Männer im Sexstreik

So viele Freiheiten haben die neuen Frauen, hier Frau 2.0 genannt, sich erstritten und dazu Wagenladungen voller Selbstbewusstsein. Und wozu nutzen sie nun all dieses Selbstbewusstsein? Um mehr Sex zu fordern. Von den Männern. Auch das noch.
So meldete jedenfalls ganz aufgeregt der «Blick» und analysierte die Sachlage folgendermassen: Es geschah am helllichten Tage in Hamburg. Eine Patientin gestand einem Hamburger «Experten für Männergesundheit», sie werde sich nächstens vom Nachbarn beschlafen lassen, sollte ihr Mann es weiterhin nicht bringen. Könnte das ein Trend sein? Ja, bestätigen «mit Sexfragen befasste» Experten aus dem In- und Ausland der «Blick»-Reporterin. Und schon haben wir eine These, hart wie ein Stahlgewitter: Weil immer selbstbewusstere Frauen immer mehr Sex fordern, vergeht immer mehr Männern die Lust.
Viel einfacher wäre es natürlich mit bewusstlosen Frauen. Aber damit können wir im 21. Jahrhundert nicht dienen. Das weibliche Selbstbewusstsein hat sich ausgebreitet wie ein Flächenbrand – kein Wunder fühlt Frau 2.0 sich erhitzt. Und weil sie nicht nur scharf ist, sondern auch der Sprache mächtig, «verschärft sich nun auch der Tonfall im Schlafzimmer», warnt ein Sexologe, diesmal aus Zürich. Wenn nämlich der schlaffe Mann sich dann doch mal aufrafft, hagelt es von der erhitzten Selbstbewussten Belehrungen, dass sie es gern anders hätte.
Und jetzt fühlen sie sich müde, unsere Männer, das belegen ganz viele Studien, Fachleute und Experten, sagt der «Blick». Und sagt das Internet, das ja nicht irren kann. Wenn nämlich die wild gewordene, sich an «Ludern und Schlampen» aus dem Trashfernsehen orientierende Frau 2.0 den Beischlaf einfordert, dann erfindet der überforderte Mann Ausreden: Ich muss morgen früh raus, oder: Ich habe Stress.
Und ja, es ist ein Stress, dieses Selbstbewusstsein, ein riesiger. Auch für die Frau 2.0 übrigens, wie der Artikel weiter lehrt. Denn wie fast alles, ist ihr die Lust nicht einfach so gegeben, sie muss daran arbeiten und besucht dafür fleissig Sex-Workshops. Sagt die Inhaberin einer Erotik-Boutique in Zürich.
Schon allein das zu lesen, erschöpft einen. Sie nicht? Vor allem, wenn man das Ganze auf der Website Blick.ch liest, die mit so vielen sexy Inseraten für C-Dates oder Medikamente gegen erektile Dysfunktion wirbt sowie sexy Stars des Tages und sexy Bilder über sexy Trends serviert, dass einem Hören und Sehen vergehen.
Fazit? Ja, es gibt solche Selbstbewusstseinsbestien, männliche und weibliche. Und sie nerven. Was wir stattdessen brauchen, sind weniger Selbstzweifel, mehr Selbstwertgefühl und vor allem mehr Verständnis füreinander. Wie das gehen soll? Vielleicht erst mal die «Blick»-Website wegklicken, alles gesehene vergessen, die Augen auf den Partner richten und ihm oder ihr zuhören. Dann dürfte es auch mit allem anderen klappen.
Bild oben: Peter Fieseler und Liane Forestieri in der TV-Komödie «Sexstreik!» (Sat.1, 2010).
43 Kommentare zu «Männer im Sexstreik»
Sehr guter Artikel! Das unreife Geschreibsel in diesem Blickartikel habe ich mit ein paar Frauen zusammen angeguckt. Einhelliger Tenor (Achtung: Überraschung!): Wie steht es eigentlich um die sexuellen Fertigkeiten der Frauen? Wird einfach immer mehr Blümchensex in Missionarsstellung gefordert? Frauen klagen an, so der Tenor beim Blick: Aber kaum kommt Mann mit einem Paar Handschellen daher, gilt man bereits als Perversling..! Mehr Respekt, mehr Einfühlungsvermögen und weniger Leistungsdenken im Bett- dann kommt’s für alle gut, Männer wie auch Frauen!
Ich habe den Verdacht, dass nicht nur das Müdewerden der Männer in dieser Beziehung die Frauen etwas
erstaunt. Wenn ich sehe, wieviele Männer sich ab 35 gehen lassen und mit Bauch, Irgendwie-Frisur und völlig unsexy Schuhen (als Bsp.) rumlaufen, verstehe ich jede Frau, die fremdgeht. Kohle und Karriere mag ja den Status heben, aber die Sexyness hängst (nebst Erfolg) halt trotzdem auch noch vom Zustand des Körpers ab. Man kann auch noch mit 50 und mehr in guter Form sein!
Pedro, der Zustand des Körpers (solange er gepflegt ist), der Frisur oder die Schuhe sind völlig irrelevant. Was vielmehr zählt ist Toleranz, Spontanität, Verständnis, Offenheit, Charme… Ausser Sie sind 20 Jahre alt…
@Pedro (der andere)
Mit 35 Jahren haben viele Männer begriffen, dass Männer nicht schön sein müssen, sondern stark, um Sex zu bekommen. Ungepflegt ist abstossend, zweifellos, aber Sex ist nicht besser, weil der Partner in Topform ist. Sex ist kein Leistungssport.
Sexyness hängt bei Männern an Selbstvertrauen (nicht Arroganz aus Mangel daran), an Stärke (zum Nachgeben, nicht zum Durchsetzen gegen Schwache) aber weder an richtigen Schuhen noch Frisur. Aus meiner persönlichen Sicht gilt dies auch für Frauen, besser scharf als schön.
Pink Floyd (Young Lust) singen nicht von Schönheit:
Oooooh, I need a dirty woman
Oooooh. I need a dirty girl
Ich bezweifle ernsthaft, dass sich das Lustbedürfnis von Mann und Frau ernsthaft verändert haben soll.
Pöstler-Witze kommen schliesslich nicht einfach aus dem Nichts. Auch früher schon gab es unbefriedigte Frauen, die sich ihren Kick beim Nachbarn oder so holten. Die Differenz dürfte wohl eher daran liegen, dass Frau sich nun lautstark äussert, wenn es nicht passt.
Ach Du meine Güte. Das ist doch eine tolle Entwicklung. Also ich freue mich darauf, wenn meine hübschen Nachbarinnen in Zukunft bei mir anklopfen, wenn Sie Zucker oder halt eben Eier brauchen. Ich muss immer etwas schmunzeln, wenn ich lese, wie langjährige Partnerschaften krampfhaft versuchen, ihr Sexleben wiederzubeleben. Oder versuchen, dieses „auf eine neue Ebene“ zu hieven. Und es gelingt logischerweise nie, zumindest nicht mit Wollen und Reden. Man kann monogame Beziehungen führen, aber des Menschen Lust ist nunmal nicht monogam und wird es auch nie sein.
Die zwei obersten Kommentare enthalten „Sex“ in der Schlagzeile. Ich glaube, ich muss die Zeitung wechseln. Da helfen auch Strahm und Schneider zu selten.