Das Glück der Kinderlosigkeit

WALK OF FAME, STERN,

Es ist ein schlichter, aber grosser Satz: Ich hatte nie das Bedürfnis, Kinder zu bekommen.“ Das sagte Schauspielerin Helen Mirren vergangene Woche gegenüber dem amerikanischen Magazin AARP. Bemerkenswert ist der Satz auch deswegen, weil die 69-Jährige ihn immer und immer wieder äussern muss, weil sie immer und immer wieder danach gefragt wird: Warum haben Sie keine Kinder?

Es scheint, als ob Mirrens Modell in unserer Gesellschaft nicht vorgesehen ist: Frauen, die freiwillig kinderlos bleiben. Nicht weil sie nicht konnten oder weil sie keinen Mann fanden. Sondern weil sie nicht wollten. Und dazu mit ihrer Entscheidung glücklich sind. Tatsächlich hängt die Kinder- beziehungsweise Mutterschaftsfrage wie ein Damoklesschwert über der modernen weiblichen Existenz. Soll ich? Wenn ja wann und wie? Oder doch nicht? Werde ich es später bereuen? Wie man es auch macht, die Frage bereitet fast allen Frauen irgendwann schlaflose Nächte, denn das Ganze gilt mittlerweile als Schicksalsfrage der weiblichen Existenz.

Neulich unterhielt ich mich mit einem bekannten Chefredaktor darüber, wie es kommt, dass  Mädchen in Schule und Ausbildung den Jungs oft weit voraus sind, um dann grossmehrheitlich doch nicht an die Spitze durchzumarschieren. Warum die in der Pubertät so verloren wirkenden Jungen die Mädchen noch immer irgendwann einfach überflügeln. Weil ich keine Lust hatte, mich in Detailfragen darüber zu verlieren, sagte ich es möglichst einfach. Es hat meiner Meinung nach damit zu tun, dass Männer daran gemessen werden, was sie beruflich erreichen. Frauen können wählen. Wenn sie wollen, können sie Karriere machen. Aber sie haben immer noch die andere Möglichkeit, nämlich Kinder zu bekommen, was für viele Frauen auch eine existenziell befriedigende Erfahrung ist. Ich glaube, der existenzielle Druck gesellschaftlich etwas zu erreichen ist für Frauen weniger gross als für Männer. Deshalb gibt es auch weniger Frauen, die danach streben.

Das ist meine Theorie, die man durchaus angreifen darf. Ob das nun gut oder schlecht ist, weiss ich nicht. Problematisch wird es erst, wenn daraus jener Druck erwächst, über den viele kinderlose Frauen heute klagen. Nämlich, dass Mutterschaft nicht als eine von vielen Möglichkeiten verstanden, sondern überhöht und zum Sinn der weiblichen Existenz hochstilisiert wird. Dass Frauen, die aus welchen Gründen auch immer kinderlos geblieben sind, sich dauernd rechtfertigen müssen. Oder schlimmer noch, bemitleidet werden.

Und deshalb finde ich Mirrens Satz gross. Weil sie damit einen Gegenpol bietet zu all den Babys poppenden Models und Schauspielerinnen, die in den höchsten Tönen von ihrer privilegierten Existenz jubeln. Nicht, dass ich es ihnen nicht gönne. Aber als Vorbild taugen sie für Normalsterbliche nicht. Mirren Satz hingegen zeigt uns etwas anderes. Nämlich dass nicht alle Frauen Kindergeschrei und Babykacke brauchen, um glücklich zu werden. Dass es Frauen gibt, die in einer Karriere genau so existenzielle Befriedigung finden, wie in der Mutterschaft. Und dass sie keine halben oder gar bemitleidenswerten Wesen sind, nur weil sie einen anderen Plan hatten, als die meisten Frauen.

Bild oben: Lieber Karriere als Kinder: Helen Mirren, bei der Einweihung ihres Sterns auf dem Walk of Fame in Hollywood 2013. (Foto: Keystone)

74 Kommentare zu «Das Glück der Kinderlosigkeit»

  • Frank Baum sagt:

    Darin unterscheidet sich die Emanzipation vom radikalen Feminismus. Bei der Emanzipation geht es um Gleichberechtigung und um Entscheidungsfreiheit. Die radikalen Feministinnen wollen aber auch ein Gesinnzungsdiktat aufstellen. Es reicht nicht, dass man sich frei entscheiden kann, die Dinge zu tun oder zu lassen, nein, jetzt muss man auch für seine Entscheide Beifall bekommen. Das hat mit Selbstverantwortung nichts zu tun. Frauen können sich entscheiden, die Dinge so zu tun, wie sie wollen. Genausowenig wie die Männer haben sie aber einen Anspruch, dass andere diese Entscheide gut finden.

  • Sparter sagt:

    „Neulich unterhielt ich mich mit einem bekannten Chefredaktor darüber, wie es kommt, dass Mädchen in Schule und Ausbildung den Jungs oft weit voraus sind, um dann grossmehrheitlich doch nicht an die Spitze durchzumarschieren“
    Finde ich super, wie der Tagesanzeiger bereits die Statistik über die Zukunft hat. Wo kann man die beziehen? Bei Petrus oder bei Frau Holle?

  • Daniela Heiniger sagt:

    @F. Baum: Sicher kann jeder über andere denken wie er will, aber offen kritisieren ist einfach daneben. Wie würden Sie reagieren wenn Ihnen jemand an den Kopf wirft, Sie seien egoistisch/asozial, weil Sie Kinder in eine eh schon überbevölkerte Welt setzen, die später den weiteren Raubbau der Ressourcen fördern, die Welt mit zubetonieren für mehr Platz und die Natur mit ihrem Abfall und Energieverschleiss vergiften?
    Übrigens: kein Mensch wird gefragt ob er geboren werden WILL. Zu glauben, dass alle Menschen den Eltern für ihre Existenz dankbar sein sollten ist schlicht arrogant und sehr dumm!

    • Frank Baum sagt:

      @Heiniger: Nur bei linksextremen Spinnern kann die Problemduselei derarte Auswüchse annehmen als dass man nicht leben dem Leben vorziehen würde. Nur die Kinder, die zur Welt kamen, können sich überhaupt mit der Frage beschäftigen, ob das denn etwas Gutes war.

      Offene Kritik gehört zum Leben dazu. Wer damit nicht umgehen kann, hat grundsätzlich ein Problem. Emanzipiert ist anders. Witzigerweise fordern immer diejenigen ein Kritikvrbot, die alle anderen Benimmregeln abschaffen wollen.

      • Regula Berger sagt:

        Aber nicht jedes dieser Kinder findet es toll, zu leben und schleppen sich halt durchs Leben. Ich halte es ein Stück weit für anmassend, überhaupt Kinder in die Welt zu setzen, da der einzige Mensch, der über das Leben eines Menschen entscheiden darf, dieser Mensch selber ist. Das ist nicht linksextrem, sondern ein intellektuelles Dilemma, für das ich keine Lösung gefunden habe. Deshalb bin ich kinderlos.

  • Georgie sagt:

    Und ich hatte die Unverschämtheit heiraten zu wollen und doch keine Kinder zu haben. Ich hatte einfach nie das Bedürfnis dazu. Es war nicht leicht einen Ehemann zu finden, der dies auch so wollte. Man teilt sich das Leben dann einfach anders ein. Aber zugeben durfte ich das nie, schon gar nicht innerhalb der Verwandtschaft. Zugute kam mir, dass wir in beiden Familien Erbkrankheiten haben, was akzeptiert wurde, aber letztlich nicht ausschlaggebend war.

    • Gummibaer sagt:

      @ Georgie Meine aelteste Tochter wird in Kuerze heiraten, hat aber schon vor vielen Jahren entschieden keine Kinder auf die Welt zu bringen. Brava ! Solches entscheidet man einzig und allein mit Bezug auf die eigene Lebensgestaltung. Das soziale Umfeld und die Verwandtschaft haben hier nichts aber auch gar nichts zu melden.
      Zudem muessten kinderlose Ehepaare vom Staat einen Bonus erhalten. Sie nehmen weder das kostspielige staatliche Erziehungssystem in Anspruch noch werden ihre Nachkommen die Umwelt mit Motorfahrzeugen, Gartengeraeten und Flugreisen verschmutzen !

  • Eduardo sagt:

    @ Claudia: Lachen Sie nur. Das und persönliche Beleidigungen sind halt die typischen irrationalen Reaktionen, wenn es an eigenen Argumenten fehlt (die in diesem Fall natürlich auch kaum zu finden sind). Aber schauen Sie sich dann einmal die Geburtsanzeigen bzw. die dort aufgeführten Namen der Eltern in der Basler Zeitung an. Na, merken Sie etwas?

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