Soll man Frauen ohrfeigen dürfen?

ohrfeige_663

Ich las den Artikel nur, weil ich Lust hatte, mich aufzuregen: «Plädoyer für die Ohrfeige» war der Titel. Der Weltwoche-Journalist Alex Baur vertritt darin die Meinung, dass die Ohrfeige zu Unrecht in Verruf geraten sei. Kunstgerecht ausgeführt könne so eine Watsche manchmal Wunder bewirken, so Baur. Um seine unzeitgemässe Ansicht argumentativ zu unterfüttern, zitierte er den Fall eines Ehestreits, der neulich im Kanton Aargau die Polizei auf den Plan gerufen hatte: Die Nachbarn hatten nach heftigem Geschrei und Geklirre die Ordnungshüter alarmiert, doch bei ihrem Eintreffen war bereits alles ruhig. Der Mann habe die Frau geohrfeigt, «um sie wieder zur Vernunft zu bringen», wie Baur schreibt. Damit habe er ein Problem akkurat erledigt, das die Frau selber auf «Hormonstörungen im Zuge der Wechseljahre» zurückgeführt habe.

Ein solcher Artikel ist natürlich als verbale Ohrfeige an die Adresse all jener gedacht, die mit zimperlicher Hysterie auf alles reagieren, was auch nur entfernt nach Gewalt aussieht. Natürlich will Baur provozieren, und in meinem Fall ist ihm das auch gelungen. Ich regte mich auf, weil er mit einem Beispiel häuslicher Gewalt argumentiert. Seines mag harmlos sein, aber es ist auch die grosse Ausnahme. Wer weiss, was Frauen so erleben, bevor sie in Frauenhäuser flüchten, kann über so etwas nur den Kopf schütteln. Umgekehrt sind auch schlagende Männer oft verzweifelt. In Männerbüros versuchen sie dann Strategien zu lernen, Konflikte anders anzugehen – ich glaube nicht, dass all diese Leute Baurs Text besonders inspirierend finden. Natürlich ist eine Ohrfeige, «sofern kunstgerecht ausgeführt», wie Baur schreibt, kein Weltuntergang. Aber die wohlplatzierte Watsche mit dem Effekt eines chirurgischen Eingriffs, der ein einmaliges Problem zu lösen versucht, ist wohl auch etwa so weit verbreitet wie Albino-Eichhörnchen.

Das heisst nicht, dass es sie nicht gibt. Ich habe selber einmal eine eingefangen, wie mir einfiel, nachdem ich mich wieder abgeregt hatte und nochmals darüber nachdachte. Ich arbeitete damals zusammen mit einem ziemlich impulsiven Mann in einem öffentlichen Projekt. Wir hätten zusammen etwas transportieren sollen und bekamen Streit. Ich muss zugeben, dass ich mich wirklich schlecht benahm und rumpöbelte, worauf er sich irgendwann vor mich hinstellte und mir eine wischte. Die Ohrfeige hatte den von ihm gewünschten Effekt: Ich gab sofort Ruhe und versuchte ihn in die Eier zu treten. Leider erfolglos. Ich war auch wahnsinnig empört. Schliesslich bekam aber auch ich Genugtuung, denn die Sache sprach sich herum und kam schliesslich den Geldgebern zu Ohren, die es noch viel furchtbarer fanden als ich. Schliesslich musste der Mann so lange vor ihnen zu Kreuze kriechen, bis ich mich selber bei ihnen meldete und sagte, so schlimm sei das auch nicht gewesen. Am Ende versöhnten wir uns und beide hatten etwas gelernt.

Ausgeteilt habe ich noch nie, auch wenn ich daran glaube, dass bei Frust, Schock oder Empörung eine weibliche Ohrfeige manchmal besser ist als endloses Geschrei. Wegen der Symbolkraft. Aber genau wegen der Symbolkraft finde ich es auch falsch, wenn Journalisten für das Recht plädieren, Ohrfeigen zu verteilen. Gewalt ist nie der richtige Weg – auch wenn es Ausnahmen gibt, die die Regel bestätigen.

Bild oben: Eine Watsche als Problemlöser? Lino Ventura und Isabelle Adjani im Spielfilm «Die Ohrfeige». (Foto: PD)

79 Kommentare zu «Soll man Frauen ohrfeigen dürfen?»

  • Jutta Maier sagt:

    Eine Ohrfeige unter Gleichstarken – sprich Frauen – wäre vielleicht noch akzeptabel (Männer prügeln sich ja auch untereinander), wobei es auch hier ein einfacheres Mittel gibt, Hysteriker/innen zur Ruhe zu bringen: ein Glas kaltes Wasser ins Gesicht tut’s auch. Eine Ohrfeige dem anderen Geschlecht auszuteilen ist hingegen völlig daneben und hat immer ein Nachspiel.

    • Roman Meier sagt:

      Frauen verteilen bekanntlich auch Ohrfeigen und wenn man als Mann deswegen zur Polizei gehen und Anzeige erstatten würde, würde man mit Sicherheit ausgelacht.

  • Henry sagt:

    Die Wahl der Mittel ist eine Frage des Stils. Ich versichere Sie,
    mehr mit Worten verletzen zu können, als mit einer Ohrfeige.
    Diese würde ich im übrigen nur einer Frau zugestehen gegen einen Mann, eben in Ermangelung einer besseren Reaktion.
    Daß ein Mann eine Frau schlägt ist indiskutabel.

  • Willi Studer sagt:

    Ladies,
    If you are the recipient of an ohrfeige, PLEASE run, this guy, has NO respect for you. Physical violence does not belong in a loving relathionship, makr my words !
    From a Swiss living in Canada where there is ZERO tolerance for that kind of behaviour

  • Zähmer sagt:

    Wie gesagt, Sie wissen ganz offensichtlich nicht, wie sehr Tritte in die Hoden wehtun, sonst würden Sie es nicht immer noch bereuen, bei dieser offenbar recht banalen Auseinandersetzung nicht getroffen zu haben. Es ist auch sonst weder für Männer noch Frauen zu empfehlen, einem Mann in den Unterleib zu treten, denn wenn der derart Geschlagene sich erholt hat, dürfte seine Rache entsetzlich sein.

  • Oluf Imobersteg sagt:

    Ich wusste gar nicht, dass man des Englischen mächtig sein muss um hier einen „Comment“ zu schreiben! Wir mein Hinweis, dass nur der geistig Schwache zum Schläger wird. Menschen mit Hirn denken bevor sie was machen oder sagen! – Oluf at 22:26 –

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.