Das Foto im Portemonnaie

In unserer losen Reihe von Würdigungen langsam versinkender Alltagsversatzstücke aus dem 20. Jahrhundert möchte ich Sie heute auf Folgendes aufmerksam machen, meine Damen und Herren: Das Foto im Portemonnaie. Haben Sie noch eins? Ich schon. Jedenfalls in meinem Kartendingsdathingie. Manche Leute finden ja, das Herumtragen von Fotos in der Geldbörse sei nicht sehr classy; allerdings darf ich hier an die schöne Tradition der travel frames erinnern; zusammenklappbare Bilderrahmen, die man früher mitnahm, um nie ohne seine Liebsten zu sein, und das Reisen mit Bilderrahmen ist pretty classy. Deswegen macht das auch noch kaum jemand. Ausser vielleicht den Mountbatten Sisters.
An die Tradition der Portemonnaiebilder hingegen hat mich neulich eine Zeitschrift namens «Der Wedding» erinnert, deren aktuelle Ausgabe dem Thema «Geld» gewidmet ist, und unter der Überschrift «Geldkunde» ist ebendort eine Würdigung des Fotos im Portemonnaie enthalten:
«Passfotos in Geldbörsen sind in allen Altersklassen anzutreffen; junge Mütter und Väter vergewissern sich ihrer Kinder, Ehefrauen ihrer Ehemänner und Witwer ihrer Gattinnen. Die Aufbewahrung der Liebsten nahe am Geld zeugt von Wertschätzung. Dem Foto kommt durch wiederholtes und öffentliches Hervorzeigen die Bedeutung einer Reliquie zu.»
Das ist alles noch im Präsens gehalten; aber dass das Geldbörsenbild genauso am Versinken ist wie das Wort «Geldbörse» deutet sich dann doch im letzten Satz an: «Äquivalent zum Foto in der Geldbörse sind Bilder auf Smartphones, insbesondere als Bildschirmhintergrund.»
So ist es, meine Damen und Herren. Das Portemonnaiebild stirbt aus, so wie das Wort «Portemonnaie», das man jetzt laut Duden auch schon «Portmonee» schreiben darf, ach, alles geht den Bach runter, time is a cruel mistress, aber egal, on we struggle, wie Miranda sagen würde. In diesem Sinne: bis übermorn.
12 Kommentare zu «Das Foto im Portemonnaie»
Das Foto im Portemonnaie stirbt doch nicht aus, es hat nur einen neuen Platz gefunden; heute ist es einfach das Hintergrundbild auf dem Smartphone.
welche Miranda? Miranda Kerr? Miranda Bailey???
Miranda Hart, Sara. Ich meine Miranda Hart.
Sie haben noch ein Portemonnaie…? Wie altmodisch! Wo doch Zug- und Trambillet schon heute über’s Smartphone bezahlt und Kreditkarten bald der Vergangenheit angehören werden. Fotos der Holden und einer oder mehrerer Geliebten sind am besten in einer verschlüsselten Datei aufgehoben, dasjenige der Kinder als Hintergrundbild auf dem Smartphone montiert. Das unvermeidliche Münz hingegen geht schlicht in den Hosensack. Nur für den Ersatzgummi müsste noch ein passendes Plätzchen gefunden werden – darum vielleicht doch wieder ein Portemonnaie? 🙂
somit würde man dann männliche Fremdgänger und Singles am Portemonnaie erkennen?