Das Monster vor mir

Ich bin in letzter Zeit ein paar Mal innerhalb und ausserhalb von Indonesien mit der staatlichen indonesischen Fluggesellschaft Garuda Indonesia geflogen, meine Damen und Herren, und das war völlig okay. Garuda war mal eine Zeit lang für den europäischen Luftraum nicht zugelassen, aber diese Zeiten sind (nicht zuletzt dank eines Grosseinkaufs bei Airbus und Boeing) vorbei, und im Jahr 2012 bekam Garuda Indonesia den Skytrax Award als «World’s Best Regional Airline» (inzwischen fliegen sie auch wieder nach Amsterdam). Die Garuda-Maschinen auf den von mir benutzten Routen waren nicht brandneu, aber das macht bei Flugzeugen ja nichts. Auf dem Flug von Bangkok nach Jakarta lag Zigarettengeruch in der Kabine, denn offensichtlich wurde im Cockpit geraucht; doch in vielen Fluggesellschaften wird im Cockpit geraucht, das ist eins der wenigen offenen Geheimnisse der zivilen Luftfahrt, und auch das macht ja nichts, und wenigstens waren es keine Nelkenzigaretten.
Im Gegenteil, diese älteren Flugzeuge haben den Vorteil, dass man auch auf kürzeren Strecken, zum Beispiel von Jakarta nach Semarang, in der Businessclass noch eine richtige Businessclasskabinenkonfiguration antrifft, also breitere Sitze und erheblich mehr Platz. Während ja heutzutage etwa auf innereuropäischen Strecken die Businessclass in der Regel eine Economy-Bestuhlung aufweist, wobei der Mittelsitz einfach freigelassen wird. Und einige Fluggesellschaften, etwa Air Berlin, haben auf Kurzstrecken gar keine Businessclass. Ich finde auch Air Berlin total okay, zum Beispiel für die Kurzstrecke nach Berlin, doch hier nun passiert es mir durch eine geheimnisvolle schicksalhafte Fügung – ich möchte sagen: durch eine auf höherer Ebene mutmasslich unwiderlegbar notwendige Folge der Ereignisse – regelmässig, dass im Sitz vor mir ein Monster Platz nimmt. Und sofort seine Lehne bis zum Anschlag nach hinten stürzen lässt. Siehe Bild. Es handelt sich dabei meist gar nicht um proaktive Unhöflichkeit, sondern einfach um die Sorte Mensch, die ihrem Wesen nach expansiv und ein wenig von tölpischer Grobheit gezeichnet ist und sich fernerhin hervorhebt durch, um es vorsichtig auszudrücken, die Projektion grosser physischer Intensität… ungefähr wie LeBron James. Nur bei weitem nicht so attraktiv. Die Sorte Mensch, die sich weiterhin dadurch auszeichnet, dass sie hustet und schnarcht und niest und sich mit dem Finger im Ohr rüttelt wegen des Drucks und die Lehne nach hinten fallen lässt no matter what, Sie kennen das vielleicht aus eigener Erfahrung, liebes Publikum, und in solchen Momenten wird mir dann immer die Gegenwart als ausdehnungsloser Punkt zwischen Vergangenheit und Zukunft ganz besonders schmerzlich bewusst, und ich denke an Ryanair, die ich aus diversen Gründen nie benutzen würde, deren wischfeste Kunstledersitze sich aber nicht zurückklappen lassen. Ich möchte dies für alle Fluggesellschaften auf Kurzstrecken anregen, wenn die Kabinen schon so eng bestuhlt werden. Thank you.
Das letzte Monster vor mir atmete fauchend, eine Art hydraulisches Zischen, wie ich es zuletzt im Film «Battleship» gehört hatte, und legte im Übrigen bei der simplen Verspeisung des obligaten Air-Berlin-Schokoladenriegels Tischmanieren an den Tag, die wohl aus den Zeiten stammen, da es noch gar keine Tische gab, sondern derjenige Teil von Europa, welcher heute manch bizarre Blüte der menschlichen Kultur hervortreibt, ein raues, unwirtliches Land war, mit eisstarrenden Gebirgen, bedeckt von finsteren Wäldern und bevölkert von Wilden. Mir verging Hören und Sehen. Es gibt ja eine Menge kleiner Unarten und Rücksichtslosigkeiten, die an und für sich nicht viel bedeuten, aber erschütternd sind als Kennzeichen der Beschaffenheit einer Seele. Nun schüttete dieses Kalb Moses auch noch seinen Kaffee über das Klapptischchen. Herrje! – Und wissen Sie, was ganz, ganz selten glücklich aussieht: Jeans und Veston. Diese Jeans-Jackett-Kombination verletzt in der Regel das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.
Und wussten Sie ausserdem, verehrte Leserschaft, dass Erwin ein beliebter Vorname in Indonesien ist? Crazy, huh? Und wieso heisst eigentlich niemand mehr Angelika, weder in Indonesien noch sonst wo? Oder Evelyn? Oder Irmgard? So heisst die Haushälterin in «Monaco Franze». Ich liebe Erni Singerl in dieser Rolle. Bis übermorn.
4 Kommentare zu «Das Monster vor mir»
Köstlich amüsiert – danke, Herr Tingler! Ja, Erni Singerl…lang ist’s her – unvergessen die Szene, wo sie dem Monaco die ganze Ausrüstung ins Kommisariat fährt und mit den Worten auf den Tisch knallt: „Jetzt ist Oper und aus!“ – heute gehen die Leute mit wattierten Jacken in die Oper, oder nee, lieber gleich ins Tarzan-Musical…
Die klappbare Rückenlehne gehört ganz generell verboten. Habe noch nie verstanden, was das soll und es auch im Leben noch nie benutzt. Als ob es in Flugzeugen nicht schon eng genug wäre, gibt man der hier beschriebenen Sabberschmatzrotz-Spezies auch noch eine Sitzfunktion zum automatischen Sich-Ausbreiten. Diese Kreaturen sind sich ihrer Wirkung auf ihre Mitmenschen ohnehin nicht bewusst, wie sollen sie sich da vorstellen können, was sie jemandem antun, der hinter ihnen sitzt und den sie folglich nicht mal sehen können?
kalb moses????????monsieur tingler also halloooo…….sonst mega amuesant, wunderbar zu lesen und vollumfaenglich einverstanden mit ihren wuenschen…………………
Also ich kanns nicht gewesen sein, Weil seit zwanzig Jahren nicht mehr geflogen.