Schule des Parkens

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Autos sind herrlich, aber man muss sie auch loswerden können (so wie Eltern oder Affären). Und der perfekte Parkplatz – bleibt trotz aller multioptionalen Mobilitätskonzepte mehr denn je die Endstation Sehnsucht für den postpostmodernen Automobilisten. Und weil richtiges Parken eine Kunst ist, meine Damen und Herren, habe ich mir die Freiheit genommen, im Folgenden für Sie einmal enzyklopädisch das Wissen zusammengetragen, das zu ebendieser Kunst existiert und von Generation zu Generation weitergegeben wird, in alphabetischer Reihenfolge (und ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Um Ihnen das Leben vielleicht etwas zu erleichtern. Das Leben und die Parkplatzsuche. Los geht’s:

  1. A wie «Absperrungen»

    Ich weiss nicht, wie’s bei Ihnen aussieht, aber meine Heimatstadt Zürich ist eine Meisterin der Parkflächen-Absperrungen. Parkraum wird grosszügig vernichtet durch Absperrungen – für bevorstehende Bauarbeiten oder auch nur obskure Mulden oder verwaiste Baufahrzeuge oder Familienfeiern oder Umzüge oder ohne jeden erkennbaren Grund, was selbst in einer strikt volksdemokratisch-protestantischen Metropole wie Zürich offenbar zulässig ist.

    «Und da vorne», sage ich zu Richie, dem besten Ehemann von allen, als wir parkplatzsuchend durch die Stadt kurven, «Was ist das? Was sollen diese grundlosen Halteverbotsschilder, die irgendjemand da vorne vor dem Caritasladen aufgestellt hat? Halteverbote in der Blauen Zone! Was soll das? Laufen hier tagsüber Schwadronen von Politessen rum und verteilen willkürlich Halteverbote? Damit muss Schluss sein! Wir parken da jetzt! Dieses zermürbende System von administrativem Despotismus hat uns lange genug unterdrückt! Irgendjemand muss aufstehen und den Anfang machen!»

    «Entschuldige, Che», erwidert der beste Ehemann von allen, «aber vielleicht ist wieder Umzugstermin.»

    «Das bringt mich auf eine Idee», erkläre ich, indem ich mich ruckartig Richie zuwende, «könnte man nicht auf der Polizei anmelden, man ziehe etwa zwei Jahre lang um? Dann hätte man nämlich auf ewig einen abgesperrten Parkplatz vor dem Haus. Und das ist wahrscheinlich genau das, was die Leute hier gemacht haben!»

  2. D wie «Door Dings»

    Sie kennen das: sobald Sie mit Ihrem wahnsinnig tiefen, breiten Mercedes SL in die relativ enge Parklücke manövriert sind, müssen Sie sehr vorsichtig die breiten, schweren Türen Ihres Wagens öffnen, um bei den Türen der benachbarten Fahrzeuge keine Einschläge zu hinterlassen. – Nein? Sie kennen das nicht? Sie sind doch wohl hoffentlich nicht einer jener Charaktere, die besagten Türbeulen nebst der Bezeichnung «Door Dings» im Urban Dictionary das Synonym «Asshole Dings» eingetragen haben, as in: Those little dents in your car doors caused by careless assholes who hit your car with their car door.

  3. J wie «Ja-oder-nein»

    Sie wissen bestimmt, was ich meine: Vor dem Einparken steht man ein paar Minuten vor der Lücke und führt mit seinem Beifahrer die traditionsreiche Sollten-wir-hier-parken-oder-eventuell-nicht?-Debatte. Bei uns verhält es sich so, dass Richie, der beste Ehemann von allen, sich gerne besorgt, der Platz wäre eigentlich zu klein und ein hier abgestelltes Automobil könnte nur allzu leicht angeschrammt werden von zufällig vorbeifahrenden Kraftfahrzeugen oder achtlos vorbeilaufenden Grizzly-Bären ... – Ich selbst versuche dann stets ein paar naheliegende Einwendungen, zuvorderst die, dass die Lücke etwa drei Meter breit und fünf Meter lang sei, man sonach bequem einige John-Deere-Landmaschinen darinnen unterbrächte und nebendran noch mit allen Mitgliedern einer Seniorentanzgruppe «A Chorus Line» aufführen könne ... So spreche ich mit vieler Inständigkeit, aber wie ganz vergebens!

    «Ich weiss nicht», gibt nämlich der beste Ehemann von allen zu bedenken, «also ob ich da nah genug an den Randstein komme ...»

    «Wenn du jetzt parken könntest», versetze ich, «wär’ das herrlich.»

    «Wieso habe ich mich bloss jemals mit dir eingelassen?», fragt Richie.

    «Weil das in Gottes Plan gelegen hat», erwidere ich, «wir sind wohl verschieden, aber wir gehören umso mehr zusammen, wir ergänzen uns, wir sind Verbündete, eine Einheit, Wort und Gegenwort, Ruf und Echo, und das ist im Leben sehr selten. Wir sind fated to be mated. Wie Sylvester Stallone und Brigitte Nielsen.»

    «Sylvester Stallone und Brigitte Nielsen haben sich scheiden lassen», wendet Rich ein.

    «Das lag an Jackie», sage ich, «sie war stärker als die Vorsehung.»

  4. P wie «Pig Parker»

    In der Ökonomie spricht man von einem negativen externen Effekt, wenn das Handeln eines Akteurs die Handlungen oder Handlungsfreiheit eines anderen beinträchtigt, ohne dass der Verursacher dafür zur Kasse gebeten wird; in aller Regel leidet darunter die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt. Mit anderen Worten: «Society can’t function like this.» Genau das erklärt der famose Larry David in der fünften Folge der achten Staffel der famosen Sitcom «Curb Your Enthusiasm» einem Pig Parker. Also jemandem, der ausserhalb der Markierung parkt, womit er dann den nächsten zwingt, ebenfalls ausserhalb der Markierung zu parken und so weiter: «Society can’t function like this», sagte Larry. And he is right.

  5. S wie «Suche»

    Die Suche nach einem Parkplatz ist ein zentrales Initiationsritual des zivilisierten Lebens in der postindustriellen Gesellschaft. Ein freier Platz ist eine Trophäe – und erscheint wie eine Fata Morgana in der blechglitzernden Parkplatzwüste. Bisweilen, nicht selten, handelt es sich dann tatsächlich um eine Illusion, zum Beispiel, weil in der vermeintlichen Lücke dann doch ein ganz, ganz kleines Auto stand, geez! In solchen Momenten neigt der spätmoderne Mensch dazu, sich bewusst zu machen, dass es im Grunde logisch unmöglich sein müsste, je einen Parkplatz zu finden: man weiss, es gibt mehr Autos als Parkplätze (besonders in Zürich), und das ist doch eigentlich genau so wie wenn man was ganz Kleines verloren hat, seinen Ehering zum Beispiel, das ist doch logisch unmöglich, den jemals wiederzufinden! Doch bevor man sich in derart zwangsneurotischen schlussfolgernden Denkprozessen mit akuten hysteriformen Begleiterscheinungen verliert, schaltet man lieber das Radio ein. Wobei einem dann bewusst wird: Die Parkplatzsuche ist wie ein bestialisches Spiel, wie Musical Chairs, dieses unbarmherzige Vergnügen, mit dem schon auf Kindergeburtstagen die Generationen nachfolgender Autofahrer auf das vorbereitet werden, was sie erwartet: Das Ewige Kreisen.

Bild oben: Der Alptraum des Parkplatzsuchenden: Mit Halteverbotsschildern und Baucontainern versperrte Parkfelder. (Bild: Keystone)

12 Kommentare zu «Schule des Parkens»

  • peter sagt:

    als landei habe ich selten probleme in Züri einen parkplatz zu finden. rufe allerdings immer zwei heilige an, die mir gerne dabei helfen – sogar als reformierter. wenn die beiden kids mithelfen werden wir meist sogar noch schneller erhört oder kriegen sogar mehrere parkplaetze zur auswahl 🙂

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