst nehmen. Schliesslich: Shiseido Blotting Paper, was mir einst die österreichische Generalkonsulin geschenkt hat, und das bei all den schrecklichen Sachen, die ich immer über Österreich schreibe!

Das Ganze ist so ähnlich, wie wenn man in seinen Kleiderschrank eintaucht und etwelche Anziehsachen entdeckt, die man längstens vergessen hatte. Das ist ebenfalls immer eine Freude für mich. Jedenfalls für so 15 Minuten. Dann wirds belastend, wie jeder Besitz, und ich muss aufhören.

Apropos aufhören: In einem spanischen Regionalzug habe ich obiges Foto für Sie aufgenommen. Es handelt sich ganz offensichtlich um den Hinweis für die Ausgänge. Fällt Ihnen was auf? Das dem Ausgang zustrebende Männchen ist dicker als bei uns. Genau genommen zeigt dieses Piktogramm-Männchen die klassische Alkoholikerfigur: dünne Extremitäten und tonnenförmiger Rumpf. Sieht furchtbar aus. Wir brauchen dringend attraktivere Piktogramme in spanischen Regionalzügen! Das kann ja niemand mitansehen!

Apropos Alkoholiker: Bisweilen pflegen Richie und ich beim Einkaufen das Geld rauszuwerfen wie betrunkene Matrosen. Und «bisweilen» ist die diplomatische Umschreibung für: immer. Und während ich früher, wie schon erwähnt, den Preis einer Anschaffung, die übertrieben oder sinnlos oder blindmachend teuer schien, auf deren prospektive Nutzungsdauer in Jahren oder Tagen oder Stunden oder Minuten umzulegen pflegte, bis am Ende ein Betrag rauskommt, der ungefähr den Kosten eines Grande Iced Latte entspricht (eines meiner Standardgetränke bei Starbucks), so habe ich jetzt eine noch bessere Methode zur Gewissenserleichterung, und die geht so: Wenn Richie, der beste Ehemann von allen, mich liebevoll «Stepford Psycho» nennt, weil ich das Gefühl habe, dass wir dringend noch eine Garnitur Oxford-Bettwäsche von Ralph Lauren bräuchten, sage ich einfach: «Richie, lass uns diese Oxford-Kopfkissenbezüge kaufen, die kosten so viel wie ein Einkauf in der Migros.» Weil die Migros erstens im Ruf steht, günstig zu sein, und man zweitens das meiste, was man dort kauft, verspeist. Während man von den Kopfkissenbezügen länger etwas hat. Oder ich sage: «Das kostet doch nur so viel, wie wir gerade für Haarprodukte bei Aesop ausgegeben haben.» Das ist aber nicht ganz so überzeugend. Oder doch? You figure it out. Bis übermorn.

7 Kommentare zu «Flüchtende Alkoholiker»

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