Schlussworte – enttarnt

DiCaprio Garner

Es ist ganz interessant, meine Damen und Herren, wie sich mit den Zeiten auch die Phrasen ändern. Wer früher sagte «Ich geh mal schnell Zigaretten holen …» und dann nie wieder kam, sagt heute: «Ich geh mal kurz ins Internet.» Wenn man früher, um ein missliebiges Telefonat zu beenden, sagte: «Ohh, ich glaube, es hat eben an der Tür geklingelt!», so sagt man heute: «Ohh, ich fürchte, ich verliere dich, wir fahren gleich in einen Tunnel!» Andere Abwimmelphrasen freilich ändern sich nie. Besonders die Beziehungsbeendigungsphrasen. Für einen durchschnittlichen Einwohner der westlichen Hemisphäre ist es nach wie vor dreissigtausendmal wahrscheinlicher, eine der nachstehenden Floskeln zu hören, als von einem Hai angegriffen und getötet zu werden. Hier kommen die populärsten Schlussmacherplattitüden. Samt Übersetzung. Also dem, was sie wirklich bedeuten.

  1. «Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.»

    Der Klassiker. Älter als die Pyramiden. Bei Männern und Frauen gleichermassen beliebt. Hat angeblich schon Aeneas zu Dido gesagt. Die Übersetzung ist sehr einfach; Sie müssen nur ein Wort umstellen: «Es liegt nicht an mir, es liegt an dir.» Oder, kurz: «Es liegt an dir. Beziehungsweise insofern an mir, als ich mich in dir getäuscht habe. Du bist einfach doch nicht so wie ich es mir vorgestellt habe. Und daran bist nur du schuld. Deal with it.»

  2. «Ich muss in meinem Leben jetzt andere Prioritäten setzen.»

    Eine Plattheit, die an Idiotie jeden Wettbewerb schlägt. Übersetzung: «Du bist mir nicht wichtig genug.» Wenn das nämlich anders wäre, wären auch die Prioritäten anders. Schliesslich gibt es diverse Paare, die trotz herausfordernder Karriere und diverser anderer Ansprüche eine erfolgreiche Beziehung führen. Zum Beispiel Michelle und Barack Obama.

  3. «Ich brauche mehr Raum für mich.» Oder (helvetische Variante): «Es stimmt für mich nicht.»

    Der Klassiker für Beziehungsklaustrophobiker, gern genutzt, um die völlig überstürzte Flucht aus der Partnerschaft zu begründen. Übersetzung: «Ich will hier raus. Denn sonst drehe ich durch wie eine Ratte in einem brennenden Crack-Labor. Doch eventuell könnte ich dich ja als Fallback Option behalten. Oder im Rahmen einer offenen Beziehung.» Wird oft von Charakteren artikuliert, die bereits das halbjährliche Erinnerungsschreiben ihrer Dentalhygienikerin als erstickenden Verpflichtungsterror empfinden. Achtung: Das Eingehen einer Beziehung bedeutet stets Kontrollverlust; daher sollte obige Phrase als Persönlichkeitsindikator eine rote Flagge für Sie sein. Übrigens kommt diese Sorte nicht selten zurück, sobald Sie sich zurückziehen. Die Frage ist, ob Sie sie dann noch wollen.

  4. «Du bist zu gut für mich.»

    Uch! Die tückischste und selbstherrlichste aller Schlussmacherplattitüden. Was soll man darauf erwidern – «Nein, nein, ich bin genauso schlecht wie du!»? Sagen Sie lieber nichts. Stattdessen dürfen Sie obige Plattheit ausnahmsweise wörtlich nehmen: Sie sind zu gut für so jemanden. Next!

  5. Drei weitere Übersetzungshilfen für beliebte Phrasen im Kontext von Beziehungsbeendigungen:

    a) «Ich bin einfach zu nett!» – Oft vorgetragen als Erklärung für privates Versagen, mangelnde Durchsetzungsfähigkeit, totales Scheitern auf allen Gebieten und dergleichen. Wir alle kennen Menschen, die zu träge, zu schwach oder zu humorlos sind. Vielleicht auch noch zu schön. Aber zu nett? Nee. Kennen Sie jemanden, der zu nett ist? Der Dalai Lama?
    b) «Wenigstens bin ich ehrlich.» – Es klingt wie ein Trost. Und lässt sich an jeden Unfug anhängen. Denn jeder Narr kann die Wahrheit sagen.
    c) «Wer? Och das. Das ist nur eine flüchtige Bekanntschaft.» – Übersetzung: «Wir hatten Sex.»

Bild oben: Leonardo DiCaprio und Jennifer Garner in «Catch Me If You Can».


13 Kommentare zu «Schlussworte – enttarnt»

  • David sagt:

    Wie finden Sie diesen Spruch, gerade vor kurzem nach einer sechsjährigen Partnerschaft erlebt: „ich bin Deine Traumfrau, doch Du bist nicht mein Traummann“

    • Grace sagt:

      Wow, ganz schön dreist. Dass einer nicht der Traummann ist, okay, aber zu behaupten, „ich bin deine Traumfrau“ ist ziemlich niveaulos. Literatur ist selten ein Trost, aber trotzdem, um es mit C. Zuckmeyer zu sagen: „Seien Sie froh, dass Sie die Schnepfe los sind.“

    • Peter Grumbach sagt:

      ..Ganz, G A N Z grosse Klasse ! Sorgt dafuer, dass vor SO viel ‚Chuzpe‘ GARANTIERT DIE LUFT WEGBLEIBT… na, das war’s dann ja wohl.. (Zumindest ist sie ehrlich).

  • Karl Knapp sagt:

    Du hast unsere Wachstumsziele nicht erfüllt. Die budgetierten Synergieeffekte unserer Beziehung sind nicht wirklich im erwarteten Mass eingetreten. Es ist uns nicht gelungen, unsere Prioritäten nur auf uns zwei zu fokussieren. Die Reorganisationskosten meiner alten Beziehung sind wesentlich höher als erwartet ausgefallen und eskaliert. Es sind steuerbereinigte Spezialeffekte eingetreten, die uns von der Weiterführung unseres originalen Deals absehen lassen.
    ( Wenn Sie noch lange in dem Stil weiterlabern, wird Ihr Partner freiwillig flüchten.)

  • Grace sagt:

    Einen Brüller hat auch Guy Ritchie (Ex-Mr. Madonna) gebracht, als er seine Freundin wegen Madonna verliess: „You know I really love you but she’s Madonna“.
    Es gibt übrigens auch die wahren Poeten, wie ich vor vielen Jahren einmal festgestellt habe: „Deine Arbeit ist dir wichtig, das ist so auch richtig. Aber ich will deshalb nicht in dich investieren, das wollte ich jetzt bei dir deponieren.“ Das stand auf der Rückseite einer Quittung.

  • Mike G sagt:

    „Und übrigens: der Orgasmus war jeweils nur vorgetäuscht.“ Lustig ist es, wenn dies der Mann sagt.

  • akade sagt:

    auch schon gehört: ‚ich bin mir halt einfach selbst zu nah‘

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