Wie sieht man auf Fotos gut aus?

Neulich, meine Damen und Herren, liebe Kinder, haben wir ja schon mal die Frage gestellt: Wann sind Fotos peinlich? Und nun die Gegenfrage: Wann sind Fotos gut? Genauer: Wann sieht man auf Fotos gut aus? Aus Fotogenität wird ja gerne ein Mysterium gemacht, dann ist die Rede davon, dass so ein Je-ne-sais-quoi vonnöten sei, das gewisse Etwas eben, yadayadayada. In der Tat kenne ich ein paar ganz attraktive Menschen, die auf Fotos regelmässig aussehen wie Kim Schmitz. Oder so, dass Diane Arbus diese Fotos in den Too-Creepy-Ordner sortiert hätte. Das muss sich doch vermeiden lassen! Und jetzt steht auch noch das jährliche Weihnachtsbild vor der Tür (falls Sie diese hübsche Tradition pflegen). Daher folgen nun hier für Sie, meine Damen und Herren, liebe Kinder, ein paar konzise Hilfestellungen für hübsche Fotos (ohne dass Sie gleich zu drastischen Massnahmen greifen müssen, indem Sie beispielsweise den gleichen Filter benutzen wie die selige Elizabeth Taylor in ihren späten Parfümwerbespots, indem Sie sich beispielsweise eine halbtransparente Plastiktüte vors Gesicht halten). So here goes:
- Haltung ist die halbe Figur
OK, Licht ist doch nicht alles. Zwar beinahe, aber nicht ganz. Auf Platz 2 folgt mit gehörigem Abstand: der Winkel. Und zwar jener Winkel, aus dem Ihr Gesicht aufgenommen wurde, sowie überhaupt die gesamte Perspektive, in der Sie Ihre Figur präsentieren. Jedes, absolut jedes Gesicht hat eine bessere Seite; finden Sie Ihre heraus. Notfalls indem Sie eine Person Ihres Vertrauens konsultieren (nicht Ihre Mutter). Im Zweifel sollten Sie Ihr Gesicht beim Fotografiertwerden leicht senken (es sei denn Sie haben ein Kinn wie Kim Schmitz), so dass man nicht in die Nasenlöcher sieht, und etwas drehen, dann sieht es weniger rund aus (es sei denn Sie haben eine Nase wie Rossy de Palma). Was Ihre Haltung angeht, so sollten Sie, sofern Sie nicht Snooki sind, übertriebenes Posieren vermeiden, jedoch grundsätzlich auf Fotos die gleiche Haltung zeigen, mit der Sie überhaupt durchs Leben gehen sollten: Brustbein raus, Schultern setzen. Falls Sie auf dem Foto stehen, können Sie ein Zusammensinken Ihrer Positur dadurch verhindern, dass Sie einen Fuss ein wenig nach hinten stellen. Versuchen Sie es vor dem Spiegel. Nein, nicht jetzt. Erst wenn Sie ausgelesen haben.
- Die andere Hälfte der Figur ist: Bauch
Wir alle kennen sie vom roten Teppich. Den laufen sie runter mit jenem spezifischen Gang, den man «stroll», «swagger» oder «strut» nennt, pausieren im Blitzlichtgewitter, legen mit tänzerischer Präzision eine kleine Drehung hin und zeigen die gebleichten Zähne. Und dann erscheinen sie auf den Best-Dressed-Listen vom «National Enquirerl» bis «Us Weekly». Und was lernen wir daraus? Folgendes: Falls Sie auf Fotos schlanker aussehen wollen, machen Sies wie die Prominenz und Pseudo-Prominenz auf dem roten Teppich: Stellen Sie sich in einem Winkel von etwa 45 Grad zur Kamera auf und dann drehen Sie sich ein wenig aus der Taille zum Fotografen. Der Trick ist alt, aber wirkungsvoll. Es sei denn, Sie haben das Volumen von André Leon Talley. Dann hilft nur noch ein Muʻumuʻu.
- Die Aufmachung
Wie im wahren Leben, so gilt ebenfalls für dessen fotografisches Abbild: In der Regel wirken Sie überzeugender in Anziehsachen, die Sie gerne anhaben. Tragen Sie für wichtige Bilder etwas, das Ihnen gefällt, das erprobt ist – und dunkel. Die dritte Eigenschaft – gedeckte Farbe – ist die wichtigste und sticht die beiden anderen im Konfliktfall aus. Sie wollen schliesslich nicht aussehen wie eine Süssigkeit oder Südfrucht. Speaking of fruits: Wenn Sie Make-up tragen, sollten Sie dunkle Töne hingegen vermeiden, denn die wirken auf Fotos noch dunkler. Und hier ist weniger wirklich mehr. Denken Sie an die alte Weisheit: Liebes, so viel Rouge nimmt man nicht mal bei Leichen.
- Der gute Rat zum Schluss
Das hat mir mal eine liebe Freundin und ranghohe Diplomatin verraten: Wenn Sie aus irgendeinem Grunde nicht wünschen, dass ein verwendbares Bild von Ihnen geschossen wird – schliessen Sie die Augen. (Achtung: Auch das garantiert heutzutage leider nicht mehr unbedingt die Nichtverwendung. Die Zeiten sind härter geworden. Besonders vor der Linse.)
- Licht ist alles
Oft scheiden sich die Geister daran, ob nun Schwarz-Weiss- oder Farbbilder oder solche mit Hipsta-Spezialeffekten a priori die besten wären – doch in der Tat ist das Wichtigste: Licht. Und hier lautet die Grundregel: Blitzlicht kann mitleidlos sein. Besonders wenn es nicht kontrolliert, also beispielsweise im Studio, zur Anwendung kommt. Versuchen Sie im Zweifel auf Blitzlicht zu verzichten – und übrigens auch auf zu viel natürliches Licht. Bilder, die zur Mittagszeit in sonnigen Gefilden aufgenommen werden, sind in der Regel die grausamsten.
Im Bild oben: Alle Jahre wieder werden mehr oder weniger traditionelle Weihnachtsportraits geschossen. (Bild: Flickr/Carlos Almendarez)
6 Kommentare zu «Wie sieht man auf Fotos gut aus?»
wir machen keine fotos mehr. dies hat gründe.
1) zu beginn es festes hat keiner bock fotos zu schiessen
2) während des festes hat keiner zeit fotos zu schiessen
3) am ende des festes ist keiner mehr in der lage fotos zu schiessen.
und das ist auch besser so.
und das ist auch gut so!
Danke für die Anregung, gleich von Anfang an zu verzichten. Sonst kommt doch noch meine Angetraute (irgendwo zwischen Ihren Punkten 2 und 3) auf die Idee „jetzt hast Du die Kamera immer noch nicht geholt“ und meine 85jährige Mutter bringe ich trotz Kerzenlicht, Blende 3 und Photoshop, inkl. Tipps von Dr.Tingler, einfach nicht dazu, zu lächeln wie Michelle Hunziker….
Ich sehe immer sche8sse aus auf solchen Fotos;…der Grund ist: meistens nervt mich was und ich habe leider nun einmal kein Pokerface…
Dieses Jahr kann mir auf den Weihnachtsfotos überhaupt nichts Schlimmes passieren. Denn ich werde zum grossen Fest eine Käuzchenmaske tragen. 8) Und ausserdem meine Sonnenbrille bereit halten.
Und noch einen Rat an die Weihnachts-Fotografen: bitte NIE NIE NIE die Leute beim Essen fotografieren. Beim Kauen sieht niemand gut aus. Nicht mal Gisele Bündchen.
Herr Tingler, hier noch eine Anmerkung: bei Ihrem ersten Blogeintrag habe ich erbost Kritik geschrieben, und seither hat sich das Blatt gewendet. Ich lese ich Ihre Blogeinträge sehr gerne und muss manchmal im Büro lauthals lachen. Glückwunsch.