Wie benimmt man sich im Kino?

Cinema owner Ann Nelson sits in the ticket booth, as people in costume arrive to watch a late night screening of the

Soeben ist das Berliner Theatertreffen zu Ende gegangen, meine Damen und Herren. Bei der Castorf-Inszenierung «Reise ans Ende der Nacht» gab es ein sogenanntes Novum: eine Reihe war für Twitterer reserviert, die aus der Vorstellung ihre Tweets absetzen durften. Damit eine Art virtueller stream of consciousness entstünde, der dann als Kollektivkritik durchgehen sollte. Mit anderen Worten: Bleghh! Mit nochmal anderen Worten: Es wird Sie nicht überraschen, dass ich das für kompletten Bullshit halte. Twittern im Theater ist cringeworthy. Aber das gilt schliesslich für alles, was mit Herrn Castorf zu tun hat. Und deshalb gehen wir jetzt ins Kino. Da ist Twittern natürlich ebenfalls ein Fauxpas. Ebenso wie das Versenden von Textnachrichten oder Telefonieren. Und auch sonst gelten ein paar Regeln:

  1. Die Hygiene

    Husten Sie nicht Ihrem Vordermann in den Nacken. Das ist ekelhaft. Falls Ihr Nebenmann niesen muss, übergehen Sie dies mit Schweigen: Körpergeräusche gelten per se stets als Fauxpas, auf den generell keine Aufmerksamkeit gelenkt werden sollte.

  2. Die Platzwahl

    Die Plätze im Kino sind in der Regel nummeriert. Wenn jemand neben Ihnen Platz nimmt und Sie Ihre Daunenjacke deshalb auf den Schoss nehmen müssen, rollen Sie nicht mit den Augen. Es ist ein Gebot der Höflichkeit, aufzustehen, um Passanten durchzulassen. Falls Sie zu spät sind und das Licht schon aus ist, verfügen Sie sich einfach auf den nächsten, am einfachsten zu erreichenden freien Platz.

  3. Die Basis

    Die Benimmregeln im Kino sind generell lockerer als im Theater, und das ist auch gut so. Sie dürfen essen und trinken und auch im Flüsterton kurze Kommentare mit Ihrer Begleitung austauschen. Andauerndes Quasseln ist natürlich sehr unhöflich. Noch schlimmer als Leute, die sich Werke wie «Big Momma’s House 2» ausführlich erklären lassen müssen, sind allerdings Zeitgenossen, die ungefragt, laut und fortwährend ihre Kommentierung und Interpretation des bewegten Bildes absondern. Ich persönlich bin in diesem Fall ein grosser Freund des guten alten Niederzischens. It’s fun! Speaking of fun: Falls Sie Erfrischungen konsumieren: Es gibt nichts Schlimmeres als den Versuch, irgendeinen Snack ganz langsam auszupacken. Praktizieren Sie stattdessen die Pflaster-ab-Methode für die Knisterverpackung Ihres Müesliriegels: Zähne zusammen und runter damit!

  4. Das Ende

    Es hat sich so eingebürgert, dass die Leute während des Abspanns aufstehen und gehen. Ich finde das schade. Ich lese ganz gerne, wer für die Bartpflege von Russell Crowe zuständig war und dass keinerlei Tiere bei der Produktion von «Noah» nass geworden sind. Übrigens: am Ende eines Films wird (wie am Ende eines Flugs) nicht applaudiert. Es sei denn, Sie befinden sich auf einem Private Screening im Anwesen des Regisseurs in Holmby Hills. Oder auf den Filmfestspielen in Cannes.

  5. Die Liebe

    Kinos sind super für Dates. Man muss keine Konversation machen, erlebt was zusammen und kann die Reaktionen und Emotionalität seiner Verabredung testen. Aber Vorsicht: nicht alle Filme sind gleich gut für ein Date geeignet. Perfekt sind Komödien (also nicht unbedingt Romcoms, die heterosexuelle Männer eher weniger interessieren; sondern mehr sowas in der Art wie «Scary Movie», Teil 1-5). Hervorragend sind auch Monsterfilme wie «Godzilla», weil das Gelegenheit gibt, sich mal schnell bei Ihrer Begleitung in den Oberschenkel zu krallen. (Mehr nicht. Sie sind nicht allein. Get a room, for Pete’s sake!) Was auch noch geht: existenzielle Geworfenheit mit Happy End wie «Gravity». Was gar nicht geht: «Lincoln». Oder «Schindlers Liste».

Bild oben: Eine Vorstellung der «Rocky Horror Picture Show» darf in Strapsen besucht werden. Für alle anderen Filme gibt es Benimm-Regeln. (Foto: Reuters)

18 Kommentare zu «Wie benimmt man sich im Kino?»

  • Linus Luchs sagt:

    Wer sich beim Filmschauen verhalten will wie zuhause im Wohn- oder Schlafzimmer, schaue den Film bitte zuhause im Wohn- oder Schlafzimmer. Ich gehe in jedem Punkt mit Ihnen einig, Herr Tingler.

  • Martin Johansson sagt:

    Bitte diese Liste in gekürzter Form und in Grossbuchstaben in allen Kinos beim Eingang aufhängen! Und übrigens, im Dunkeln stören auch leuchtende Handy-/Tablet-Bildschirme die Konzentration auf den Film. Eigentlich bedenklich, dass solche Selbstverständlichkeiten des respektvollen zwischenmenschlichen Umgangs überhaupt speziell erwähnt werden müssen. Aber es gibt leider immer wieder (immer mehr?) Leute, die sich in der Öffentlichkeit so benehmen, als würden sie in ihrem eigenen Wohnzimmer sitzen.

  • Chris Fogg sagt:

    Also mich stört im Kino nur die Dunkelheit und der immerzu zu laute Ton.

  • Anh Toan sagt:

    In Basel gabs das Kino Union, „double feature picture show“, etwas mit Karate und etwas mit US 8 Zylinder und so, da war fas alles, was der Doggter als Fauxpas bezeichnet, Pflicht. Und dann gabs noch Kür. Oder „Rocky Horror Picture Show“. Aber das Union ist tot, da wo ich lebe die Filme synchronisiert und ich hab ein Zimmer!

  • Jimmy sagt:

    Viiiielen Dank für die Erwähnung bei Punkt 1!
    Dieser „xundheit!“-Terror in Grossraum-Büros etc. beelendet mich schon lange. Warum man nur beim niesen derart aufgezogen wird, im Gegensatz zu anderen Körpergeräuschen wie husten oder pfurzen, möcht‘ ich mal noch wissen…

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