Darf man nach dem Geschenk fragen?

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Kürzlich wurde ich 29. Zum ersten Mal hat mir meine Mutter kein Geschenk gemacht, nicht einmal ein Schöggeli, wie wir es sonst zu tun pflegen, wenn uns kein sinnvolles Geschenk einfällt. Die Frage wird nicht vom enttäuschten Kinde in mir gestellt, vielmehr fragt sich mein analytischer Verstand, was sie mir damit wohl sagen möchte. Oder hat sie es einfach vergessen? Und dann steht ja Weihnachten vor der Tür, was mache ich denn da? Wie kann ich diese Situation mit Stil ansprechen? I.L. aus Z.

Liebe Frau L., ich muss gestehen, ein wenig ratlos zu sein. Ich meine: Wenn schon Sie nicht verstehen, was Ihre Frau Mutter Ihnen damit sagen will, dann stehe ich noch mehr im Schilf. Ich weiss zum Beispiel nicht, ob Ihre Mutter zu einem aufbrausenden Gemüt neigt, ob also das direkte Ansprechen ein gewisses Risiko birgt, oder ob sie eher sanftmütiger Natur ist. Vielleicht handelt es sich ganz einfach um einen Akt elterlicher Emanzipation; einer Freundin von mir wird von ihrer Mutter ausschliesslich per Facebook-Pinnwand gratuliert.

Und es ist ja schon ein bisschen, nun ja, kindlich, sich ob ausbleibender Schöggeli zu grämen. Mit 29 müsste man eigentlich, wenn ich es recht bedenke, irgendwie über dieses Geschenk-Ding hinweg sein; oder bin ich jetzt zu streng mit Ihnen?

Jedenfalls dünkt es mich in solchen Situationen generell gescheiter, gar nicht erst tagelang im Nebel zu stochern und betupft zu sein, sondern sofort für Klärung zu sorgen und schlicht zu fragen: Wieso gab es kein Präsent? Nicht einmal ein Präsentli?

Da muss man halt ein bisschen seinen Stolz überwinden, aber dafür weiss man nachher, was Sache ist, was wiederum der Mutter-Tochter-Beziehung nur förderlich sein kann.

Was Weihnachten anbelangt: Verzichten Sie auf die Schenkerei. Alle finden sie doof, alle machen sie trotzdem mit. Und am schlimmsten sind jene, die sagen: aber nur etwas Kleines. Und dann muss man vor aller Augen so einen himmeltraurigen Staubfänger auspacken, bei dessen Anblick man am liebsten weinen möchte. Ihre Mutter geht da deshalb mit gutem Beispiel voran. Sie sollten Sie innig lieben dafür.

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5 Kommentare zu «Darf man nach dem Geschenk fragen?»

  • Philipp M. Rittermann sagt:

    kommunizieren sie ehrlich und bestimmt, dass es keine geschenke mehr zu weihnachten geben wird; ausser für die kinder. wir machen das schon seit jahren und es hat sich bewährt; keine erwartungshaltungen, kein einkaufsstress, kein umtausch. und alle sind happy. was benötigt wird, kauft man den lieben gerne mal unterjahr. ausserdem. der ganze geschenkliwahn hat wenig mit der eigentlichen bedeutung von weihnachten zu tun.

    • Gödi Nödvoda sagt:

      Naja, in erster Linie ist es wohl aus Bequemlichkeit, wenn man das Schenken zu Weihnachten abschafft. Man will sich keine Gedanken machen müssen was andere gerne haben (sondern kann sich weiter ganz auf seine eigenen Bedürfnisse konzentrieren), man muss nicht in den Geschäften herumlaufen, Einkaufstaschen herumschleppen etc. Am liebsten nur allen Bekannten und Verwandten per SMS oder e-Mail Glück wünschen und das war’s dann mit Weihnachten.
      Schenken hat sehr wohl mit der Weihnachtsgeschichte zu tun, als die 3 Könige und die Schafhirten dem Christkind ihre Gaben brachten um RESPEKT zu zeigen.

    • tststs sagt:

      Dankedankedanke Gödi! Ist genau meine Haltung… Noch schlimmer finde ich es, wenn dann der Spruch folgt: „man kann sich ja unter dem Jahr beschenken, ich brauche keinen Anlass dafür“ und wenn man dann nachhakt, ob dem auch so sein, erntet man meist ein verlegenes Lächeln und Kopfschütteln!

  • Eva Zwahlen sagt:

    Ich verstehe die Enttäuschung und die Verunsicherung. Auch Eltern können nicht einfach Spielregeln mir nichts, dir nichts ändern, wenn es vorher jahrelang anders gehandhabt worden ist. Das verletzte Kind kann ein Leben lang zum Vorschein kommen, dies ist keine Frage des Alters. Jemanden zum Geburtstag etwas zu schenken bedeutet auch (nebst der gesellschaftlichen Konventionen), dass man an jemanden denk, es ist ein Stück Wertschätzung. Die Regeln zu seinen eigenen Gunsten abzuändern zeugt meiner Meinung nach viel mehr von schlechten Stil.

  • Annette Huber sagt:

    verstehe die enttäuschung bzw. ratlosigkeit durchaus. meine eltern könnte ich aber in so einer situation problemlos fragen, warum sie mir nichts geschenkt haben. das abschaffen der geschenke unter erwachsenen zu weihnachten ist gar nicht meins und finde das schenken überhaupt nicht doof! ich liebe es, durch die laden zu stöbern, mir gedanken zu machen, was dem beschenkten freude machen könnte, die dann auch zu sehen, einfach zu schenken und natürlich auch beschenkt zu werden. ich finde man macht es sich sehr einfach, wenn man damit einfach aufhört.

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