In Würde altern

IMG_1939

Also, ich bin so am Flughafen, meine Damen und Herren, und bevor ich in die Maschine steige, schaue ich noch in dieser einen Buchhandlung die Bildbände durch, direkt vor dem Gate, darunter das hübsche Buch «Places and Spaces I’ve Been» von Pharrell Williams, und einer dieser Places und Spaces war offenbar Karl Lagerfeld. Ich sehe also dieses Bild von Herrn Lagerfeld, 80, in besagtem Buche (oben für Sie ein Schnappschuss der Seite, vor Menschen, die aufs Flugzeug warten) und … Ich weiss nicht. Ist das «redefining cool»? Sie wissen ja, ich finde, Karl Lagerfeld ist eine Bereicherung für die oft überraschend langweilige Welt der Mode, aber sich in dem Alter so fotografieren zu lassen, gehört sich nicht und wird sich nie gehören. Das ist auch nicht rebellisch oder unkonventionell. Es ist einfach nur ein bisschen peinlich. Er sieht aus wie der Bösewicht aus einem Disney-Film.

Apropos peinlich: Ein bisschen peinlich sind ja auch immer diese Fussballauftritte von Frau Merkel. Oder, wie die deutsche «Tageszeitung» schrieb: «Niemand vermag nur durch ruckartiges Heben beider Fäuste derart subtil Gefühle auszudrücken wie Angela Merkel.» Aber auf besagtem Flug habe ich in irgendeiner Zeitung gelesen, dass bei der jüngsten Umfrage des deutschen Meinungsforschungsinstituts Forsa Frau Merkel und die CDU zwei Problemlösungskompetenzprozente gewonnen haben, was laut Forsa-Chef Manfred Güllner daran läge, «dass die Kanzlerin mit ihrem Besuch des deutschen Teams bei der Fussball-WM wieder einmal zeigt, dass sie die Menschen und deren Interessen ernst nimmt». Wozu die «Berliner Zeitung» schrieb: «Die Bürger haben also das demoskopisch erwiesene Bedürfnis, regelmässig eine ungelenke, vollreife Dame inmitten halbnackter junger Männer betrachten zu können.» Tja. In Würde altern. Wird auch Politikern und Politikerinnen nicht immer leicht gemacht.

Ich war nämlich unterwegs nach Berlin, wo ich eingeladen war zum «Future Talk» eines bekannten deutschen Automobilherstellers; eine Veranstaltung, die sich mit Robotik, autonomen Fahrzeugen, Mensch-Maschinen-Kommunikation und anderen faszinierenden Phänomenen unserer näheren und ferneren Zukunft befasste, und übrigens auch am Rande schillernde Fragen aufwarf, jedenfalls für mich, zum Beispiel die Frage: Kommen Clogs wieder in Mode? Und was bedeutet das für Lebensformen als normativ geprägte Problemlösungsstrategien? Auf dieser nachdenklichen Note entlasse ich Sie für heute. Kommen Sie gut durch den Tag. Bis übermorn.

6 Kommentare zu «In Würde altern»

  • Heiner Hug sagt:

    Ich weiss nicht Herr Tingler. Mich nerven sämtliche Stil-Päpste, selbst wenn sie recht haben. Brauchen wir eine Welt der Etikette? Ist das nicht entsetzlich langweilig?
    Können Sie mir sagen: Was an Gutem fördert diese Forderungen nach uniformiertem Denken? Lieber kreativ und spontan – und auch mal völlig daneben -, als von Zwängen und Normen geprägt.
    Wieso sollte ich, sollte irgendjemand etwas nicht tun, was ihm Spass macht? Ich finde, selbst die Stillosen bereichern das Universum, denn sie bieten Ungerhaltungswert und befreien uns von zermürbenden Perfektionismus.

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.