Inflation der Helden

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Was ist die kürzeste Form des Heldendramas? Einer steigt auf, einer fällt. Das ist zwar etwas banal, dafür funktioniert es immer und verliert nie an Faszination. Ich würde sogar sagen, wir erleben gerade eine Inflation von Heldendramen. Vergangene Woche widmete sich der Film «Rommel» der ganz speziellen Form des Vergangenheitsbewältigungsdramas, welches das Problem hat, einen Mann zum Helden zu machen, der auch nicht besser war als andere Nazis, aber trotzdem sympathisch rüberkommt. Diese Sachlage veranlasste die Journalistin Christiane Peitz zur Bemerkung, es doch aber jetzt mal gut mit den niedlichen Nazi-Monstern. «Mächtige Männer in Uniform, die sich über Karten beugen, mit der Last von Krieg und Millionen Toten auf den Schultern, (…)Männer-Filme, Helden-Filme, Chef-Filme sind das – Gruselfaktor eingeschlossen.»

Ja, wir können nicht genug bekommen von Helden-Dramen. Eine ganze Seite widmete die «FaZ» gestern dem manichäischen Kampf zwischen den morgen gegeneinander antretenden Präsidentschaftskandidaten. Demokrat oder Republikaner, Romney oder Obama, Mormone oder Afro-Amerikaner. Titel: «Träume von Vätern». Der eine will den seinen überflügeln, der andere hatte nie einen. Lerne: Willst du das Drama auf mythischen Dimensionen hochtrimmen, füge einfach noch ein paar Väter hinzu. Da kann nichts mehr schief gehen. Und es wäre ja nicht so, dass man damit am Publikum vorbeischreibt. Uns allen dürstet alle nach Heldenerzählung. Die Zeitungen sind voll davon, Aufstieg und Fall, immer wieder. Lance Armstrong, siebenfacher Tour-de-France-Gewinner, ist ein gigantischer Dopingbetrüger. Jérôme Kerviel war Wunderkind der Börse, bis bekannt wurde, dass er 6,3 Milliarden verzockt hat. Und selbst wenn der Sturz noch nicht erfolgt ist, trägt jeder Held seinen Sturz sozusagen schon in sich. So wie Roger Federer, dem nach jeder Niederlage der endgültige Niedergang prophezeiht wird.

Warum nur diese Inflation von Heldengeschichten? Ist es diese Grundspannung der Skandalisierung, in welcher wir Informationsgesellschaften pulsieren, dieser Geruch der Fatalität, der die Gegenwart umweht? Keine Ahnung. Und was ist mit dem Vorwurf, das seien bloss Männergeschichten, wie Frau Peitz implizit bemängelt?  Schliesslich liesse sich ja auch von allen anderen erzählen, von den Opfern beispielsweise, die ebenfalls gute Geschichten hergeben, den fleissigen Helfern im Hintergrund. Lassen sich über die nicht genau so gute Geschichten erzählen?

Ich glaube, es gibt einen guten Grund, warum die grossen Heldenerzählungen einfach besser ankommen. Wir hören gerne von Menschen, die Grenzen überschreiten, ob sie das nun im guten oder schlechten Sinne tun. Wir bewundern die Verwegenheit, die es dafür braucht, selbst wenn es uns gruselt, selbst wenn die Verwegenheit an Dummheit grenzt. Ob die Helden nun mänlichen oder weiblichen Geschlechts sind, ist im Grunde völlig egal. Ich möchte eigentlich nicht weniger solche «Männer-Filme, Helden-Filme, Chef-Filme», sondern ich möchte sie mit weiblicher Besetzung sehen. Nicht in der Rolle derer, die ein hübsches Kleid tragen und traurige Tränchen verdrücken, wenn er geht. Sondern in grossen, tragischen, verwegenen Rollen. Nicht aus Prinzip, sondern weil die Geschichten von Frauen andere Geschichten sind. Ich würde die Prognose wagen, dass es nicht mehr allzu lange dauern kann, bis Frauen mit genau solchen Chef-Filmen porträtiert werden. Und ich freu mich darauf.

Im Bild oben: Ulrich Tukur (r.) als Erwin Rommel. (Foto: ARD)

20 Kommentare zu «Inflation der Helden»

  • Heinrich sagt:

    Ich war fasziniert von einer auf Tatsachen beruhenden Geschichte einer Heldin:
    Die Rani von Jhansi, Rebellin wider Willen, legendäre indische Freiheitskämpferin 1857/58, von Rainer Jerosch, ISBN 3631506481 3-631-50648-1

  • Christoph sagt:

    Margarete Maultsch wäre eine eher unbekannte Figur, die sich zu verfilmen lohnte. Uta von Naumburg, vielleicht? Es gibt sie schon, die historischen Frauenfiguren und ihre Geschichten sind interessant. Aber als Journalistin wissen Sie ja, dass die Einschaltquoten zählen. Da sind offenbar die fiktiven Figuren wie „die Pästin“ geeigneter. Vielleicht weils da Literaturvorlagen gibt, die man in ein Drehbuch ummodeln kann und Filmemacher keine Historiker sind.
    Aber Sie könnten doch ein Drehbuch schreiben.

  • Christoph sagt:

    Errata: Margarete Maultasch hiess die Dame korrekt.

  • Markus Schneider sagt:

    Wenn’s keine gibt, muss man sie eben herbeischreiben. Fragt sich nur, wer das dann wirklich lesen will.

  • Katharina sagt:

    Das Leben von Pilotinnen wie Amelia Earhart hätte doch alles, was ein Heldenepos oder eine Abenteuergeschichte ausmacht.
    Oder (aus Aktualitätsgründen) die First Ladies der USA, die sich aktiv in die Politik eingemischt haben: Eleanor Roosevelt, Hillary Clinton und Michelle Obama.
    Bei http://www.fembio.org findet man Hunderte (oder sind es Tausende?) von tollen, starken, aktiven, heldenhaften Frauen!

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