Trinken bis zum Umfallen

Die Fussball-Weltmeisterschaft läuft auf vollen Touren, meine Damen und Herren, und der Handel immer mit, wie Sie auf obigem Foto sehen. Dazu eine kleine Warnung, die man eigentlich, wie bei den Zigarettenschachteln, auf die Verpackung von diesen Minikühlschränken drucken sollte: Nur wenige Besitztümer rufen lauter «Loooooser» als so ein Bierkühlschrank neben dem Grossbildfernseher. Am lautesten ruft der mit dem AC/DC-Motiv, als hätte das Saufen auf dem Sofa irgendeinen Rock-’n‘-Roll-Aspekt, ein typischer Verliererirrtum.
Da wir von Genussmittelkonsum sprechen: Ich möchte Ihnen gerne ein erstklassiges Stück aus dem «Guardian» ans Herz legen über die neueste Ernährungsmode, jenes Phänomen namens Clean Eating. Was, werden Sie fragen, bitte soll Clean Eating sein? Dies wird im «Guardian» wie folgt beantwortet: It means joylessness, piety, self-regard, self-delusion and staggering pomposity. Gwyneth Paltrow «eats clean», which tells you all you need to know. Und lesen Sie dazu bitte unbedingt auch noch die zeitlose Würdigung der Kochbuch-Selbstparodie von Gwyneth Paltrow durch die wundervolle Hadley Freeman im selben Blatt. Frau Freeman schreibt dort unter anderem:
Weil ich mich weigere, zu glauben, dass irgendjemand so bizarr agieren kann wie Gwyneth Paltrow, möchte ich vermuten, dass sie eine Art gigantische Satire aufführt, in der sie selbst als Parodie der zeitgenössischen Berühmtheit auftritt. Denn Gwyneth Paltrow verkörpert in geradezu übertriebener Vollendung die klischeehaften Eigenschaften und Handlungsmuster dessen, was man heutzutage «Celebrity» nennt. 1. Eine Obsession mit Ernährung, Diäten, Fitnessregimen und irren Theoriegebäuden zu diesen Themenkreisen. 2. Eine wahnsinnig engstirnige Perspektive auf die Welt aus einer Position der Privilegiertheit. 3. Absurde Namensgebung für den Nachwuchs. 4. Eine unglückliche Tendenz zum anbiedernden Gebrauch verbaler und gestischer Versatzstücke der Hip-Hop-Kultur («biatch»). – Das Ergebnis dieses Auftretens besteht darin, dass Frau Paltrow inzwischen für die von ihr inszenierte Parodie einer Berühmtheit weitaus mehr öffentliche Aufmerksamkeit zuteilwird als seinerzeit, da sie tatsächlich eine Berühmtheit war. Natürlich ist ein grosser Teil dieser Aufmerksamkeit negativer Art, aber wenigstens handelt es sich um Aufmerksamkeit, und auch die Verwandlung in eine lächerliche Figur kann ein lukratives Geschäft sein.
So weit der popkulturelle Abriss für heute, liebes Publikum, unter besonderer Berücksichtigung des Wesens der Berühmtheit in seiner gegenwärtigen Aktualisierung. Bis übermorn.
4 Kommentare zu «Trinken bis zum Umfallen»
Danke Herr Tingler für den hübschen Artikel….
Als hätte AC/DC irgendwas mit Rock’n Roll zu tun.
Dass Sie zum Thema Kühlschrank Gwyneth Paltrow assoziieren, wundert nicht. Gegen sie war Doris Day eine Sexbombe. Besonders grotesk wirkte Paltrow als Freundin des göttlichen Jude Law in „The talented Mr Ripley“. Allerdings nicht fehlbesetzt, denn die Romanfigur Marge wird von Tom Ripley (pretty gay? Man wird es nie erfahren!) ja auch als nervig und unerotisch gesehen. Guter Artikel, Herr Tingler, wie stets. Macht auch immer wieder Spass, Ihre älteren Blogmag-Sachen zu lesen. Bis übermorn, definitiv.
Wenn einem vor der Deadline nix einfällt, gibt’s immer noch AC/DC, Bierkühlschränke und Gwyneth Paltrow?
Frustrierenderweise trotzdem ein gelungener Text. Ich find’s eine Frechheit, dass Sie das können.