Offener Brief

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Wir müssen reden. Eigentlich schätze ich Sie ja als Mann, der zu allem eine Meinung hat und sich nicht scheut, diese auch in deutliche Worte zu kleiden. Wir Journalisten haben das gern, und Sie enttäuschen nie. Fast nie. Denn mit Ihren Aussagen im Interview mit der «Weltwoche» machen Sie es sich zu einfach – oder besser, Sie machen es mir zu einfach. Wer solchen Quatsch äussert, der ist – um hier eine Jagdmetapher in Anspruch zu nehmen (denn Sie haben es ja gerne martialisch) – eine Tontaube. Leicht abzuschiessen. Und glauben Sie mir, einen Mann wie Sie sieht man nicht gerne in dieser Position.

Dabei hätten wir über so viel Unterhaltsameres sprechen können. Zum Beispiel über diesen Slogan, den ein Tierschützer vergangene Woche äusserte. Er ereiferte sich einem «Blick»-Journalisten gegenüber, dass die Sendung «Giacobbo/Müller» neu vom Fleisch-Verband unterstützt werde. «Fleisch», sagte der Veggie-Sprecher, «ist kein Vergnügen. Fleisch ist Gewalt.» Genial, finden Sie nicht? Eine Instant-Philosophie aus Schlagworten, so nichtssagend, dass sie auf alles anwendbar ist. Man braucht dazu nur Fleisch mit einem beliebigen Begriff zu substituieren, et voilà, ein hammerhartes Statement. Auf Sie bezogen könnte man zum Beispiel sagen: «Kommunikation ist kein Vergnügen – Kommunikation ist Gewalt.»

Ich spreche Ihr Interview in der «Weltwoche» an. Roger Köppel fragte Sie, wie der Bundesrat sich verändert hat, seit unser Land von einem gemischten Team geführt wird. Und Sie sagten: «Ein Beruf verliert immer an Gewicht, wenn zu viele Frauen drin sind. Dieses Gesetz ist eisern.» Sie meinen Gewicht ja wohl nicht im physikalischen Sinne, was ja vielleicht nicht ganz falsch gewesen wäre – Sie erwähnten ja auch das Vorurteil, Frauen würden meist aus «rein dekorativen Gründen» an die Spitze gehievt. «Vorzeige- und Wohlfühlfrauen», wie Sie sie nennen. Und Sie haben ja recht, es gibt tatsächlich unfähige Frauen in Führungspositionen, aber noch viel mehr unfähige Männer, die sich mit «Härte und Aggressivität» dahin durchgebissen haben.

Aber das meinten Sie ja gar nicht. Sie meinten, dass ein Beruf weniger wichtig wird, wenn mehr Frauen ihn ergreifen. Das Prestige fliesst sozusagen ab wie Wasser aus der Badewanne, wenn man den Stöpsel gezogen hat. Sie sagten das in Bezug aufs Bildungswesen, aber anstatt die gesellschaftlichen Bedingungen anzuschauen, die zu dieser Verschiebung geführt haben, machen Sie daraus ein «eisernes Gesetz» – also doch Gesetz im physikalischen Sinne? Ein Naturgesetz sozusagen?

Mit Verlaub, wovon reden wir denn hier? Vom Wert einer Arbeit gemessen an dem, was es der Gesellschaft bringt? Von Geld? Oder von dem, was Männer über andere Männer denken? Ich vermute, Sie meinen Letzteres. Aber lassen Sie mich Ihnen was flüstern, Herr Stöhlker. Die Zeiten, da Prestige und Wichtigkeit nur von Männern definiert wurden, sind vorbei, und ich weiss nicht, ob sie je wiederkommen. Also könnte es durchaus sein, dass Ihr Begriff davon nur noch auf eine kleine Gruppe zutrifft.

Sie erläuterten weiter: «In dem Moment, da zu viele Frauen in ein Gebiet einrücken, haben wir den Beweis, dass die Männer dieses Gebiet freiwillig verlassen haben. Ich kann nicht feststellen, dass irgendeine Branche, wenn sie von Frauen an der Spitze geführt wird, gewonnen hätte.» Von welchen Beweisen sprechen Sie denn? Was würde eine Angela Merkel von so einer Behauptung denken oder eine Hillary Clinton oder vielleicht eine Christine Lagarde, der Sie ja immerhin «Härte» attestieren? Ach, und wenn wir gerade dabei sind: «Wenn Frauen in ein Gebiet einrücken» – das tönt nun etwas gar territorial, etwas sehr nach Russlandfeldzug. Ich verstehe ja, dass Sie Angst haben, aber so schlimm sind wir gar nicht. Obschon, wenn wir von Ihnen lernen, müssen wir hier festhalten: «Geschlechterkampf ist kein Vergnügen, Geschlechterkampf ist Gewalt.» Sie müssten das wohl unterschreiben.

Es ist wirklich jammerschade, dass der Bundesrat heute weniger gilt als früher, genauso das Finanz- und Gesundheitswesen, weil ebenfalls von Östrogen kontaminiert, nicht zu vergessen der Journalismus und Ihre Branche, PR. Dabei hat Ihr Interviewer Roger Köppel noch eingeworfen, dass Firmen ja seit jeher von Frauen geführt wurden, weil diese ihre Männer führen. Ob das auch ein eisernes Gesetz oder eher ein persönliches Statement ist, weiss ich nicht. Kurios ist es auf jeden Fall. Ich persönlich möchte meinen Partner nicht führen müssen, geschweige denn seine Firma. Aber ich bin ja auch nicht verheiratet, denn man weiss ja: Die Ehe ist kein Vergnügen, die Ehe ist Gewalt.

Der Mann, der mich auf das Interview aufmerksam gemacht hat, fragte sich, in welchem Jahrhundert Sie wohl leben, und bemängelte Ihr unsägliches Frauenbild. Das ist wohl nicht ganz korrekt. Ich mache mir eher Sorgen um Ihr Männerbild. Ist das nicht ein bisschen traurig, wenn Männer nichts mehr gelten, sobald eine Frau eine ebenbürtige Leistung bringt? Es tut mir sehr leid, Sie hier aufklären zu müssen, aber wenn es so weitergeht, werden bald nur noch Güselmänner und Bauarbeiter so richtig prestigiös sein.

Obwohl Sie und Herr Köppel auch zu wissen glauben, dass Frauen alles persönlich nehmen, denke ich nicht, dass Frauen, die wissen, was sie können, den Quatsch, den Sie da äussern, ernst nehmen. Oder sich bedroht fühlen. Aber für besonders intelligent würden sie Sie wohl auch nicht halten. Und einen Job oder besser Auftrag würden Sie von denen wohl nie kriegen. So ist das Leben. Es ist nicht immer ein Vergnügen, manchmal ist es einfach nur Gewalt.

Und so grüsse ich Sie hochachtungsvoll, MB

Bild oben: Klaus Stöhlker in seinem Büro, 21. März 2001. (Keystone/Martin Rütschi)

59 Kommentare zu «Offener Brief»

  • Kurt Schmid sagt:

    Ist es möglich, dass Sie eine etwas naive Erwartung gegenüber Herr Stöhlker haben? Oder haben Sie wirklich schon einmal etwas SINNvolles von Herrn Stöhlker gehört? Ich nicht!

  • Peter Moser sagt:

    Ins Schwarze getroffen, Frau Binswanger. Schön, dass endlich mal jemand den Viel- und Schwachsinnredner hinterfragt und entlarvt.

  • caroline baier sagt:

    liebe frau binswanger, fast hätte ich ihren artikel mit freunden geteilt. herr stöhlker verursacht bei mir schon länger das empfinden von brechreiz oder nervösen ausschlägen. ich wollte ihren artikel teilen, bis ich zum satz ‚grüselmänner und bauarbeiter‘ stiess. ich bin enttäuscht. selber firmeninhaberin, zu 50% beteiligt, zusammen mit meinem mann, einem bauarbeiter, wenn man so will. gelernter sanitär/heizung, abgeschlossen mit höchstnote, jetzt inhaber eines kleinen feinen handwerkbetriebs, innenausbau/renovationen, bauarbeit eben. gleichzusetzen mit grüselmänner? ich bin enttäuscht. cb

    • Martin Frey sagt:

      Sehen Sie, Fr. Baier, genau aus dem Grund den Sie benennen verursachen mir solche Artikel Brechreiz und Hautausschläge. Auf jeden Fall mehr als alle Stöhlkers dieser Welt. Um dies zu erkennen muss man wie Sie aber genau hinschauen, zwischen den Zeilen lesen und auch solche zugegebenermassen unterhaltsamen literarische Ergüsse mitsamt deren Motive kritisch hinterfragen. Chapeau.

  • Christoph Meyer sagt:

    Bravo Fraun Binswanger! Stöhlker ist für Journalisten, was Rizinus-Öl für Darm-Patienten: eine billige und primitive Art, Fäkalien zu lösen, ohne dabei das eigentliche Leiden zu behandeln.. Er gehört abgeschafft, taugt höchstens als Exponat im Medizin-historischen Museum.
    Bleibt die Frage: kann sich die Weltwoche denn keine echten „Shitstorms“ mehr leisten??

  • diva sagt:

    nach einem berufsleben, welches bald zu ende geht und man als karriere bezeichnen könnte, stelle ich fest, dass wir frauen in diese businesswelt nicht hingehören! wir vernachässigen dabei vor allem unsere kinder und jammern wir jetzt schon über eine verrohung der gesellschaft und darüber dass schon kinder drogen konsumieren und verhaltensgestört sind. es wird noch schlimmer werden. früher waren krippenkinder die ausnahme – heute der standard. darum hat hr stöhlker in gewisser weise recht!
    (ps: ich war alleinerziehend und «musste» karriere machen, um die familie zu ernähren)

    • Henry sagt:

      Jetzt kommen Sie den Ideologen wieder mit der Wirklichkeit. Also bitte, liebe Diva, damit machen Sie sich hier keine Freunde. Aber den ganzen Gerechtigkeitsideen vom Kommunismus mit all seinen Unterarten wie auch dem Femminismus und vielen anderen „Notwendigkeiten“ im Sinne irgendeiner Gerechtigkeitsfrage
      ist eines gemein, was sie apodyktisch scheitern lassen muss : Sie zerstören zuerst bevor sie aufbauen. Das setzt immer Zwang voraus und hat niemals dauerhaft funktioniert.

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