Was geht mich fremde Schmutzwäsche an?

Kürzlich war ich bei Freunden eingeladen. Als ich die Toilette aufsuchte, stand da ein Wäschekorb. Es war eigentlich ein schöner Wäschekorb, bloss hatte er keinen Deckel. Man hatte freien Blick auf den Inhalt, und das war doch recht unappetitlich. Ist das Gästen gegenüber nicht eine Zumutung? Oder bin ich zu empfindlich? E. R.
Liebr Herr R., Sie wissen, mein Verständnis ist gross und mein Herz für Menschen mit Taktgefühl noch grösser, von daher drücke ich Sie an meine Brust und sagen Ihnen: Sie sind kein bisschen empfindlich, sondern Ihre Gastgeber unsensibel.
Zweierlei ist mir bezüglich der von Ihnen geschilderten Wäschekorb-Problematik ein Rätsel: 1. Welcher Designer kommt auf die aberwitzige Idee, einen Wäschekorb ohne Deckel zu entwerfen? Und 2. Wer um alles in der Welt kauft ein solches Modell? Es sind natürlich Letztere schuld, dass Erstere überhaupt auf die Idee kommen, ein derart nicht zu Ende gedachtes Objekt auf den Markt zu bringen – würden die Dinger schnöde links liegen gelassen, wäre alles anders und die Welt viel schöner.
Es ist ja nicht zwingend alles unappetitlich, was dort reinkommt, aber so schön, dass man es jetzt dem Mitmenschen fadengerade präsentieren muss, ist es nun auch wieder nicht. Sollte man wahnsinnig an seinem deckellosen Ding hängen, gehört da immerhin ein frisches Frotteetuch darüber ausgebreitet, wenn Besuch kommt.
Es ist eine Frage der Diskretion, weil es um Intimes geht. Es handelt sich bei schmutziger Wäsche noch eindeutiger um einen Fall von Intimität als bei Schuhen; es gibt ja diese weit verbreitete und mich jedes Mal aufs Neue erschütternde Unsitte bei Mietern, die Schuhe vor der Wohnungstür in offenen Schuhgestellen zu deponieren. Es sei hier festgehalten: Die. Will. Niemand. Sehen. Die. Gehören. Unsichtbar. Verstaut. Punkt.
Ich rufe deshalb an dieser Stelle zum Boykott von deckellosen Wäschekörben sowie von offenen Schuhgestellen auf. Im Namen der Menschenwürde, sozusagen.
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31 Kommentare zu «Was geht mich fremde Schmutzwäsche an?»
Es ist schön, wenn die Schreiberin für das Wegzaubern von Schuhen plädiert und wohl ihr Leben lang in Neubauten mit grosszügigen Treppenhäusern residierte. Für den Rest von uns in Altbauten wohnenden Plebs ohne genügend Platz für Schuhschränke bleibt wohl nur die Lösung, keine Gäste einzuladen oder umzuziehen.
Hm, mein erster Gedanke war: Ups, mein Wäschekorb ist offen. Er hatte mal einen Deckel, aber den hat die Katze gefressen (Ja, ja ich weiss, tönt wie die abgedroschenste Ausrede ever, aber es ist die Wahrheit!).
Mein zweiter Gedanke: Puh, zum Glück habe ich ein Gästeklo, so dass eigentlich niemand ins Badezimmer muss.
Aber dann der dritte Gedanke: Ach Du Schreck, in meinem Gästeklo steht aufgrund Platzmangel ein offenes Schuhgestell.
Schliesslich der vierte: Uff, zum Glück sind meine Gäste nicht so empfindlich und kommen gerne wieder:-P