Vicky Pollard und David Bowie

Zuerst heute mal wieder ein neues Wort, meine Damen und Herren: «ratchet». Die komplexe soziologische Bedeutung finden Sie hier. Das ist ein super Wort, und es wird sich weiter verbreiten, also lernen Sie es rechtzeitig und vergessen Sie nicht, wo Sie das mal wieder zuerst gehört haben, nämlich hier.
Dann, und davon völlig unabhängig, ist festzustellen, dass der Fall Alice Schwarzer offenbar kein Ende nimmt. Und so bleibt auch das Plakat des Berliner Kabaretts «Distel» relevant, dass ich bei einem Besuch in der deutschen Hauptstadt für Sie fotografiert habe. Siehe oben. Während dieses Besuchs besuchte ich ebenfalls die sehr sehenswerte David-Bowie-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau (wo überhaupt gute Ausstellungen kuratiert werden; wobei Bowie ein Import des Londoner V&A Museums ist, ergänzt um den Teil, der sich mit Bowies Leben und Wirken in West-Berlin befasst, und der einzige Teil der Ausstellung ist, der leider ein bisschen klein und eng und gedrängt ausgefallen ist).
Nebst vielen anderen Rätseln, Aufschlüssen und Eindrücken stellte sich mir angelegentlich dieses Ausstellungsbesuchs auch wieder die Frage: Wieso hat eigentlich noch niemand einen Fotoband gemacht mit dem Titel Museumswärter neben Kunstwerken? Das ist doch so naheliegend. Wenigstens für Martin Parr oder meinetwegen Brian Finke. Der Berliner Museumswärter, früher eine zu Recht verschriene Spezies, kurz vor dem Blockwart, findet sich im Berlin des 21. Jahrhunderts glücklicherweise nur noch in vereinzelten Exemplaren; aber auch wenn die Damen und Herren heute nicht mehr so ruppig sind wie früher, so entsteht allein aufgrund ihres besonderen Phänotyps doch regelmässig ein ganz besonderer Effekt, wenn so ein Phänotyp sich beispielsweise neben einem Bowie-Kostüm aufbaut. Das wirft ein ganz neues Schlaglicht auf die Ästhetik der Begegnung und Kunst als performativen Erfahrungsraum der Anderen, der sich in sozialen, dialogischen Prozessen aktualisiert, unter Einbezug von stereotypen Repräsentationen als essenziellen Bewusstseinsprozessen, die Kunst als soziopolitisches Agens überhaupt erst greifbar und begreifbar machen, wenn Sie wissen, was ich meine. Mit anderen Worten: So ne Wächterin, die aussieht wie Vicky Pollard, in ihrer Uniform, direkt neben Bowies Tokyo Pop Overall aus Vinyl ist ein traumhaftes, lebenspraktisches Sinnbild für den Zusammenprall der Kulturen. Und pretty funny obendrein. Mit diesen nachdenklichen Hinweisen zur Problematik der Handlungsmächtigkeit des Einzelnen im Rahmen der ästhetischen Praxis entlasse ich Sie für heute. – Halt, Moment, vorher noch dies: platinblonde Haare für Männer unter 25 sind wieder in Mode (mit dunklen Augenbrauen). So dieser Punk Surfer Look. Denken Sie daran: Sie haben es hier zuerst gelesen. That is so ratchet.
7 Kommentare zu «Vicky Pollard und David Bowie»
Herzlichen Dank, Herr Tingler. Endlich habe ich meine Traumfrau gefunden, die Vicky Pollard, sogar schon am Morgen früh. Gerne auch mit Kollegin (die mit der forschen Nase). Zwecks Gründung eines „Trio Infernale“. Ich hoffe, die Versandkosten halten sich in Grenzen, von „Little Britain“ her. Auf der Hinreise können sie auch noch die Alice mitbringen, im neuen Outfit. Es ist mir schon bewusst, „Wunder dauern etwas länger, sogar im Wunderland“….
Aahahhahhahhhhaha! Big like….
» Wieso hat eigentlich noch niemand einen Fotoband gemacht mit dem Titel Museumswärter neben Kunstwerken? Das ist doch so naheliegend. Wenigstens für Martin Parr oder meinetwegen Brian Finke.«
… oder Andy Freeberg, der bereits 2010 genau das gemacht hat. Man google nach »Guardians«.
genau daran habe ich gedacht als ich Philipps Text las…..
Danke Sascha und Philipp
…yes but…no but…yes but! 🙂
„But“ or „no But“ – ist immer die Frage. Und weil ja König Fussball herrscht, werde ich fast sentimental: der grösste „But-eur“ heisst immer noch Just Fontaine, und lebt immer noch.
Aehnlich wie beim „Bum-bum-Müller Gerd“ war er eher klein, aber immer da und flink und schlau.
Und immerhin 13 Buts an einer WM – „dieses kleines Just“, mehr als Kaiser Franz sich je träumen konnte. Darauf nehme ich auch noch einen kleinen „but“…
Am 6. Juni schrieben Sie: „Das schwule Schönheitsideal bewegt sich derzeit in Richtung einer raueren Männlichkeit.“ Heute schreiben Sie: „… platinblonde Haare für Männer unter 25 sind wieder in Mode (mit dunklen Augenbrauen).“ Ich hoffe, beide Phänotypen werden am kommenden Samstag an der Zurich Pride Demonstration zugegen sein, was eine Reise nach Zürich schon lohnen würde – oder auch die Balkan Gay Night vom Freitag …