Sünden der warmen Jahreszeit

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Heute, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen in unserer Mittwochs-Rubrik ein Bild präsentieren, was ich nicht selbst geschossen, sondern zugesandt bekam, verbunden mit der Frage: Was macht man da? Also: Wie soll man reagieren, wenn man draussen sitzt, jetzt, wo es schön ist (oder sein sollte) und warm, im Restaurant, beim Abendessen, und am Nebentisch entledigt sich jemand seines Schuhwerks? Ich reiche die Frage an Sie weiter, liebes Publikum, und erwarte gerne Ihre Vorschläge.

Apropos warmes Wetter: Einige Herren nehmen das zum Anlass, ihr Hemd lose über der Hose zu tragen, und dies ist nun etwas, was, obschon es simpel und leger klingt, sich im Grunde nur sehr wenig Leute erlauben dürfen. Es ist in der Tat ungefähr so heikel wie weisse Lederhosen. Die meisten Typen, die das machen, sehen anschliessend bestenfalls aus wie Stephen Mangan in «Episodes». Also nicht gut. Das zugeknöpfte Hemd über der Hose lässt sogar Figuren problematisch erscheinen, die im Grund gar nicht problematisch sind.

Nicht ohne Grund wird diese Variante des Hemdentragens favorisiert von einem der fürchterlichsten Prototypen des Verlierers, dem Kleinkunst-Äquivalent eines Selbstmordattentäters: dem deutschen Comedian. Hier liesse sich, sofern das noch eines Augenscheins bedürfte, also bereits am äusseren Aufzug einmal mehr besichtigen, was deutscher Humor ist, nämlich regelmässig: more embarrassing than funny. So stand es im «Economist», der unlängst dem weltbekannten deutschen Humormanko, das in Zeiten der globalen Mobilität auch weltweite ökonomische Auswirkungen hat, einen Beitrag widmete (was wir letztes Jahr hier auch schon taten, inspiriert von Peer Steinbrück, dem deutschen Clown).

Herrje, überall Mankos und Falschheiten, und ich höre mich schon wieder an wie ein verbitterter Strickjackenträger (nichts gegen Cardigans, übrigens) – aber es gibt ja zum Glück auch immer wieder ziemlich wundervolle Sachen und Erscheinungen, zum Beispiel Susanne Klickerklacker. An die ich mich neulich plötzlich erinnert habe, als ich gedankenverloren in irgendeiner Lounge auf irgendein Flugzeug wartete. Und dann habe ich mich ins Interweb begeben, dieses süsse Monster, und Susi da wiedergefunden. Und Richie, der beste Ehemann von allen, der gerade die Butthole Surfers hört, findet, ich hätte so eine Art an mir, die sei so ein bisschen wie Susanne Klickerklacker. Und so kämpfe ich weiter für eine bessere Welt! Bis übermorn.

31 Kommentare zu «Sünden der warmen Jahreszeit»

  • Anh Toan sagt:

    Mich interessiert der Unterschied zwischen einer Strickjacke (für „verbitterte“) und einem Cardigan („nichts dagegen“).

    ?

    Zum Schuhthema: Jemandem, der sich im Café, im Sommer wenn es heiss ist, seiner Schuhe entledigt, gebührt Bewunderung: Es ist ein Held der arbeitenden Klasse, der sich für kurze Zeit von den Zeichen seiner Unterdrückung durch das Kapital befreit, davor und danach trägt er dies, genauso wie eine Krawatte, als Zeichen seiner Unterdrückung durch das Kapital. Ohne Schuhe steigert dieser Mann gerade kein Bruttosozialprodukt, ohne Schuhe ist er frei!

    • Dieter Duden sagt:

      Kleine Lesehilfe gefällig? Ich zitiere: « … ich höre mich schon wieder an wie ein verbitterter Strickjackenträger» schreibt der Autor, der dann nachschiebt, er habe ja persönlich gar «(nichts gegen Cardigans, übrigens)». Ein- und dieselbe Person (Tingler, aka Klickerklacker) berichtet über ein- und denselben Gegenstand (Strickjacke, aka Cardigan). Alles klar soweit?

    • Anh Toan sagt:

      @Dieter Duden: Ja, jetzt ist alles klar:

      Der Herr Doggter hat also nichts gegen Strickjacken, nur etwas gegen deren Träger, die er als verbittert beschreibt (Adjektiv passend zum Strickjackenträger.

      Ich habe, ganz unpersönlich, etwas gegen cardigans, nur Debardeurs sind noch grässlicher.

  • Hanspeter Meier sagt:

    Klar, wenn es stinkt dann soll der Täter gefälligst seine Füsse eingepackt lassen.
    Ansonsten, wo liegt das Problem?
    Ich vertrete da auch eher die Meinung von Mark Angler.

    Statt sich grundlos über andere zu echauffieren würde man besser etwas Selbstreflektion betreiben. Dann hätten wir vielleicht etwas weniger totale Egomanen die sich sofort und überall benachteiligt fühlen.

  • Fred sagt:

    Mein Hemd ist nie in der Hose, ausser wenn, selten, mit Krawatte getragen.

    • Peter Meier sagt:

      Hr. Tingler versteift sich da beim Hemdtragen etwas zu sehr. Das lockere über-der-Hose-tragen ist zum Beispiel in der Karibik üblich. Ältere sehr distinguierte Herren machen das und rauche dazu ein Zigarre oder trinken einen Rum.
      Im sommer hier ein bisschen karibisches Flair verbreiten mit einem schönen locker getragenen weissen Hemd ist perfekt. Klassisch getragene Hemden wirken da steif und seriös. Meinen Respekt denen, die so wirken wollen oder müssen, cool ist es nicht !

  • Ellen sagt:

    Letztens in Mailand gesehen: Anzug mit Edelflipflops – sah echt super aus. Der Typ natürlich auch, so modelmässig. Ich bin für etwas mehr Flexibilität was die Kleiderfrage angeht.

  • henriette sagt:

    Um Restaurants, in denen Menschen zu vermuten sind, die sich ihrer Schuhe entledigen, einen ganz großen Bogen machen.

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